Das Kunstmagazin Monopol kührt wieder die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten aus der Welt der Kunst. Unter den berühmten Künstler*innen, Ausstellungsmacher*innen, Galerist*innen und Mäzeninnen und Mäzenen gibt es einige Überraschungen. Das sind die spannendsten Platzierungen 2022.
Elke Buhr: Ruan Grupa haben den Diskurs bestimmt
Auf Platz eins der Liste steht die Fotografin Nan Golding, die mit ihren Fotos gegen die Mäzen-Familie Sackler demonstriert, deren Schmerzmittel den Tod vieler Menschen verursachten.
An zweiter Stelle folgen die Documenta-Kuratoren Ruangrupa, weil sie wichtige Diskussionen mitausgelöst hätten, begründet Chefredakteurin Elke Buhr die Auswahl in SWR2. „Unsere Liste möchte abbilden, was genau in diesem Jahr diskutiert wurde. Und die Dokumenta war eine der erbittertsten Debatten, die überhaupt im deutschen Kunstbetrieb geführt wurden.“
Wie auch immer man Ruangrupa bewerte: Sie hätten den Diskurs bestimmt. „Deswegen sind sie bei uns auf Platz 2 gelandet.“
Kulturwelt Metropolitan Museum entfernt den Namen der umstrittenen Großspender-Familie Sackler aus seinen Galerien
Als spätes, aber sehr prominentes Beispiel in einer langen Reihe von Kulturinstitutionen hat nun am 9. Dezember 2021 das Metropolitan Museum of Art in New York auf die Vorwürfe gegen die Großspender-Familie Sackler reagiert. Man habe sich mit der Familie geeinigt, dass die Namen der nach ihnen benannten Galerien geändert werden. Mitglieder der Familie, Inhaber des Pharmaunternehmens Purdue, werden seit längerem für die Opioid-Krise in den USA verantwortlich gemacht.
Ruan Grupa, Meron Mendel und die Documenta
Zeitgenossen Meron Mendel: „Mein Ziel ist, dass wir alle vorurteilsbewusst werden.“
„Dass die Künstler aus dem globalen Süden uns provozieren, ist an sich nicht zu kritisieren“, sagt Meron Mendel, der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank Frankfurt. Rund um die Antisemitismusvorwürfe gegen die diesjährige Documenta hat sich der Publizist, Historiker und Pädagoge unermüdlich für den Dialog eingesetzt. Ohne Erfolg.
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Die documenta fifteen endet: Was bleibt von der deutschen Erinnerungspolitik?
Die documenta fifteen geht zu Ende – und nicht wenige Menschen würden jetzt hinzufügen: endlich. Was geht, wenn die größte deutsche Kunstausstellung für viele ein Fiasko ist? Die eine Seite beklagt, mit der Documenta habe man Antisemitismus in Deutschland wieder öffentlich ausstellen können, während die andere Seite meint, hinter der Kritik an den Künstler:innen stünde Rassismus. Ein Scherbenhaufen also, zumindest in der öffentlichen Debatte.
Und was bleibt nun im Nachhinein von dieser documenta fifteen? Lässt sich aus diesem Scherbenhaufen etwas machen – zum Beispiel eine Auseinandersetzung über die deutsche Geschichts- und Gedenkpolitik und die Frage, welchen Platz die kolonialen Verbrechen darin neben der Shoah einnehmen können?
Als gescheitert würde die Journalistin Charlotte Wiedemann die documenta nicht bezeichnen. Wiedemann hat viel aus dem Ausland berichtet und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Erinnerungskulturen. Sie hat die documenta besucht und dort viele Anregungen gefunden, die sie in der deutschen Debatte vermisst hat: “Über die documenta würde eine Glocke der Deutschtümelei gestülpt. Das Problem war für mich nicht die documenta selbst, sondern unser Umgang damit.”
Anders sieht das der Kunstkritiker Hanno Rauterberg, er sagt, die mangelnde Kommunikationsbereitschaft habe den Austausch erschwert: “Der Kollektiv-Gedanke der documenta hat Kritik an einzelnen Künstlern erschwert.” Schnell habe es geheißen, Kritik meine nicht den Einzelnen, sondern alle und damit die gesamte documenta. Kritik sei deshalb von Ruangrupa schnell als rassistisch wahrgenommen worden.
Und auch der Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank und engagiert hätte sich gewünscht, dass die verschiedenen Seiten wirklich miteinander ins Gespräch kommen: „Es wurde zwar viel debattiert, aber da war das Gefühl, dass man aneinander vorbeiredet.“
Viel Stoff also für eine Debatte über die deutsche Erinnerungspolitik!
Charlotte Wiedemanns Buch „Den Schmerz der anderen begreifen“ ist im Mai 2022 bei Ullstein erschienen.
Unterschiedliche Positionen und Erklärungsansätze zur documenta-Debatte findet ihr in der Ausgabe 09/2022 von Politik & Kultur, der Zeitschrift des Deutschen Kulturrats – alles abrufbar unter https://politikkultur.de/archiv/ausgaben/nr-9-22/
Die Bildungsstätte Anne Frank, deren Direktor Meron Mendel ist, hat eine Podiumsdiskussion zu Kunst und Antisemitismus veranstaltet, die ihr hier anschauen könnt: https://www.bs-anne-frank.de/events/kalender/zum-antisemitismusskandal-auf-der-documenta-fifteen
Bei „Was geht, was bleibt“ haben wir uns schon öfter mit den Themen Kolonialismus und Erinnerungspolitik beschäftigt, zum Beispiel in diesen beiden Folgen:
https://www.swr.de/swr2/programm/blinder-fleck-der-erinnerungskultur-unser-kolonialistischer-blick-nach-osteuropa-100.html
https://www.swr.de/swr2/programm/rueckgabe-von-raubkunst-dekolonisierung-oder-reine-symbolpolitik-100.html
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns auf kulturpodcast@swr.de
Host: Pia Masurczak
Redaktion: Pia Masurczak und Kristine Harthauer
Mehr zu Bénédicte Savoy
Buchkritik Bénédicte Savoy – Afrikas Kampf um seine Kunst
Sie gilt als kunsthistorisches Gewissen der Nation: Bénédicte Savoy will Raubkunst zurück nach Afrika bringen und erklärt, was das mit moderner Gesellschaftspolitik zu tun hat.
Rezension von Jochen Rack.
C.H. Beck Verlag, 256 Seiten, mit 16 Abbildungen, 24 Euro
ISBN: 978-3-406-76696-1
Protest von Die letzte Generation
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Klimaprotest und beschmierte Kunst: Wie weit muss ziviler Ungehorsam gehen?
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Wir haben Klimaaktivisten aus dem ganzen Spektrum gefragt, was sie sich von den Protestformen versprechen. Robin Celikates, Professor für Philosophie an der FU Berlin, erklärt, was effektiven Protest ausmacht und ab wann radikale Aktionen kontraproduktiv sind.
Habt ihr noch mehr Themen, die wir uns dringend anschauen sollten? Schreibt uns an kulturpodcast@swr.de
Host: Christian Batzlen
Redaktion: Christian Batzlen und Max Knieriemen