Baden-Württemberg hat drei Landesbühnen, Rheinland-Pfalz hat eine. Ihre gemeinsame Aufgabe: Theater in die ländlichen Gegenden zu bringen. Sie leisten mit ihren weit auseinanderliegenden Gastspielen Knochenarbeit. Aber die zum Teil schon 100 Jahre alten Landesbühnen sind nach wie vor chronisch unterfinanziert.
Württembergische Landesbühne Esslingen: die älteste im Land
Die älteste Landesbühne im Südwesten ist in Esslingen beheimatet. 1918, noch vor Ende des ersten Weltkriegs, gründeten der Pädagoge Theodor Bäuerle und der Unternehmer Robert Bosch in Stuttgart den „Verein zur Förderung der Volksbildung“. Das Ziel: Bildung und Kultur für alle.
Es entstand die erste institutionalisierte Wanderbühne, die das Theater in die Provinz bringen und dem aufkommenden „Kinoschund“ Paroli bieten sollte. Ab 1926 kooperierte man mit Esslingen und aus der „Schwäbischen Volksbühne“ wurde schließlich 1933 die „Württembergische Landesbühne Esslingen“.
1998 drohte eine Schließung
Sie ist, wie alle Landesbühnen, ein Zwitter: halb Wanderbühne, halb festes Haus. Die Hälfte der Aufführungen findet in kleinen Städten ohne eigenes Theater, wie Metzingen oder Künzelsau statt.
Gespielt wird in Schulen, Bürgerhäusern, Gaststätten. Gelder kommen zu 70 Prozent vom Land Baden-Württemberg, 30 Prozent zahlt die Stadt Esslingen. Aber trotz der über vier Millionen Euro pro Jahr vom Land drohte der Bühne immer wieder die Schließung. Zuletzt 1998 durch einen sparwütigen Ministerpräsidenten Erwin Teufel. Eine Bürgerinitiative und eine Großkundgebung von empörten Bürger*innen konnte das Ende gerade noch abwenden.
Ablenkungstheater? Nicht in Esslingen!
Das aktuelle Intendantenduo Friedrich Schirmer und Marcus Grube setzt heute, über 100 Jahre nach der Gründung, weiterhin auf „Volksbildung“. Man wolle mit Stücken über die NS-Zeit oder Ionescos „Die Nashörner“ aufrütteln, und „bloß kein beschwichtigendes Ablenkungstheater“, so Schirmer.
Spielplan der Württembergischen Landesbühne Esslingen
Landestheater Tübingen: mit eigener Kinder- und Jugendtheatersparte
1950 wurde das Landestheater Tübingen (LTT) gegründet. Viele Jahre hauste es unter schwierigen Produktionsbedingungen in einem Museum, bis es 1975 einen endgültigen eigenen Spielort in einer leerstehenden Schuhfabrik bekam.
1984 kam eine eigenständige Kinder- und Jugendtheatersparte hinzu, das heutige „Junge LTT“. Seit Anfang des Jahres leitet die Dramaturgin Monika Kosik das „Junge LTT“. Ihr Ziel: nach Corona neues Publikum gewinnen.
In anderen Bundesländern ist die Not noch größer
Als Landestheater spielt das LTT mehr als ein Viertel seiner über 900 Vorstellungen pro Jahr in ganz Baden-Württemberg, den angrenzenden Bundesländern, aber auch in der Schweiz und in Österreich.
Auch das Landestheater Tübingen musste einige finanzielle Rosskuren überstehen. Da Baden-Württemberg seine Ausgaben für die Landestheater immer wieder deckelte, wurden Stellen eingespart.
Intendant Thorsten Weckherlin, der auch Sprecher aller Landestheater bundesweit ist, weiß, dass die finanzielle Not der Landesbühnen in anderen Bundesländern, vor allem in Ostdeutschland, aber noch viel größer ist, wie er im September 2022 in einem Gespräch mit dem SWR erläuterte.
