Kaiserin Elisabeth und kein Ende: Bis heute lebt die Monarchin in Film und Fernsehen weiter. Nun wurde die Netflix-Serie „Die Kaiserin“ bei den Internationalen Emmys als beste Drama-Serie ausgezeichnet. Es ist eine von aktuell zwei große Historienserien zum Streamen. Warum fasziniert Sissi bis heute das Publikum? Und bleibt Romy Schneider auch für die Neuverfilmungen das unerreichte Vorbild?
Die rastlose Kaiserin wird Opfer eines Attentats
10. September 1898: Unter dem Namen „Gräfin von Hohenembs“ weilt Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, im Genfer Hotel Beau-Rivage. In Wien ist die Monarchin nur noch, wenn es unvermeidlich ist, stattdessen verbringt sie ihre Zeit am liebsten auf Reisen oder in ihrem Palast auf Korfu. Genf wird für die Kaiserin zur letzten Station ihres rastlosen Lebens.
Ihrem Mörder, dem Anarchisten Luigi Lucheni, begegnet Elisabeth am Genfer Bootssteg. Sie will einen Raddampfer besteigen, da attackiert sie der junge Mann. Die Wunde, die Lucheni der Kaiserin mit einer spitzen Feile zufügt, fällt zunächst nicht auf. Elisabeth glaubt, lediglich einen Faustschlag erlitten zu haben. Doch die spitze Tatwaffe trifft sie direkt ins Herz. Elisabeth stirbt in ihrem Hotel.
Der tragische Tod der Kaiserin, er scheint wie das passende Finale einer Lebensgeschichte, die seit mehr als hundert Jahren auf der Bühne, in Filmen und im Fernsehen immer wieder neu erzählt wird. Im deutschsprachigen Raum hat keine Herrscherin den Sprung auf die Leinwand so oft vollführt wie Elisabeth, meistens unter ihrem Rufnamen aus Kindertagen: „Sisi“.
Forum Sisi für das 21. Jahrhundert – Was bleibt von der Kaiserin der Herzen?
Gregor Papsch diskutiert mit
Alfons Schweiggert, Autor, München
Mag. phil. Katrin Unterreiner, Historikerin und Kunsthistorikerin, Wien
Dr. Martina Winkelhofer, Historikerin, Wien
Das Leben der Kaiserin bietet dem Film reichlich Stoff
Gerade einmal 15 Jahre ist die bayerische Prinzessin, als ihre Verlobung mit dem österreichischen Kaiser Franz Joseph, ihrem Cousin, bekanntgegeben wird. Schon zu Lebzeiten wird die Verbindung als Liebesheirat romantisch verklärt. Der Kaiser soll die schöne Sisi ihrer älteren Schwester Helene vorgezogen haben. Die Konterfeis des jungen Paares werden, wie bei den heutigen Royals, über Ansichtskarten, Sammelteller und Figuren verbreitet.
Für die Öffentlichkeit pflegt der Kaiserhof das Bild von Elisabeth als schöne, tugendhafte Mutter des Volkes. Doch bei Hofe widersetzt sich die junge Kaiserin dem restriktiven Hofzeremoniell und erzwingt Privilegien: das Reiten, einen Sportraum und schließlich die Kontrolle über die Erziehung des Thronfolgers.
Kaiserin Elisabeth im Film, von 1931 bis heute:
Mit den Jahren inszeniert sich die Kaiserin immer mehr als Freigeist: Sie zelebriert einen fanatischen Schönheitskult um ihre Wespentaille und das lange, braune Haar, verehrt den indizierten Dichter Heinrich Heine, verspottet den Wiener Hof in Briefen und Gedichten und engagiert sich politisch für den österreichisch-ungarischen Ausgleich.
In den 1860er-Jahren wird die Regentin zur Wortführerin für die ungarische Eigenständigkeit. Die Anerkennung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, die mit der Krönung des Kaiserpaares 1867 in Budapest vollzogen wird, betrachtet die Kaiserin als ihren persönlichen Triumph.
