Von Marianne Lechner
Mit großen Skulpturen aus Holz und Bronze sucht Bildhauer Erwin Wortelkamp den Dialog mit der Architektur der Festung Ehrenbreitstein. Zu seinem 80. Geburtstag im September ist für den Westerwälder ein langgehegter Wunsch in Erfüllung gegangen: eine Ausstellung auf der berühmten preußischen Festung in Koblenz.
Die Ehrenbreitstein als Herausforderung
"Eine Skulptur sucht und findet ihren Ort", sagt Erwin Wortelkamp. Mit dieser Überzeugung schafft er seit Jahrzehnten Skulpturen für Orte, die ihn ansprechen und herausfordern. Die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz war für ihn immer eine besondere Herausforderung.
Jetzt, mit fast 80, hat er sie angenommen, trotz einiger Skrupel: "Diese Festungsarchitektur ist ja für nichts anderes gemacht als die Funktionen, die mal festgeschrieben waren. Da müssen Sie mit einer Arbeit hineingehen, die selbst einen Behauptungswillen verkörpern kann", sagt Erwin Wortelkamp.
Parcours durch die Festungslandschaft
20 großformatige Skulpturen aus Holz und Bronze hatte Wortelkamp zunächst über das Festungsgelände verteilt. Etwa sechzig Exponate sind nunmehr im Inneren der Festung angeordnet.
Von einer Skulptur zur nächsten gelockt
Einige Skulpturen drängen sich dem Betrachter gar nicht auf. Sie hängen filigran hoch oben an einer Wand oder in einer Ecke, sind zwischen zwei Mauern gespannt oder lehnen lässig neben einem Durchgang.
Eine Figur steht in einem Bereich, der sonst für Besucher gesperrt ist. Man muss sich bewegen und den Blick schweifen lassen, um alle überhaupt wahrzunehmen. Wortelkamp will Sehgewohnheiten brechen und hat die Figuren in einem Parcours angeordnet, um die Besucher von einer Skulptur zur nächsten zu locken.
"Diese Wände sind Lebensgeschichten"
Der Künstler sieht auch den Widerspruch zwischen der ästhetischen Schönheit der Festung und ihrer ursprünglichen Funktion: "Ausgangspunkt sind die großen Wände, die ja die Frage diktieren: Was haben diese Wände gesehen? Wer musste davor dies oder jenes machen, wer ist möglicherweise erschossen worden? Diese Wände sind ja Lebensgeschichten."
Ein Ort, den der Künstler eigentlich absurd findet
Wortelkamp sucht den Dialog mit einer Anlage, die er eigentlich absurd findet. Die Festung folge mit ihrer Wehrhaftigkeit dem Grundbedürfnis, sich zu schützen: "Das geschieht leider, indem wir angreifen oder meinen, uns verteidigen zu müssen. Aber gerade gemessen mit heutigen Verteidigungsmöglichkeiten hat diese Anlage eine Absurdität im Sinne einer Übertreibung."
Wehrhaftigkeit als Lebensmotto
Auf die Frage, was es heute zu verteidigen gilt, gibt Erwin Wortelkamp mehrere Antworten: Als Künstler sieht er die Freiräume, die er sich ständig erkämpfen musste. Als Mensch sieht er echte Individualität, die aus seiner Sicht immer mehr verloren geht. Eine "Ich-Stärke", wie er das nennt, ohne die sich keine gesellschaftlichen Werte verteidigen oder globale Probleme lösen ließen.
So ist die Ausstellung auch eine Art Lebensmotto des Künstlers, der bereits am 21. September 80 Jahre alt geworden ist.