Spielplan des Landestheaters Tübingen
Badische Landesbühne in Bruchsal: das Theater ohne eigenes Haus
Ein Nachkriegsgewächs im nordbadischen Bruchsal: Das Ensemble ist hier, im Gegensatz zu den anderen zwei Landesbühnen in Baden-Württemberg, als Mieterin in einem Bürgerzentrum untergebracht.
Was Folgen hat, denn ein Bürgerzentrum bietet wenig technische Möglichkeiten für Bühne und Bühnenbild. So müssen sich die Inszenierungen der Landesbühne nach der technischen Ausstattung der Gastspielorte richten.
Seit 1. August ist Wolf E. Rahlfs Intendant. Einer mit Landestheatererfahrung: Zuletzt war Rahlfs geschäftsführender Intendant beim Landestheater Sachsen-Anhalt Nord in Stendal.
Spielplan der Badischen Landesbühne Bruchsal
Landesbühne Rheinland-Pfalz: die einzige im ganzen Land
Sie hat ihren Sitz in einem Schloss: Die Landesbühne Rheinland-Pfalz residiert im Schlosstheater Neuwied, und zwar seit 45 Jahren. 1976 kündigte die Stadt Neuwied allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesbühne aus finanziellen Gründen.
Daraufhin gründete sich eine Stiftung, die die Trägerschaft des Theaters übernahm. Zwei Jahre später, 1978, eröffnete die Landesbühne neu im Schloss Neuwied. Bis heute ist sie die einzige Landesbühne in Rheinland-Pfalz und bespielt Bühnen im ganzen Bundesland. Während der Coronazeit drohte die Pleite, bis Stadt und Land der Bühne mit einer zusätzlichen Finanzspritze von 250.000 Euro wieder halbwegs auf die Beine halfen.
Privatwirtschaftliche Denke soll die Landesbühne RP aus den roten Zahlen holen
Seit dem 1. August ist der Boulevardtheatermann René Heinersdorff neuer Intendant. Heinersdorf leitet „nebenbei“ vier private Theater und er will auch mit einer „privatwirtschaftlichen Denke“ die Landesbühne aus den roten Zahlen holen.
„Die erste Maßnahme, die ich getroffen habe: ich habe mein Gehalt runtergesetzt, weil ich das zu viel fand für die Bühne“, so Heinersdorff in SWR2. Außerdem setzt er auf Vernetzung: Künftig sollen Produktionen der Landesbühne bundesweit vermarktet werden. „Ich bin der Garant dafür, dass dieses Stück auch in Düsseldorf, Köln oder München gezeigt wird und versuche so, Gelder für die Landesbühne zu refundieren“.
Das Land in der Mitverantwortung
Zudem könne man Bühnenbilder mehrfach nutzen und auch bei den Gagen könne man sparen. Allerdings nur bei den großen Gagen der Stars. Die kleinen Gagen wolle er nicht antasten.
Das Land Rheinland-Pfalz sieht der Intendant in der Mitverantwortung. Wegen baulicher und personeller Vorgaben einer Landesbühne könne man nur begrenzt sparen. Da müsse das Land sich fragen, ob es die Bühne haben wolle oder nicht.
Spielplan der Landesbühne Rheinland-Pfalz Schlosstheater Neuwied
Die Zuschüsse der Länder reichen nicht immer aus
Landesbühnen haben eine lange Tradition in Deutschland. Oft entsprangen sie dem Geist der demokratischen Volksbildungsbewegung nach dem ersten Weltkrieg. Das Ziel der Bewegung war eine kulturelle Bildung für alle, auch jenseits der Metropolen.
Aber, auch wenn die Landestheater im Südwesten heute nicht die erdrückenden Geldnöte vor allem der ostdeutschen Landesbühnen teilen, so sind sie doch chronisch unterfinanziert.
Die Zuschüsse vor allem der Länder reichen nicht immer aus, um die vielen Gastspiele in den Regionen stemmen zu können. Oder um Notlagen wie die während der Coronazeit ohne Subventionen zu überstehen.