In der Pfalz wird seit Monaten eine hitzige Debatte geführt, ob der Titel der Pfälzer Weinkönigin modernisiert werden sollte. Tradition versus Moderne - was denken die Menschen vor Ort darüber?
Die zentrale Frage ist, ob auch Männer diesen Titel tragen dürfen und ob "Weinkönigin" noch zeitgemäß ist. Der gefundene Kompromiss: Während der Begriff Weinkönigin bestehen bleibt, kann es nun auch eine männliche "Weinhoheit" geben, die statt einer Krone nur eine Stecknadel erhält.
Aber warum hängen die Pfälzer so sehr an dieser Tradition? Für viele geht es um mehr als nur um einen Titel - es ist ein Symbol für die jahrhundertealte Kultur und Identität der Region. Die Weinkönigin steht nicht nur für den Weinbau, sondern repräsentiert die gesamte Region. In SWR Aktuell 360 Grad reden wir mit einer ehemaligen Weinprinzessin, mit einem Weinprinzen und mit euch!
Prinzessin als Repräsentantin
Die ehemalige Weinprinzessin Kathrin Mehling erklärt in SWR Aktuell 360 Grad, dass der Titel nicht nur eine kulturelle Ehre ist, sondern auch eine zentrale Rolle für das Marketing der Region spielt.
Dabei stellt sie klar, dass es bei diesem Amt um mehr als nur um festliche Auftritte mit einer Krone auf dem Kopf geht. Eine Weinkönigin oder -prinzessin muss Fachwissen besitzen und wird auch international als Repräsentantin der Region wahrgenommen. "Früher wurden Weinköniginnen manchmal mit anderen Produktköniginnen wie der Spreewaldgurken-Prinzessin verglichen," so Kathrin, "doch in der Pfalz geht es um weit mehr. Die Weinkönigin soll die Region kompetent und professionell vertreten."
Kathrin begrüßt die Entscheidung, auch Männern den Zugang zu diesem Amt zu ermöglichen und den Titel in diesen Fällen in "Weinhoheit" zu ändern. Sie sieht es als wichtigen Schritt, um das Amt an die moderne Zeit anzupassen. Besonders wichtig sei, dass das Amt nicht auf eine "märchenhafte" Inszenierung reduziert werde. "Am Ende ist es ein Job, und es geht darum, gute Werbung für die Region zu machen – auch ohne Krönchen," betont sie.
Sie habe oft den Eindruck gehabt, mit Krone und Kleid nicht ernst genommen zu werden, als Markenbotschafterin für Wein und die Region. Und sie habe auch sexuelle Übergriffe in Form von Betatschen erlebt. Das sei nicht immer angenehm gewesen.
Weinprinz mit Krone – ein männlicher Perspektivwechsel
Rani Kurajouli wurde gerade erst zum Weinprinzen von Bad Dürkheim gekrönt. Er sieht die Anpassung der Tradition als Schritt in die richtige Richtung: "Die Gesellschaft verändert sich, und das muss auch für die Weinköniginnen- und Prinzentitel gelten." Für ihn ist es wichtig, dass das Amt moderne Werte widerspiegelt und mehr Menschen einbindet. Dennoch, so sagt er, dürfe der märchenhafte Aspekt des Amtes gerne erhalten bleiben: "Nur weil Männer jetzt auch dabei sind, verschwindet das Märchenhafte nicht."
Rani berichtet auch von negativen Reaktionen, die er nach seiner Wahl erlebt hat. Einige Kommentatoren hätten ihn aufgrund seines Titels beleidigt, andere hätten unangemessene Bemerkungen über seinen Körper gemacht. Solche Erfahrungen zeigen, dass der Weg zu einer geschlechtergerechten Repräsentation auch in der Weinwelt noch Herausforderungen mit sich bringt.
Tradition und Moderne – ein schwieriger Balanceakt
Die Diskussion um die Weinkönigin und die neuen "Weinbotschafter" spiegelt eine größere gesellschaftliche Debatte wider: Wie viel Raum sollte Tradition in einer modernen Gesellschaft haben? Für viele Pfälzer ist die Weinkönigin ein Symbol der Beständigkeit und der regionalen Identität. Die Idee, diesen Titel zu verändern, stößt daher auf Widerstand. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass auch dieser Teil der regionalen Kultur sich den modernen Gegebenheiten anpassen muss.
Marketing-Profi sieht wenig Zusammenhang zum Weinverkauf
Stefan Roth, Professor für Marketing an der RPTU Kaiserslautern sieht den Pfälzer Wein als starke Marke. Dem Marketinginstrument "Weinkönigin", das in der Pfalz vor 93 Jahren eingeführt wurde, spricht er eine untergeordnete Rolle zu.
360 Grad-Host Marvin Neumann hat sich auf dem Dürkheimer Wurstmarkt unter die Besucherinnen und Besucher gemischt, um Meinungen zu sammeln.
"Es wurde höchste Zeit!"
Vicky und Esra, zwei junge Besucherinnen, zeigen sich begeistert: "Wir finden's mega", sagt Vicky. Für sie bringt der erste Weinprinz frischen Wind in die Tradition. Esra ergänzt, dass es endlich an der Zeit war, das Amt zu modernisieren: "Ich glaube, das motiviert andere Männer, sich zu bewerben. Die Tradition wird modernisiert, und das war längst überfällig." Beide sehen in der Ernennung von Rani, dem ersten Weinprinzen, einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichberechtigung und eine Chance, das Image der Region zu erneuern.
"Ob Weinkönigin, Weinprinz oder Weinprinzessin, das tut nichts zur Sache. Wichtig ist nur, dass die Region gut repräsentiert wird", sagt Wurstmarkt-Besucher Jonas. Auch Martina, die auf Facebook einige kritische Kommentare über Rani gelesen hat, zeigt sich offen: "Manche Männer haben ein Problem damit, dass es jetzt keine Frau mehr ist. Aber ich finde, Rani verdient eine Chance."
Gegenwind von Traditionsbewahrern
Doch es gibt auch deutliche Stimmen gegen die Veränderung. Kurt und Philipp, zwei ältere Herren auf dem Wurstmarkt, sprechen sich für den Erhalt der Weinkönigin als festen Bestandteil der Kultur aus. "Eine Weinkönigin ist eine Weinkönigin", meint Kurt. Für Philipp ist das Amt der Weinkönigin Teil der Tradition: "Das gibt es schon ewig, und das soll so bleiben."
In diese Richtung wurden auch Kommentare unter den Social-Media-Posts zu Ranis Inthronisierung gepostet. Für einige ist der erste Weinprinz ein Zeichen der Modernisierung, für andere eine Gefahr der Tradition.
Tradition gibt Halt, aber darf sich wandeln
Kathrin und Rani zeigen beide, dass der Spagat zwischen Tradition und Moderne möglich ist. Die Weinkönigin bleibt, aber das Amt öffnet sich für Männer. Die Krone verliert vielleicht etwas an Bedeutung, aber die Aufgabe bleibt dieselbe: Die Pfalz, ihren Wein und ihre Kultur in der Welt zu vertreten. Diese Tradition wird noch lange bleiben, egal ob mit Krone oder Stecknadel.
Kette statt Krone Der neue rheinhessische Weinkönig - "Ich bin Feuer und Flamme"
Levin McKenzie aus Wackernheim vertritt jetzt ein Jahr lang als erste männliche Weinmajestät Rheinhessen. Zum Wein kam er eher zufällig. Und manchmal darf es auch ein Bier sein.