Romy Schneider schwebt über allem
Nur wenig zeigen die „Sissi“-Filme mit Romy Schneider von dieser eigensinnigen Elisabeth. Regisseur Ernst Marischka zementiert das Märchenbild der unschuldigen Prinzessin, die sich gegen die gestrenge Schwiegermutter zur Wehr setzt. „Sissi“ stilisiert die Kaiserin zur Heilsfigur des österreichischen Vielvölkerstaats und befriedigt die „Heile-Welt-Sehnsucht“ der Nachkriegsjahre.
Marischka beruft sich dabei auf das Sisi-Bild, das er kennt. Bei Elisabeths Tod steckt das Medium Film noch in den Kinderschuhen. In den letzten Regierungsjahren des verwitweten Kaisers wird seine Frau im Stummfilm als „Mutter des Volkes“ verklärt. Elisabeth soll als letzte große Monarchin Österreichs im Gedächtnis bleiben, eine Erinnerung an die glorreichen Tage der Donau-Monarchie.
Und Marischkas „Sissi“ wirkt bis heute nach: Auch die neueste Serie „Die Kaiserin“, eine Netflix-Produktion, die nun bei den Internationalen Emmys als beste Drama-Serie ausgezeichnet wurde, greift in ihren Erzählungen auf die Filme der 1950er-Jahre zurück. Sie entwickelt ihre Heldin (gespielt von Devrim Lingnau) aber weiter zur proto-feministischen Individualistin. Man sieht Intrigen bei Hofe, einen mit seiner Position hadernden Franz Joseph, der sich gegen seinen umstürzlerischen Bruder behaupten muss und, zwangsläufig, eine gehörige Portion Sex. „The Crown“ und „Bridgerton“ lassen grüßen.
„Corsage“ als gelungener Gegenentwurf
Tatsächlich kämpfte Romy Schneider zeitlebens gegen das eigene „Sissi“-Image an. Trotzdem kehrte sie 1973 nochmal zu Elisabeth zurück, für Luchino Visconti. In „Ludwig II.“ spielt Schneider die Kaiserin als vom Leben enttäuschte, zynische Getriebene und Seelenverwandte ihres Cousins, des tragischen Märchenkönigs.
Die alternde, kapriziöse Kaiserin porträtiert auch Regisseurin Marie Kreutzer in ihrem gelungenen Film „Corsage“. Hier hadert Elisabeth, gespielt von Vicky Krieps, mit dem Leben bei Hofe, ihrer Rolle als Kaiserin und ihrer schwindenden Jugend. Bedauerlich, dass der Film in der Presse durch das Strafverfahren gegen Hauptdarsteller Teichtmeister überschattet wurde.
Nun zeigt auch „Sisi und ich“, der vorerst letzte Sisi-Film von Frauke Finsterwalder, eine ähnliche Elisabeth: Susanne Wolff spielt die Kaiserin als zerbrechliche Frau auf der Flucht vor ihren Pflichten, launisch und manipulativ, magersüchtig und menschenscheu.
Regisseurin Frauke Finsterwalder über ihren Film „Sisi und ich“
Sisi und kein Ende?
Die Sehnsucht des Publikums ist groß nach Realitätsflucht in royale Liebesgeschichten mit prächtigen Kostümen, brennender Leidenschaft und willensstarken Heldinnen. Die Netflix-Serie bedient dieses Bedürfnis erfolgreich. Eine zweite Staffel ist aktuell in Produktion.
Die Kaiserin der Serienwelt wird zur Blaupause für ein modernes Frauenideal: willensstark, unkonventionell, sinnlich. Dass diese Darstellung einer der widersprüchlichsten Biografien des 19. Jahrhunderts kaum gerecht werden kann, wird dabei zur völligen Nebensache.
Umso erfreulicher ist es, dass es gerade zwei Regisseurinnen sind, die sich im Kino um ein vielleicht deutlich weniger liebenswertes, dafür aber psychologisch vielschichtigeres und damit deutlich authentischeres Bild der Kaiserin bemühen. Eines steht fest: Auserzählt ist die Geschichte der Kaiserin Elisabeth noch lange nicht.