Das Jahr 2022 war ein Überraschungsjahr. Vieles kam ganz anders als gedacht und wäre noch 2021 undenkbar gewesen, meint Kirsten Tromnau.
Sie kennen das Gefühl bestimmt, wenn etwas passiert, das Sie vorher für ausgeschlossen hielten. So ging es mir in diesem Jahr mehrfach. An seinem Beginn dachte ich, dass es ein weiteres Corona-Jahr wird. Politiker in Bund und Ländern waren noch im Januar damit beschäftigt, sich mit Corona-Maßnahmen zu übertrumpfen. Und dann überraschte uns wohl alle im Februar der russische Angriff auf die Ukraine. Fast von jetzt auf gleich war Corona aus dem Sinn und der Blick auf die Folgen des Krieges gerichtet. Energiesparen, Energiekrise, Energiepauschale… Kaum ein Politiker wollte noch Sätze ohne das Wort „Energie“ bilden. Und so begann das undenkbare Jahr 2022:
Was ich vor 2022 für undenkbar hielt, waren: Verlängerung der Laufzeiten einiger Atomkraftwerke; verzweifelte Politiker-Vorschläge wie den Waschlappen zu nehmen, statt zu duschen; Bahnfahren für 9 Euro und 19 Grad in Büros.
Was ich vor 2022 für unglaubwürdig hielt: Die Tatsache, dass wir immer noch so abhängig von Gas und Öl sind. Gefühlt redeten doch jahrelang Politiker bei fast jeder Gelegenheit über erneuerbare Energien. Wie sich nun herausgestellt hat, wurde leider nur viel darüber geredet, wenig umgesetzt. So wurde der ein oder andere von uns kreativ: Einer der beliebtesten Do-It-Yourself-VHS-Kurse 2022 wurde die Installation einer Solaranlage auf dem Balkon.
Was ich vor 2022 für unvorstellbar hielt: Der Rücktritt des rheinland-pfälzischen Innenministers Roger Lewentz (SPD)! Hatte er doch bisher so viele Fehler und Pannen (unter anderem den Verkauf des Hunsrück Flughafen Hahns) unbeschadet überstanden. Die Hochwasser-Katastrophe im Ahrtal und sein Fehlverhalten versuchte er ebenfalls lange auszusitzen. Diesmal funktionierte es nicht mehr.
Was ich vor 2022 für unmöglich hielt: Ein Sommer, ohne zu grillen. Zugegeben, es war ein wunderschöner Sommer, viel Sonne, fast kein Regen. Doch die Trockenheit und Dürre wurden zum Problem. Die Bilder vom Rhein als kleinem Wasserrinnsal werden uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben. In manchen Gemeinden wurde wegen der hohen Brandgefahr sogar ein Grillverbot erlassen.
Was ich 2022 für undenkbar hielt: Dass wir uns so flott wieder von den Corona-Maßnahmen verabschieden können, wie sie eingeführt wurden - einschließlich des gut eingeübten Maskentragens. Hatte ich doch gedacht, dass wir das Maskentragen und so manche hygienische Maßnahme doch etwas länger beibehalten würden.
Und zu guter Letzt, was ich vor 2022 für absolut undenkbar hielt: Eine Fußball WM im Winter. So ganz ohne WM-Feeling. Kein Biergarten-Public-Viewing. Keine WM-Stimmung. Und noch undenkbarer war das blamable Abschneiden unserer Jungs!
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