Die Tage sind kurz, der Himmel ist oft grau und wolkenverhangen. Der Winter ist durch die Erkältungen nicht nur anstrengend für unser Immunsystem, er belastet auch unsere Psyche.
Was ist der Winterblues?
Ständig müde, keine Lust auf Sport und Freunde treffen, dafür ein gesteigerter Appetit, oft verbunden mit Heißhunger auf Süßigkeiten? Das könnten Anzeichen für eine jahreszeitlich bedingte depressive Verstimmung sein - oft als "Winterblues" bezeichnet. Ursache ist das "Schlafhormon" Melatonin. Werden die Tage kürzer und dunkler, wird es vermehrt im Körper produziert. "Im Winter kann das Hormon wegen der fehlenden Helligkeit auch tagsüber ausgeschüttet werden. Folglich tritt das Erleben von Schlappheit und Antriebslosigkeit auch tagsüber auf", sagt der Mainzer Psychotherapeut Ulrich Bestle.
Gleichzeitig wird das "Glückshormon" Serotonin weniger gebildet. Eine Kombination, die sich in der Stimmung niederschlagen kann. Zu den gängigsten Antidepressiva gehören daher sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, die dafür sorgen, dass das Serotonin länger im Körper bleibt und weniger Melatonin produziert wird.
Was ist der Unterschied zur Winterdepression?
"Sorgen, Traurigkeit und auch gedrückte Stimmungslagen gehören zum Leben dazu und sind auch im Winter nicht krankhaft", erläutert Bestle. In gewissem Maß ist der "Winterblues" also nichts, worüber man sich Sorgen machen muss. Treten aber Symptome wie Antriebs-, Lust- und Energielosigkeit, Konzentrationsprobleme, Appetit- oder Schlafstörungen über mehrere Wochen auf, seien dies Anzeichen für eine Depression, so Bestle. Und wenn diese Symptome nur im Winter auftreten und im Frühling und Sommer verschwinden, spreche man von einer Winterdepression.
Hier rät Bestle dazu, sich professionelle Hilfe zu holen, damit die Depression sich nicht verfestigt. Neben der medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva gibt es zahlreiche weitere Therapieansätze.
Das hilft gegen den "Winterblues"
Um dem jahreszeitlichen Stimmungstief etwas entgegenzusetzen, rät der Psychotherapeut, wann immer möglich einen Spaziergang oder auch Sport im Tageslicht zu machen. Das sei gerade für Berufstätige nicht immer leicht, in den Alltag einzubauen, aber: "Auch an bewölkten Tagen reicht das Licht aus, um den Körper zu aktivieren. Zudem hat man Bewegung und strukturiert den Tag, was ebenso stimmungsstabilisierend wirkt."
Auch Auszeiten vom Alltag wie etwa Sauna-Besuche oder andere Freizeitbeschäftigungen könnten die Stimmung heben, rät der Mainzer Psychotherapeut. Laut Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen kann bei leichten bis mittelschweren Depressionen auch Johanniskraut wirken - das als natürlicher Stimmungsaufheller gilt. Um eine antidepressive Wirkung zu entfalten, müssen Johanniskraut-Präparate allerdings 600 bis 900 Milligramm Pflanzenextrakt enthalten. Doch Vorsicht: Auch Johanniskraut hat Nebenwirkungen. So verringert es die Wirkung von Blutgerinnungsmitteln und steht im Verdacht, die Wirkung der Antibabypille abzuschwächen.
Was beim "Winterblues" die Stimmung aufhelle, wirke bei einer Depression aber nicht, so Bestle. "Eine vorhandene Depression wird allein durch einen Spaziergang nicht geheilt." Hier seien verschiedene Strategien wichtig. "Also zu erkennen und zu verstehen wie die Depression entstanden ist, die Reflexion von Denk- und Verhaltensmustern und im nächsten Schritt deren Veränderung." Kurzum: Hier ist eine Psychotherapie angeraten.
Was taugt die sogenannte Licht-Therapie?
"Die Licht-Therapie hat durchaus positive Effekte bei einer Winterdepression", meint Bestle. Dies hätten verschiedene Studien belegt. Dabei werden die Patienten für einen bestimmten Zeitraum vor Lampen mit einer Stärke von 2.500 bis 10.000 Lux gesetzt. Damit wird quasi künstliches Sonnenlicht erzeugt, was zum Beispiel die Bildung von Vitamin D im Körper anregt.
Ob eine Licht-Therapie sinnvoll sei, sollte vorher durch Fachleute abgeklärt werden, rät Bestle. Die sogenannten Tageslicht-Lampen kosten zwischen 30 und 150 Euro. Wer sich damit am Feierabend etwas Sonne ins Haus holen will, schadet sicher nicht seiner Gesundheit. "Aber auch hier muss ich wieder betonen, dass Depressionen, die meistens verschiedene Faktoren haben, nur dadurch nicht besser werden", mahnt der Diplom-Psychologe.
Hilft es, ins Solarium zu gehen?
Künstliches Sonnenlicht gibt es auch im Solarium. Hier ist die Meinung des Therapeuten Bestle aber eindeutig: "Aufgrund verschiedener negativer Begleiteffekte würde ich einen Gang zum Solarium nicht empfehlen." Gemeint ist damit zum Beispiel die höhere Gefahr, bei regelmäßigen Solariumsbesuchen an Hautkrebs zu erkranken.