Das erfahrene Regie-Duo Cyrill Boss und Philipp Stennert hat den Roman „Hagen - im Tal der Nibelungen” von Wolfgang Hohlbein von 1986 verfilmt. Sie setzen dabei ganz auf Hagen, der bislang immer der Bösewicht dieser Geschichte war, als Verräter und heimtückischer Mörder des Helden Siegfried. Herausgekommen ist eine sehenswerte Neuinterpretation des Stoffes, aber leider kein deutsches Fantasy-Highlight.
„Hagen“ zelebriert Düsternis statt Heroismus
„Europa im Mittelalter. Feindliche Hunnen drängen in den Westen.” So verkündet eine Schrift auf der Leinwand, bevor die ersten Bilder zu sehen sind. Wer jetzt gleich Fremdenfeindliches vermutet, sieht sich getäuscht. Denn auch in diesem Film liegt der Fokus ganz auf den Burgundern, auf der königlichen Großfamilie im Zentrum des Nibelungen-Mythos.
Grau, braun, matschig und farbentsättigt ist die Szenerie über weite Strecken dieses Films, der Düsternis statt Heroismus zelebriert. Mitunter spürt man das Dilemma des Films einerseits nicht in die vielen möglichen Fallen zu tappen, mit denen die Nibelungen-Story seit bald 200 Jahren ideologisch belastet ist, andererseits doch ein deutsches Fantasy-Epos sein zu wollen.
Hagen wird zum treuen Waffenschmied uminterpretiert
Klassischerweise ist „der grimme Hagen” der Bösewicht, der Verräter und heimtückische Mörder des tadellosen blonden Helden Siegfried. Ein „Dark Knight” des deutschen Geistes, der die moderne, als listig und verschlagen verachtete Staatskunst repräsentiert gegen einen zwar „tumben”, aber ehrhaften Siegfried.
Man kann es auch anders sehen: Vielleicht sind der Pragmatismus und die melancholische Nachdenklichkeit Hagens, auch seine Bereitschaft, sich „die Hände schmutzig zu machen” und Gewalt als Mittel der Politik zu gebrauchen heute die viel zeitgemäßere Haltung. Hier wird er nun jedenfalls entsprechend umcodiert: Hagen ist ein treuer Waffenschmied, der sich um Reich und die Zukunft des schwachen neuen Königs Gunter sorgt.
Siegfried ist Anführer einer Söldnerschar
Währenddessen ist der Neuankömmling Siegfried von Xanten hier der Führer einer moralisch höchst zweifelhaften Söldnerschar, die allerdings im Kampf unbesiegbar und daher als Verstärkung für das wankende Burgunderheer willkommen ist. Am Hof eingetroffen benimmt er sich von Anfang an respektlos und schlecht.
So mündet die Handlung schnell in den Kardinalkonflikt zwischen Hagen und Siegfried, flankiert von den zwei „starken Frauen” Kriemhild und Brunhild. Nach einigen Wendungen und Schlachten kommt es zu einem im Gegensatz zum Mythos ehrhaften Zweikampf der beiden Recken - eine spannende Uminterpretation der bekannten Geschichte.
Der Niederländer Gijs Naber ist ein überzeugender, solider, wenn auch etwas hüftsteif und behäbig agierender Hagen. Aber Jannis Niewöhner, Allzweckwaffe des deutschen Films, mag zwar für alles Mögliche taugen – ein Siegfried aber ist er wirklich nicht.
„Hagen“ schafft es leider nur zum Edeltrash
So ist „Hagen - im Tal des Nibelungen” in vielem ansprechend inszeniert und eine legitime, interessante, daher sehenswerte Interpretation des Stoffes. Filmästhetisch wie erzählerisch fehlen jedoch auch Mut und letzte Ambition und vermutlich die finanziellen Mittel, um aus dem Nibelungen-Stoff ein deutsches „Game of Thrones” oder „Der Herr der Ringe” zu machen.
So schwankt der Film zwischen gutem Edeltrash für Genre-Fans und „Terra X”-Anmutung und es dominiert der Eindruck von verschenktem Potential. Den Nibelungen-Mythos als Vorboten der Moderne sichtbar zu machen, gelingt dem Film nicht.
Trailer „Hagen“, ab 17.10. im Kino
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