Folge der Corona-Krise

„Entwicklung auf dem Ausbildungsmarkt ist alarmierend“

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Autor/in
Philipp Reichert
Philipp Reichert
Johannes Schmid-Johannsen
Johannes Schmid-Johannsen
Ulrich Lang
Ulrich Lang
Nico Heiliger
Nico Heiliger
Jakob Bauer

Die Corona-Krise wirkt sich spürbar auf den Ausbildungsmarkt aus, zeigt eine SWR-Datenanalyse. Stark betroffen sind ausgerechnet auch die Berufsgruppen, in denen ohnehin schon Fachkräfte fehlen.

In Rheinland-Pfalz werden seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich weniger Ausbildungsplätze angeboten. Das zeigen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, die SWRdata ausgewertet hat. Demnach meldeten rheinland-pfälzische Betriebe von Oktober 2020 bis Ende April, also nach mehr als der Hälfte des laufenden Bewerbungsjahres, nur rund 21.000 Lehrstellen. Das sind etwa 3.000 weniger als im Vergleichszeitraum 2018/2019, also vor der Pandemie. Damit wird etwa jede siebte Ausbildungsstelle im Land derzeit nicht mehr angeboten. Auch die Zahl der Bewerber ging im gleichen Zeitraum deutlich zurück.

Starke Rückgänge im Tourismus-, Hotel- und Gaststättenbereich

Besonders starke Einbrüche gibt es demnach in der Tourismusbranche und im Hotel- und Gaststättenbereich. Dort wird im Vergleich zu 2019 im Schnitt mehr als jede dritte Ausbildungsstelle nicht mehr angeboten. Aber auch im Gesundheitsbereich und in großen Berufsgruppen des Handwerks, etwa in der Lebensmittelproduktion und in technischen Berufen, wurden hunderte Ausbildungsstellen weniger gemeldet.

Bundesagentur für Arbeit: "Deutliche Wirkung der Corona-Pandemie"

Die Analyse von SWRdata zeigt, dass von dieser Entwicklung nicht nur Rheinland-Pfalz, sondern alle Bundesländer betroffen sind – wenn auch unterschiedlich stark. Die Bundesagentur für Arbeit führt die Rückgänge bei den Ausbildungsstellen und den Bewerbern auf die Corona-Krise zurück. "Wir haben einfach eine deutliche Wirkung der Pandemie gehabt an dieser Stelle", sagt Heidrun Schulz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland.

Gerade im Ausbildungsmarkt habe sich das flächendeckend über alle Bereiche hinweg gezeigt. "Hier hat jegliche Möglichkeit des persönlichen Kennenlernens zum Beispiel über Praktika und persönlichen Austausch gefehlt", so Schulz. Sowohl Unternehmen als auch junge Menschen seien verunsichert, weil die Pandemie Planungen erschwert habe.

"Einbrüche auf dem Ausbildungsmarkt sind außergewöhnlich"

Für Arbeitsmarktexperten wie Professor Stefan Sell von der Hochschule Remagen ist die Entwicklung alarmierend. "Das sind enorm starke Einbrüche, die sind außergewöhnlich hoch." Sell befürchtet deshalb langfristige Folgen, sollten im neuen Ausbildungsjahr im Herbst entsprechend weniger junge Menschen eine Lehre beginnen. "Verluste in dieser Größenordnung konnten nie wieder ausgeglichen werden." Das hätten vergangene Krisen gezeigt. "Wir müssen leider damit rechnen, dass das Niveau an Ausbildungsstellen insgesamt deutlich niedriger bleiben wird als vor der Corona-Krise", so Sell.

Bewerbereinbruch in Berufen mit Fachkräftemangel

Besonders problematisch ist aus Sicht von Arbeitsmarktexperte Sell, dass auch solche Berufsgruppen betroffen sind, in denen Betriebe schon jetzt überdurchschnittlich lange brauchen, um offene Stellen zu besetzen. Das ist ein Indiz dafür, dass in diesen Branchen schon jetzt Fachkräfte fehlen. Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung suchen in Rheinland-Pfalz beispielsweise Betriebe in Gesundheits- und in Mechatronikberufen überdurchschnittlich lange nach Fachkräften. "In diesen Berufen haben wir schon vor Corona zu wenig ausgebildet", so Sell.

Die SWR-Datenanalye zeigt: Ausgerechnet in diesen Berufsgruppen gibt es jetzt auch noch deutliche Einbrüche bei den Bewerberzahlen. Mindestens jeder zehnte Bewerber ist dort im Vergleich zur Zeit vor Corona weggebrochen. Dort fehlen also nicht nur jetzt schon Fachkräfte, es kommen erst einmal auch weniger neue dazu. Für einige dieser Berufsgruppen werden allerdings später einmal weniger Fachkräfte benötigt werden, so Prognosen der Bundesagentur für Arbeit.

Arbeitsmarktexperte Sell sieht die deutlichen Bewerberrückgänge in den Berufen mit Fachkräfteengpässen dennoch höchst kritisch. "In einigen dieser Bereiche wie in den Gesundheitsberufen werden wir in erhebliche Mangelsituationen hineinlaufen", so Sell.