Demonstrationen für türkischen Oppositionspolitiker

Wieder Proteste in RLP gegen Inhaftierung von İmamoğlu in der Türkei

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Nicht nur in der Türkei gehen Anhänger des inhaftierten und inzwischen abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters auf die Straße - auch in Rheinland-Pfalz gibt es Protest.

Etwa 200 Menschen zeigten am Sonntagnachmittag vor dem Mainzer Staatstheater ihre Solidarität mit dem Oppositionspolitiker. Sie forderten die Freilassung des Istanbuler Bürgermeisters sowie Meinungsfreiheit und Demokratie in der Türkei. Schon in den vergangenen Tagen hatten in Mainz und Koblenz Demonstrationen für den Inhaftierten stattgefunden.

Festnahme vor eineinhalb Wochen

Rund anderthalb Wochen ist es her, dass der bekannte türkische Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu in Haft genommen wurde. Offiziell begründet wurde dies mit Korruptionsvorwürfen.

Großkundgebung für İmamoğlu "Heute schreiben Sie hier Geschichte"

Hunderttausende versammelten sich in Istanbul, um für İmamoğlu und gegen die Politik des türkischen Präsidenten Erdoğan zu protestieren. Obwohl er im Hochsicherheitsgefängnis sitz…

Die Anhänger des inzwischen abgesetzten Bürgermeisters von Istanbul gehen allerdings davon aus, dass dies nur ein Vorwand ist, um einen politischen Gegner kaltzustellen. Denn İmamoğlu ist Präsidentschaftskandidat der linksnationalistischen Partei CHP und gilt als der aussichtsreichste politische Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.

Besorgter Blick auf Ereignisse in der Türkei

Seit İmamoğlus Festnahme reißen die Proteste nicht ab. In der Türkei gibt es die größten Oppositions-Demonstrationen seit den Gezi-Protesten von 2013. Allein am Samstag versammelten sich Hunderttausende auf den Straßen Istanbuls. Der Chef der größten Oppositionspartei CHP, Özgur Özel, sprach bei der Kundgebung sogar von mehr als zwei Millionen Teilnehmern.

Ezgi Karadağ ist Vorsitzende des CHP-Vereins Mainz. Die Geschehnisse in der Türkei verfolgt sie mit Sorge und Bestürzung. "Wir sehen, dass jegliche demokratischen Werte, wie Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit oder auch die Teilhabe an der Politik unter enormen Druck geraten", sagt Karadağ. "Repressionen gegen Oppositionelle, Journalisten - vor allem gegen Demonstranten und die Jugend in der Türkei sind wirklich fatal."

Mitglieder vom türkischen CHP-Verein demonstrieren in Mainz gegen die Festname des Oppositionellen Imamoğlu in der Türkei.
Mitglieder vom türkischen CHP-Verein demonstrieren in Mainz gegen die Festname des Oppositionellen Imamoğlu in der Türkei.

Freie Meinungsäußerung? Türken in RLP mit Angst vor Repressalien

Mehmet aus Kaiserslautern ist kein Parteimitglied, verfolgt die Nachrichten aus der Türkei trotzdem ebenfalls mit Besorgnis. Mehmet ist nicht sein richtiger Name. Den möchte er aber nicht nennen, aus Angst um sich und seine Familie in der Türkei.

Er zeigt sich überzeugt, dass viele Türkinnen und Türken in Deutschland nicht offen ihre Meinung sagen, da sie Repressalien fürchten. "Jetzt haben wir zig Male mitbekommen, dass die Leute dann sofort in den Knast kommen, direkt am Flughafen und dann ab in den Knast. Das ist halt diese Angstmacherei - ihr passt auf, was ihr gegen mich sagt", so Mehmet.

Ezgi Karadağ ist das bewusst, sie will sich aber nicht einschüchtern lassen und gibt sich kämpferisch: "Trotzdem müssen wir die Stimmen erheben, trotzdem dürfen wir nicht schweigen."

Imamoglu in Haft: Protest eint türkische Gesellschaft

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist abgesetzt und sitzt in U-Haft. Nicht nur junge Menschen demonstrieren dagegen, sagt ARD-Korrespondent Uwe Lueb.

Türkei-Experte zu Protesten: Ein Großteil nicht mit Erdoğan einverstanden

In der Türkei gehen seit einer Woche Zehntausende Menschen auf die Straßen und protestieren – dagegen, dass der Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem İmamoğlu abgesetzt und inhaftiert wurde. Einer der offiziellen Gründe dafür: Korruption. İmamoğlu weist die Anschuldigungen zurück. Der Oppositionspolitiker der Partei CHP gilt als ein ernst zu nehmender Kontrahent von Präsident Recep Tayyip Erdoğan.
Im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Florian Zelt ordnet Yaşar Aydın vom Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) die Situation vor Ort ein. Die Proteste zeigten, „dass ein Großteil der türkischen Bevölkerung mit dem autoritären Kurs von Erdoğan nicht einverstanden ist“. Viele befürchteten, dass so ein Vorgehen die Türkei in Richtung Autokratie abdriften lassen könnte, so der Experte. Außerdem seien viele frustriert, dass sich auch über Wahlergebnisse hinweggesetzt würde.
Wie Yaşar Aydın die Reaktionen auf die scharfe Kritik aus Deutschland und der EU einschätzt und welche konkreten Maßnahmen jetzt helfen würden, darüber hat er außerdem in SWR Aktuell gesprochen.

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SWR