Ob „Charleys Tante“, der „Rosenkavalier“ oder aktuell auf der Bühne des Pfalzbaus in „Hamed und Sherifa“: Dass Männer Frauen spielen und umgekehrt kommt im Theater immer wieder vor. Angesichts aktueller Debatten um Geschlechterrollen und Gendersterne ist das Thema derzeit hochaktuell, doch schon zu Shakespeares Zeiten war das Spiel mit den Geschlechtern Thema auf der Bühne.
Rollentausch auf der Bühne seit der Antike
In „Hamed und Sherifa“ am Pfalztheater Kaiserslautern verweist König Hamed alle Frauen des Landes, weil er seine Frau betrogen hat. Prinzessin Sherifa, die davon nichts hält, kehrt als verkleideter Mann zurück und gewinnt die Freundschaft des Königs. Alle Rollen im Stück werden von Männern dargestellt.
Im Zentrum der Kinderoper stehen Fragen nach Männlichkeit und Weiblichkeit. Ein solcher Rollentausch auf der Bühne ist ein Phänomen seit der Antike.
Nur männliche Schauspieler in der Antike
Als Ursprung des abendländischen Theaters gilt das Theater der griechischen Antike. Aus Chorliedern und Tänzen entwickelten sich mit der Zeit komplexe Handlungen. Die Ursprünge der Tragödie werden ins 6. Jahrhundert v. Chr. datiert.
Die Darsteller des griechischen Theaters waren ausschließlich Männer, Frauenrollen wurden, wie alle anderen, über Masken dargestellt. Frauen galten in den patriarchalischen Gesellschaften für diese hochangesehene Kunstform als ungeeignet.
„Was ihr wollt“ – Vom Rollenklischee und der Verkleidung
Ein bis heute immer wieder gern aufgeführtes Theaterstück ist „Was ihr wollt“ von William Shakespeare. Die Komödie ist zu Beginn des 17. Jahrhunderts uraufgeführt worden und wurde vielfach adaptiert – als Musical oder als Film.
Die Handlung spielt mit Rollenklischees und dem Topos der Verwechslung: Viola liebt den Herzog Orsino, der in die Gräfin Olivia verliebt ist, die jedoch liebt Cesario. Und um die Sache noch komplizierter zu machen: Cesario ist die als Mann verkleidete Viola, was weder Orsino noch Olivia wissen.
Bleibt anzumerken, dass Shakespeare seine leichtfüßige Verwechslungskomödie gut ausgehen lässt: Sie endet in einer Doppelhochzeit. Übrigens: Auch in allen anderen Stücken des englischen Dramatikers spielen Männer die Frauenrollen und Frauen spielen keine Rolle.
Vom Bühnenverbot zur Bühnenpräsenz
Erst nach und nach wandte sich das Blatt: Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts standen auch in Shakespeares Stücken erstmals Frauen auf der Bühne.
Und mit der Aufklärung, der Zeit der Emanzipation von althergebrachten Strukturen, entwickelte sich auch das Theater zunehmend weg vom Hoftheater und hin zum bürgerlichen Schauspiel. Der Weg für Frauen auf der Bühne war geebnet.
Crossdressing: Die Frauen ziehen die Hosen an
Auf Bühnen in England, Frankreich, Italien, Spanien und auf Wanderbühnen in Deutschland traten vermehrt Frauen in sogenannten Hosenrollen auf – meist in Verwechslungs- oder Verkleidungskomödien.
Dass Frauen auf der Bühne die Hosen angezogen haben, hat neben dem Spiel mit dem Geschlechtertausch, der Travestie, aber nicht zuletzt auch stimmliche Gründe. In der Oper und Operette werden seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Hosenrollen oft an Sängerinnen in der Mezzosopran-Stimmlage vergeben.
Prominente Beispiele aus der Opernwelt sind die Klassiker Mozarts „Hochzeit des Figaro“ und „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Bei Mozart ist der Page Cherubino der Geliebte einer Gräfin, die von ihrem Ehemann verschmäht wird.
Strauss und sein Librettist Hugo von Hoffmannsthal spinnen in Anlehnung an Mozart eine ähnliche Verwechslungskomödie. Hier ist der Jüngling Oktavian der jugendliche Liebhaber der Feldmarschallin. Die Rollen werden auch heute noch hauptsächlich von Mezzosopranistinnen gesungen.
