Die Felgen verbogen, der Sattel fehlt: In vielen Städten in Rheinland-Pfalz blockieren verlassene, schrottreife Räder die knappen Abstellplätze. Sie zu beseitigen ist gar nicht so leicht.
Wer beim Anblick verstaubter, verrosteter und ausgeschlachteter Drahtesel am liebsten zu Flex oder Bolzenschneider greifen will, um das Teil zu entsorgen, sei gewarnt: Das ist Diebstahl! Denn auch ein Schrottrad ist zunächst einmal fremdes Eigentum.
Die Stadt Koblenz greift deshalb zu anderen Mitteln: Sie markiert offensichlich besitzerlose oder schwer beschädigte Räder mit einer orangen Banderole. Im Text wird die Besitzerin/der Besitzer aufgefordert, das Fahrrad bis zu einem bestimmten Datum zu entfernen. In der Regel seien das vier Wochen, sagt Thomas Knaak, Pressesprecher der Stadt. "Steht das Rad nach vier Wochen immer noch da, wird geräumt", so Knaak. Dann rücken Mitarbeiter des Kommunalen Servicebetriebs mit Bolzenschneider und Flex an.
Schrotträder nerven Fußgänger und Radfahrer
Die Schrotträder blockieren zahlreiche Fahrradständer in der Stadt, wie Bilder eines regelrechten "Schrott-Turms" vom Kapuzinerplatz in Koblenz zeigen. Neben Fußgängern, die über die "Radleichen" auf den Bürgersteigen stolpern, ärgern sich auch viele Radfahrerinnen und Radfahrer, weil ihnen Platz zum Anketten ihrer Bikes fehlt.
Verschrotten, reparieren oder versteigern
Auch andere Städte kleben Zettel oder Banderolen an die Räder und setzen eine Frist. Damit entgehen sie möglichen Schadenersatzansprüchen, falls sich die Besitzerin oder der Besitzer doch noch an sein Rad erinnert. Handelt es sich um noch fahrbereite Räder, landen diese ohnehin nicht im Schrott-Container. Die Stadt Hamburg etwa setzt von ca. 5.000 eingesammelten Rädern bis zu 1.500 wieder instand und verkauft sie über eigene Secondhand-Läden.
In Koblenz und Trier werden gut erhaltene Räder im Fundbüro gelagert. 30 bis 40 Stück seien das in Koblenz im Jahr, erklärt Stadtsprecher Knaak, die dann bei zwei Versteigerungen unter den Hammer kommen.
Zwei bis drei Sammlungen in Mainz
In der Landeshauptstadt Mainz werden zwei bis drei mal im Jahr etwa 20 bis 25 ungenutzte oder beschädigte Räder eingesammelt, wie Pressesprecher Ralf Peterhanwahr auf Anfrage mitteilt - die meisten von ihnen rund um den Hauptbahnhof. Die Räder werden zunächst drei Monate eingelagert.
"Sollte ein ehemaliger Besitzer dann doch noch Ansprüche geltend machen und dies glaubhaft belegen können - etwa durch Fotos oder einen Kaufbeleg - wird das Rad selbstverständlich rückübereignet", so Peterhanwahr. Dies komme aber überaus selten vor. Das bestätigt auch der Trierer Stadtsprecher Michael Schmitz. 2021 seien 60 Schrotträder entsorgt worden, im vergangenen Jahr waren es 32, ohne das sich die Eigentümer gemeldet hätten.
Verglichen mit der für ihre Fahrradfreundlichkeit berühmten Stadt Münster sind das nur Peanuts. Hier werden wie in Hamburg oder Köln jährlich zwischen 4.000 und 5.000 Räder von den Behörden eingesammelt. In München blockieren die "Radleichen" nach Berechnungen der Stadt etwa 15 Prozent der öffentlichen Abstellflächen.
Hochschule Mainz hat Handlungsanleitung entwickelt
Inzwischen gibt es eine Handlungsanleitung für den Umgang mit zurückgelassenen oder schrottreifen Fahrrädern. Sie wurde gemeinsam mit den Städten Mainz, Münster, München, Rostock und Erlangen sowie dem Deutschen Städtetag und der Deutschen Bahn von Professor Rainer Hess von der Fachhochschule Mainz entwickelt. Das Papier empfiehlt folgende Kategorien:
- Rad OK: Das Fahrrad verbleibt weiter am Ort
- Aufgegebenes Rad/Fundfahrrad: Rad wird mit Banderole markiert und Eigentümer eine Frist von zwei bis sechs Wochen gesetzt. Meldet sich niemand, kann das Rad z.B. versteigert oder als Spende weitergegeben werden.
- Fahrradwrack: Kann entfernt und verschrottet werden.
- Gefährdung durch abgestelltes Rad: Sind etwa Rettungswege zugestellt, kann das Rad unverzüglich ohne Markierung und Fristsetzung entfernt werden.
Tipps gelten auch für Vermieter
Das Team um Professor Hess empfiehlt, die vorgenommenen Handlungen mit Fotos zu dokumentieren, zerstörte Schlösser und Ketten beizulegen und brauchbare Fahrräder für mindestens zwei Monate zu lagern. Wegen rechtlicher Unsicherheiten würden viele Städte aufgegebene Räder erst nach langen Standzeiten entfernen. "Die Praxiserfahrungen zeigen jedoch, dass bisweilen kaum Probleme, wie etwa Rechtsstreitigkeiten mit dem Eigentümer auftreten", heißt es in der Handlungsempfehlung.
Die Empfehlung gilt übrigens auch für Vermieter und Hauseigentümer, in deren Fluren, Einfahrten und Höfen zurückgelassene oder zerstörte Fahrräder verstauben.
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