CDU-Chef Friedrich Merz kritisiert, das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz sei eher ein Hindernis als dienlich. Andere sehen dort "jede Menge Expertise". Der SWR bekam einen exklusiven Einblick in das Amt.
Bislang hatte sich das Beschaffungsamt in Koblenz meist abgeschottet, ging nur äußerst zurückhaltend an die Öffentlichkeit. Für den Südwestrundfunk öffneten sich jetzt die Türen.
Es ist ein imposantes Gebäude, das ehemalige Preußische Regierungspräsidium am Koblenzer Rheinufer. Hinter den Mauern bewegen rund 5.500 Beschäftigte des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr deutlich mehr Geld, als der rheinland-pfälzische Landeshaushalt umfasst.
Dank Sondervermögen: Mehr Geld für das Beschaffungsamt
Das liegt nicht zuletzt an den zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 27. Februar 2022 in seiner Rede im Bundestag angekündigt hatte, drei Tage nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Der 24. Februar 2022, so Scholz damals, markiere eine Zeitenwende in der Geschichte Europas. Der Plan des Kanzlers und seiner Regierung war und ist es, die Bundeswehr mit dem sogenannten Sondervermögen fit für die Zukunft zu machen.
Neue Chefin Lehnigk-Emden seit April im Amt
Die "Zeitenwende" macht sich bemerkbar. Im Gespräch mit dem SWR sagt die neue Präsidentin des Amtes, Annette Lehnigk-Emden: "Früher hatten wir wenig Geld und viel Zeit, jetzt ist es umgekehrt. Ende des Jahres haben wir zwei Drittel des 100 Milliarden Sondervermögens schon in Bestellungen umgewandelt."
Kritiker sehen das Beschaffungsamt mit Hauptsitz in Koblenz als Bremsklotz. Die Abläufe dort beispielsweise für das Beschaffen neuer Waffen und Ausrüstung seien ineffektiv und dauerten zu lange, so der Vorwurf. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dessen Ministerium das Beschaffungsamt unterstellt ist, reagierte unter anderem mit einer Umbesetzung des Chefpostens in Koblenz. Seit Ende April hat Lehnigk-Emden dort das Sagen.
Über eine Reform sind sich alle einig
Kritik am Beschaffungsamt kommt etwa von CDU-Chef Friedrich Merz. Das Koblenzer Amt sei "eher Hindernis als dienlich". Das sieht sein Fraktionskollege Marlon Bröhr, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages aus Kastellaun im Hunsrück, ganz anders: In Koblenz sei jede Menge Expertise versammelt.
Von einem ständigen Reformprozess spricht Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Hitschler (SPD), direkt gewählter Bundestagsabgeordneter aus der Südpfalz. Über eine Reform sind sich eigentlich alle einig: das Koblenzer Beschaffungsamt soll nur noch Rüstungsprojekte managen.
Aufgaben des Beschaffungsamtes: Verhandeln, Testen, Bewerten
Die Expertinnen und Experten im Beschaffungsamt sind unter anderem dafür zuständig, Verhandlungen mit der Wehrindustrie zu führen und einzuschätzen, welche Kosten angemessen sind. Außerdem kalkulieren sie die Folgekosten nach der Anschaffung.
Politik soll handeln Bessere Rahmenbedingungen für das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Koblenz gefordert
Das Beschaffungsamt der Bundeswehr hat einen schlechten Ruf. Nach Angaben der Personalvertretungen liegt das aber nicht an der scheidenden Präsidentin, Gabriele Korb.
Alle Ausrüstungsgegenstände und Materialien, mit denen die Soldatinnen und Soldaten zu tun haben - beispielsweise Aufklärungsdrohnen, Panzer oder auch Zeltbahnen - müssen getestet werden. Hierfür ist die Wehrtechnische Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme, Pionier-und Truppentechnik in Trier verantwortlich. Die Einrichtung ist an das Koblenzer Bundesamt angegliedert.
In Trier werden Fahrzeuge im Überschlag- und Rettungssimulator auf ihre Sicherheit geprüft, um sicherzustellen, dass die Insassen im Falle eines Unfalls gerettet werden können. Außerdem wird zum Beispiel die Effektivität des neuen Leopard Kampfpanzers und seiner zusätzlichen Schutzeinrichtungen erprobt.
Das Beschaffungsamt als großer regionaler Arbeitgeber
Das Koblenzer Beschaffungsamt ist übrigens einer der größten Arbeitgeber in der Region: An den Standorten Koblenz und Lahnstein arbeiten insgesamt 5.500 Menschen. In der Trierer Außenstelle für Wehrtechnik sind es gut 450 Personen. Im Jahr 2021 umfassten die abgeschlossenen Verträge ein Finanzvolumen von rund 17,6 Milliarden Euro.