Body-switch vor der Kamera und im Musical
Nicht Frauen in Männerrollen, sondern umgekehrt: Die Liste der Filme, die sich dieses Mittels bedienen ist lang. So spielt etwa im österreichischen Film „Charleys Tante“ aus dem Jahr 1963, der auf der gleichnamigen Travestiekomödie des englischen Autors Thomas Brandon beruht, Peter Alexander die Rolle einer Anstandsdame.
Oder Billy Wilders Filmkomödie „Manche mögen’s heiß“ von 1959 mit Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis in den Hauptrollen. Hier schlüpfen die beiden Männer in Frauenkostüme, um vor der Mafia unterzutauchen.
Theater Märchenhaftes Spiel mit Rollenklischees: Die Kinderoper „Hamed und Sherifa” in Kaiserslautern
Kann man alle Frauen in eine Schublade stecken? Und was ist eigentlich typisch Frau und typisch Mann? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auf spielerische Weise die Kinderoper „Hamed und Sherifa“. Der libanesisch-französische Komponist Zad Moultaka hat sie 2015 komponiert, in seiner Musik begegnen sich Einflüsse aus dem Nahen Osten und dem Westen. Das Pfalztheater Kaiserslautern bringt die Kammeroper für Kinder ab acht Jahren nun auf die Bühne.
Drag Queens auf der Bühne
CSD Rhein-Neckar Drags of Monnem: Drag Queens zwischen Bühne und Politik
Glamourös, provokant, anzüglich und auch politisch: Drag hat viele Formen und Gesichter. Drag-Künstlerinnen und Künstler erschaffen mit Hilfe von Make-Up und Kostüm überlebensgroße Kunstfiguren. Nicht nur in der Clubszene gehören Drag Queens zu den sichtbarsten Wortführer*innen für queere Rechte. Mit „Drags of Monnem“ porträtiert nun eine fünfteilige Doku-Reihe die Mannheimer Drag-Szene.
Was geht - was bleibt? Zeitgeist. Debatten. Kultur. Dragqueens erobern die Popkultur: Mehr Mainstream, weniger Hass?
Erst haben sich Dragqueens über ihr Make-Up amüsiert, dann hat die Schauspielerin Melissa McCarthy doch noch weltweit die Fans von sich überzeugt: als Meereshexe Ursula im Kinofilm “Arielle, die Meerjungfrau”. Ihre Figur soll von der Dragqueen-Ikone Divine inspiriert sein. Aber wie so oft bei Disney: Die queeren Rollen sind Bösewichte.
Was immer noch besser sei als gar keine queeren Menschen in der Popkultur zu haben, meint der Soziologe Jeff Manners. Dass die Dragkultur längst auch positiv den Mainstream prägt, betont die Dragqueen Betty BBQ aus Freiburg. Ihr Markenzeichen ist der Schwarzwald-Bollenhut. „Angekommen sind wir definitiv“, sagt sie. Was nicht gleichzusetzen sei mit sozial akzeptiert.
Drag-Kultur im Mainstream bedeutet nicht automatisch weniger Hass und Hetze gegen queere Menschen. Besonders in den USA tobt ein Kulturkampf: Ein Dutzend republikanisch geführter Bundesstaaten wollen Drag-Shows gesetzlich verbieten. Und in München platzt die CSU vor Wut über eine Kinderbuchlesung mit einer Dragqueen. “Populisten haben erkannt, dass man aus queeren Themen politisches Kapital schlagen kann, indem man Minderheiten zu Sündenböcken macht“, sagt Jeff Mannes. Für Betty BBQ eine beängstigende Entwicklung: „Ich habe mich die letzten 20 Jahre nie in einem Kulturkampf gesehen. Auf einen Schlag ist das anders, das belastet mich sehr.“
Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Repression - sie ist nicht neu, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Der Historiker Benno Gammerl zieht mit uns Parallelen zum Deutschland der 1920er Jahre.
Habt ihr auch schon alle Staffeln der Serie „Pose“ über die Ballroom-Szene gesehen, irgendwann mal zu Madonnas „Vogue“ getanzt und sucht noch mehr Inspiration zum Thema? Mailt uns, auch mit Feedback und Themenvorschlägen, an kulturpodcast@swr.de!
Hosts: Kristine Harthauer und Philine Sauvageot
Showrunner: Stephanie Metzger
Benno Gammerls Buch “Queer. Eine deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis heute”: https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/queer/978-3-446-27607-9/
Die fünfteilige SWR-Dokuserie “Drags of Monnem”: https://www.ardmediathek.de/serie/drags-of-monnem/staffel-1/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9zZGIvc3RJZC8xNTMw/1