Der Stuttgarter Choreograf und Tänzer Eric Gauthier debütiert als Regisseur an der Staatsoper Stuttgart. Seine Inszenierung „La Fest“ ist ein großes Spektakel mit Arien und Tänzen des Barock. Mit Musik von Händel, Rameau, Vivaldi und vielen weiteren gelingt ein Abend mit allen Zwischentönen von Prachtentfaltung bis Innigkeit.
Alles anders an der Oper Stuttgart
Auf den ersten Blick ist alles anders an diesem Eric-Gauthier-Abend in der Stuttgarter Oper. Die Einführung entfällt, statt dessen steht im Foyer zwischen Marmor, Kristalllüstern und vergoldetem Stuck eine lange Festtafel, an der das Publikum Platz nimmt, posiert und plaudert Manche tragen barocke Kostüme.
Drinnen im hell erleuchteten Konzertsaal füllen sich derweil die Ränge, wobei niemand davon Notiz nimmt, dass auf der Bühne bereits das Orchester spielt. An der Rampe wärmen sich Tänzer auf, sie tragen Trainingsklamotten.
Für eine Oper ist das alles etwas seltsam, das gibt sogar der Intendant Viktor Schoner zu. „La Fest“ von und mit Eric Gauthier sehe auf den ersten Blick absonderlich aus.
Und doch es sei richtige historische Aufführungspraxis, so Schoner, „weil Barockoper im 17. Jahrhundert, und 18. Jahrhundert auch noch, war immer festlich, war immer ein bisschen absonderlich aus heutiger Sicht. Aber aus damaliger Sicht war es das, was Oper repräsentierte, nämlich ein gesellschaftliches Feiern mit Musik.“
Gauthier genießt in Stuttgart Heimvorteil
Bevor dieses Feiern aber losgeht, kommt der Regisseur persönlich auf die Bühne, im üblichen Eric-Gauthier-Stil: mit Jeans, T-Shirt, Turnschuhen und seinem unwiderstehlichen Lausbuben-Charme.
Eric Gauthier hat hier Heimvorteil. Doch als ehemaliger Tänzer der Ballett-Compagnie nun zurückzukehren in der Rolle eines Opernregisseurs, ist eine Herausforderung. Ob er das kann, mag sich mancher fragen. Gauthier hat eine Antwort parat: Er macht alles anders. Zum Beispiel hat er die Gesangssolisten ihre Arien selber aussuchen lassen.
Wer da eine billige Greatest-Hits-Masche wittert, ist im Irrtum, erklärt Intendant Viktor Schoner: „Die Frage des Repertoires war wirklich historische Aufführungspraxis oder historische Produktionspraxis, denn im siebzehnten Jahrhundert haben die Diven, die durch Europa gereist sind, natürlich selbst entschieden, was sie singen.“
Pasticcio bereitet auch den Singenden Freude
Und das bereitet auch den heutigen Primadonnen sichtbares Vergnügen, etwa Diana Haller und Claudia Muschio. Mit voller Kraft stürzen sie sich in einen furiosen Koloratur-Streit zweier hochgradig genervter Zicken.
Gemischte Opern-Programme nannten schon die barocken Zeitgenossen „Pasticcio“, zu deutsch Pfuscherei. Abseits der Bühne, in der Küche, ist Pasticcio ein Auflauf – also die Zubereitungsform, in der man alles Beliebige verwursten kann.
Für „La Fest“ aber ist solche Herablassung fehl am Platze. Das Gegenteil stimmt: Hier hat eine kundige Auswahl in jahrelanger Vorarbeit die Perlen des Genres zutage gefördert.
„Das macht jetzt so richtig Spaß, diese Arien zu hören.“
„Es gibt so viel Barockoper, wo du nach sechs Stunden denkst: Na ja, jetzt reicht es aber mal“, so Intendant Schoner. „Das macht jetzt so richtig Spaß, diese Arien zu hören. Und es ist sehr anspruchsvoll. Diese Arien sind mega-schwierig, ja, aber macht total Spaß.“
Zu diesem Spaß gehört, dass im Prolog der junge Tenor Alberto Robert auf Gauthiers Regie-Tisch klettert, mit dem Publikum die richtige Atemtechnik übt und dann das ganze Haus zum Singen bringt.
Der Trailer zu „La Fest“:
Zwei Stunden überbordendes Spektakel
Diese als Talkshow getarnte Einführung vertreibt jeden Traditionsmief, lockert das Publikum auf und macht Lust auf den eigentlichen Musikabend. Der erweist sich als überbordendes, zweistündiges Spektakel.
Das bestens aufgelegte Orchester unter dem Barock-Spezialisten Benjamin Bayl rollt einen prachtvollen Klangteppich aus und der fantastische Staatsopernchor absolviert nebenbei noch komplexe Choreografien. Die Profi-Tänzer begeistern mit allem, was zwischen innigem Pas de deux und Hip-Hop-Battle überhaupt tanzbar ist, und die Solisten glänzen sowieso um die Wette.
Und nach dem letzten Vorhang ist noch lange nicht Schluss, denn im Handumdrehen steht ein DJ auf der Bühne und rockt das Opernhaus. Im Parkett grooven die barock kostümierten Gäste. So viel Fest war hier wohl noch nie.