Weltberühmt wurde Pforzheim durch seine Schmuckindustrie. Mittlerweile ist die Stadt aber vor allem für ihre hohe Arbeitslosigkeit und die leeren Kassen bekannt. Das sind nur zwei Aufgaben des künftigen Gemeinderats.
Der Name ist geblieben: Goldstadt. Er erinnert an eine Zeit, in der Pforzheim weltbekannt war für seine Schmuck- und Uhrenindustrie. Markgraf Karl Friedrich von Baden begründete die Industrie hier im 18. Jahrhundert. Auch heute noch kommt rund 75 Prozent des deutschen Schmucks aus Pforzheim.
Höchste Arbeitslosenquote im Land
Allerdings sind es für die Menschen in Pforzheim keine goldenen Zeiten mehr. Arbeitslosigkeit, hohe Schulden und marode Institutionen sind die großen Aufgaben der Kommunalpolitik. Die Arbeitslosenquote beispielsweise ist in Pforzheim landesweit am höchsten, auch wenn sich die Arbeitsmarktsituation in den letzten Jahren stark verbessert hat. Die Bevölkerungspyramide zeigt: Die meisten Pforzheimer sind zwischen 40 und 65 Jahre alt, typisch für Deutschland.
Strikter Sparplan trotz personellem Neuanfang
Vor zwei Jahren entschieden sich die Pforzheimer für einen Neuanfang: Oberbürgermeister Gerd Hager (SPD) wurde im ersten Wahlgang abgewählt. Sein Nachfolger ist der 39-jährige Christdemokrat Peter Boch. Aber auch er muss sich an den strengen Sparkurs halten.
Neue Kredite sind nur in begrenztem Rahmen erlaubt, soziale und kulturelle Zuschüsse werden gestrichen, eine Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt wurde abgelehnt, und der Doppelhaushalt 2019/2020 brauchte drei Anläufe, bis ihn der Gemeinderat verabschiedet hat. Aber wie kam es soweit?
Der industrielle Strukturwandel
Asiatische Importe haben der Pforzheimer Schmuckindustrie schwer zu schaffen gemacht. Überlebt haben nur wenige Schmuckspezialisten in Pforzheim. Neben der Schmuckindustrie gibt es keine andere große Industrie, die das Wirtschaftsleben hier bestimmt. Allerdings hat sich Pforzheim zu einer Hochburg der Präzisions- und Medizintechnik gemausert. Es gibt sehr erfolgreiche und wachsende Unternehmen, die viele hundert Arbeitsplätze geschaffen haben. Neue Großunternehmen haben es allerdings schwer: Pforzheim hat nur wenige Flächen, um diesen Unternehmen einen Standort anzubieten.
Gelungen ist das allerdings bei Amazon. Das Unternehmen betreibt seit 2012 ein großes Logistikzentrum in Pforzheim und hat viele Arbeitsplätze geschaffen, auch für An- oder Ungelernte.
Hohe Sozialkosten
Obwohl die Arbeitslosigkeit so hoch ist, gibt es viele freie Stellen. Allerdings sind die meisten Menschen, die Arbeit suchen, nicht qualifiziert genug. Auch deshalb hat Pforzheim ungewöhnlich hohe Sozialkosten. Demgegenüber stehen wenige (Steuer-)Einnahmen.
Vor allem in der Kernstadt gibt es beispielsweise viele billige, sanierungsbedürftige Mietwohnungen. Hier wohnen häufig Menschen, die auf finanzielle Unterstützung der Stadt angewiesen sind. Wer es sich leisten kann, zieht in den Enzkreis und zahlt dort seine Steuern. Und: Der Anteil der Menschen ohne deutschen Pass in Pforzheim ist recht hoch, mit knapp 26 Prozent. Über 50 Prozent der Pforzheimer haben Migrationshintergrund.
Viele Schulden dank hochriskanter Aktiengeschäfte
Zwischen 2006 und 2008 investierte die Kämmerin der Stadt Pforzheim in hochriskante Derivatgeschäfte, die damalige Oberbürgermeisterin billigte das. Doch dann kam die Finanzkrise, und am Ende waren 57 Millionen Euro weg. Nach jahrelangen Verhandlungen mit den beteiligten Banken standen am Ende noch 12 Millionen Euro Verluste, die die Stadt nun schultern muss.
Großer Sanierungsbedarf in Schulen und Bädern
Trotz aller Sparmaßnahmen gibt es Projekte, in die die Stadt jetzt investieren muss, weil jahrelang nichts gemacht wurde. Der Kita-Ausbau wird vorangetrieben, die Schwimmbäder sind zum Teil marode und sanierungsbedürftig, und auch viele Schulen müssen dringend renoviert werden. Der Gemeinderat ist zersplittert, die Mehrheiten wechseln ständig, und es gibt kaum feste Koalitionen, das macht die Umsetzung vieler Projekte kompliziert und aufwändig.
Pforzheim als AfD-Hochburg?
Wohl auch wegen der sozial schwierigen Situation in Pforzheim hat die AfD hier großen Erfolg. Bei der Bundestagswahl war sie sogar zusammen mit der SPD zweitstärkste Kraft. Dieses Mal hat die SPD aber ein prominentes Zugpferd: Uwe Hück. Der ehemalige Porsche-Betriebsratschef kandidiert nach einigem Hin und Her nun für die SPD.
Trotz aller Probleme: es ist Besserung in Sicht. Der Leerstand in der Innenstadt ist zurückgegangen, der Sparkurs ist nicht mehr ganz so streng wie in den vergangenen Jahren, die Arbeitslosenquote sinkt stärker als in vielen anderen Städten und das Großprojekt "Innenstadt-Ost" wird kommen. Dafür haben kürzlich die ersten Arbeiten angefangen.
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