"Elefantenrunde" vor der Landtagswahl

Rheinland-pfälzische Spitzenkandidaten liefern sich muntere Diskussion

Stand
Autor/in
Torsten Nenner

90 Minuten, sieben Politiker, zwei Moderatoren: Bei der sogenannten Elefantenrunde der sieben Spitzenkandidaten geht es wenige Tage vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz munter zu und teils hoch her.

Anders als im Rede-Duell zwischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und ihrem Herausforderer Christian Baldauf (CDU) wird es beim Treffen der sieben Spitzenkandidaten auch mal laut. Nach einer lockeren Fragerunde zum Auftakt dauert es nicht lange, bis in der Alte Lokhalle in Mainz beim Thema Corona die Wogen zum ersten Mal hochkochen.

Baldauf springt Dreyer zur Seite

AfD-Spitzenkandidat Michael Frisch wirft der Landesregierung vor, sie hätte alte und pflegebedürftige Menschen nicht genügend geschützt und verweist auf viele Todesfälle in Altenheimen. Noch bevor Dreyer darauf reagieren kann, grätscht Oppositionsführer Baldauf dazwischen und verweist auf seinen an Corona verstorbenen Vater. Baldauf verbittet sich, Politiker für Todesfälle verantwortlich zu machen. Niemand habe für das Regierungshandeln in der jetzigen Situation eine Blaupause.

Die Runde kommt in der Folge immer wieder auf das Thema Inzidenzwerte und den weiteren Weg aus dem Lockdown zurück: Der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Joachim Streit, sagt, er hätte bestimmte Bereiche nie geschlossen. "Warum darf ich im Pfälzerwald spazieren gehen, nicht aber in einem Tierpark?" Die größten vulnerablen Gruppen seien geimpft. "Schmeißt die alten Regeln über Bord und haltet euch nicht mehr an Inzidenzwerte", fordert er.

Dreyer kündigt Öffnung der Außengastronomie an

In eine ähnliche Richtung äußert sich auch Baldauf. Er fordert, dass jeder, der einen negativen Test vorweisen kann, in sein Fitnessstudio oder in seinen Sportverein gehen, in seinem Chor singen oder die Außen-Gastronomie besuchen dürfen müsse. Auch Frisch will nicht, dass die Inzidenzwerte den Takt bei den Corona-Maßnahmen vorgeben. Denn er befürchtet, dass die Werte in den kommenden Wochen wieder steigen werden. Denn: "Wer testet, der findet."

Ministerpräsidentin Dreyer verweist darauf, dass sie sich in den Bund-Länder-Verhandlungen für die Öffnung der Außengastronomie eingesetzt habe. Dies soll nun am 22. März geschehen. Sie verspricht, sich bei der nächsten Video-Schalte der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine Perspektive der Hotellerie einzusetzen. Denn die Gastronomen und die Hoteliers hätten bereits gezeigt, dass sie auch unter Pandemie-Bedingungen öffnen können.

Live-Blog zum Nachlesen So lief die Spitzenrunde zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz

Kurz vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz haben die Spitzenkandidaten der großen Parteien live im SWR über landespolitische Themen diskutiert. Lesen Sie die wichtigsten Punkte der Diskussion und der nachfolgenden Analyse im Live-Blog.

Die Wahl im SWR - Analyse der Spitzenrunde SWR Fernsehen RP

FDP-Spitzenkandidatin Daniela Schmitt stellt sich klar auf die Seite der Unternehmen. Die Betriebe hätten im vergangenen Jahr bewiesen, dass sie mit klugen Hygienekonzepten nicht der Treiber der Pandemie gewesen seien. Anne Spiegel (Grüne) kritisiert, auf Bundesebene habe "man den ersten Schritt vor dem zweiten getan". Man brauche eine Teststrategie wie in Rheinland-Pfalz auf Bundesebene. Die Spitzenkandidatin der Linken, Melanie Wery-Sims, fordert, dass nun "schnell geimpft werden" müsse.

Dreyer attackiert Frisch

Bei der Fülle der Themen war es für die Moderatoren Daniela Schick und Sascha Becker nicht immer leicht, die Diskussion in Bahnen zu lenken. Ob kommunale Finanzen, Lobbyregister, CDU-Maskenaffäre oder die umstrittene Beförderungspraxis in grünen Ministerien: Alle aus der Runde diskutierten engagiert und versuchten, ihren Punkt anzubringen.

Als AfD-Kandidat Frisch sich zu einem Mitarbeiter mit Neonazi-Vergangenheit in seiner Fraktion äußern sollte, ging Ministerpräsidentin Dreyer in den Angriff: "Sie repräsentieren eine Partei, die in weiten Teilen rechtsextremistisch ist. Und Sie tun immer so, als hätten sie nichts damit zu tun.“ Was die AfD sage, sei rassistisch, diskriminierend und ausgrenzend. Das sei unerträglich.

Mittelrheinbrücke: Nur die Linke dagegen

Weitgehende Einigkeit herrschte beim Thema Mittelrheinbrücke. 6:1 lautete das Ergebnis der Schnellfragerunde, ob die Brücke kommen soll. Anne Spiegel (Grüne) betont, im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, dass es eine welterbe-verträgliche, kommunale Mittelrheinbrücke geben müsse. Dazu stehe ihre Partei weiterhin. "Alle brauchen die Brücke und die Region möchte auch die Brücke", sagte FDP-Spitzenkandidatin Schmitt.

Ihre Partei wolle die Mittelrheinbrücke schon immer, erklärt Ministerpräsidentin Dreyer. Und ihr Konkurrent Baldauf sagt klipp und klar: "Die Brücke muss her". Michael Frisch verweist darauf, dass es den Bürgern egal sei, wer die Brücke bezahle. Sie müsse kommen. Lediglich Wery-Sims von der Linken sagt, dass es mit ihrer Partei "eher keine Brücke" geben werde.  

Bildung: Welten zwischen AfD und Linke

Durch die teils hitzig-geführte Diskussion bleibt am Ende der Runde nicht mehr viel Zeit für die Themen Klimaschutz und Bildung. Beim Thema Ausstattung der Schulen wirft Baldauf der Landesregierung Versäumnisse in der Vergangenheit vor. Die Schulen seien beispielsweise immer noch nicht flächendeckend mit WLAN ausgestattet, es gebe keine stabil funktionierende Lernplattform. Die Grünen fordern in puncto Digitalisierung, dass es künftig eine IT-Kraft an jeder Schule geben soll, um die Aufgabe nicht an die Lehrkräfte zu übergeben.

Zwischen AfD und Linken liegen auch beim Thema Schulen Welten. Während die AfD ein dreigliedriges System mit einer Handwerks- und Gewerbeschule möchte, spricht sich Wery-Sims für eine Einheitsschule aus. FDP-Spitzenkandidatin Schmitt bezeichnet die Bildung als den "Schlüssel für jeden Weg in die Zukunft". Dabei sollte allen klar sein, dass die akademische Ausbildung nicht über der beruflichen stehe: "Ein Meister muss so viel wert sein wie ein Master."

Klare Gewinner oder Verlierer in der Runde lassen sich an diesem Abend nicht ausmachen. Nicht nur die bereits im Parlament vertretenen Parteien können ihre Position vorbringen, auch die Freien Wähler um Landrat Streit und die Linke-Spitzenkandidatin Wery-Sims wissen Akzente und sich in Szene zu setzen.

Moderator Becker ist bei der lebhaften 90-minütigen Diskussion "warm geworden". Sein treffendes Schlusswort: "Da war Pfeffer drin."

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Torsten Nenner