Die Bundesregierung soll die Pflegeversicherung zukunftsfest machen, statt neue Radwege in Peru zu bauen, meint Martin Rupps.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schlägt Alarm wegen der sehr stark gestiegenen Zahl neuer Pflegebedürftiger im vergangenen Jahr. 50.000 Betroffene hatte die Bundesregierung erwartet, Ende Dezember waren es 360.000. Der Minister spricht von einem „akuten Problem in der Pflegeversicherung“. Mehrere Krankenkassen kündigen höhere Beiträge für die Pflegekasse möglicherweise schon zum Jahreswechsel an.
Ich weiß nicht, ob ich Karl Lauterbach dankbar sein soll für so viel Klartext oder traurig darüber, wie im Gesundheitsministerium – aber nicht nur dort – regiert wird. Offenbar lebt das System der Pflege von der Hand in den Mund. Jedes Mal, wenn ein tiefrotes Loch in die Bilanz gerissen wird, müssen die Beitragszahler ran. Eine kurzsichtige Salamitaktik, weil offenkundig der politische Mut fehlt für einen Systemwechsel oder eine solide Finanzausstattung.
Beiträge könnten zum Januar steigen
Alle Welt weiß, dass die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Boomer, gerade ihr letztes Lebensviertel erreichen. Ich zähle auch dazu. Mir flattern ständig Angebote von Pflegezusatzversicherungen ins Haus für die Lücke zwischen den Kosten, die meine Pflege erzeugen könnte, und den Leistungen der Pflegeversicherung, in die ich jahrelang eingezahlt habe. Eine Lücke wäre es heute – in ein paar Jahren ein Krater.
Sie könnten jetzt einwenden, dass es bei der Rente genauso läuft. Aber der eine Murks, finde ich, rechtfertigt den anderen nicht. Ich wäre froh, eine Bundesregierung würde weniger das Klima retten oder Radwege in Peru bauen und stattdessen unsere Sozialsysteme zukunftsfest machen. Dann muss Karl Lauterbach nicht mehr Alarm schlagen.
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