In ihrer Heimat hatten sie gute Jobs und standen mitten im Berufsleben. Dann mussten sie vor dem Krieg flüchten. Ukrainische Frauen erzählen von der Jobsuche in der Region Trier.
Elena Hryhorovych ist eine energiegeladene junge Frau. Die 35 -Jährige hat in der Ukraine als Investmentmanagerin in einem großen Bauunternehmen gearbeitet, hat zwölf Jahre Berufserfahrung. Bewerbungen hat sie einige geschrieben, aber bisher nur Absagen bekommen. Gerne würde sie jetzt einen Sprachkurs für das hohe Niveau C1 machen, was notwendig ist, um in ihrem Beruf eine Chance zu haben. Doch das Jobcenter teilte ihr mit, sie solle erst arbeiten, irgendeinen Job machen, erzählt sie. Erst dann könne sie einen weiteren Sprachkurs belegen.
Anna Zorinova hat in der Ukraine als Grafikdesignerin gearbeitet. 14 Jahre Berufserfahrung hat die 36-jährige Frau, sie hat Kataloge und Werbeflyer gestaltet. Ihr Problem: sie hat sich das alles selbst beigebracht, hat kein Diplom. Leider lief es mit dem Deutschlernen auch nicht so gut, sie schaffte die Prüfung für das Niveau B1 zu etwas fortgeschrittenen Sprachkenntnissen nicht. Das Jobcenter bot ihr Stellen im Seniorenheim und in einer Fabrik an. Doch sie würde lieber in einem Beruf arbeiten, der ihr liegt.
In Deutschland zählt nur das Diplom
Ehrenamtlich ist Anna Zorinova sehr engagiert, hat den Verein "Ukrainer in Trier" mit gegründet. Sie unterstützt vom Krieg traumatisierte Frauen und Kinder aus der Ukraine. Gerne würde sie dieses Ehrenamt zum Beruf machen, wäre auch bereit, noch eine Ausbildung zu machen.
Maiia Kibalnichenko arbeitet in einem Hotel in Trier. In der Küche bereitet sie morgens das Frühstück für die Gäste zu. Zuhause in der Ukraine, in Kiew, war die 47-Jährige nach einem BWL-Studium zuletzt stellvertretende Leiterin einer Bankfiliale. Um in ihrem Beruf auch in Deutschland zu arbeiten, spricht sie noch lange nicht genug Deutsch, sagt sie. Deshalb war ihr der Job im Hotel lieber, als nur zuhause zu sitzen. Außerdem verdient sie so ihr eigenes Geld und fällt niemandem zur Last, was ihr sehr wichtig ist. Sie sei Deutschland sehr dankbar für alles und wolle auch etwas zurückgeben, sagt sie.
Im Frühjahr 2022 kam Maiia in Trier an, war vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. "Anfangs stand ich einfach nur unter Schock und sprach überhaupt kein Deutsch.", sagt sie. Acht Monate musste sie warten, bis sie mit einem Deutschkurs anfangen konnte. Als sie die Prüfung für das Sprachniveau B1 bestanden hatte, fing sie einen Tag später mit dem Job im Hotel an. "Ich hoffe, ich lerne durch die Arbeit schneller Deutsch", sagt Maiia. Vom Jobcenter sei sie gut betreut worden, "Das waren meine Engel", sagt sie.
Deutschlernen im Job mit Tücken
So einfach ist es gar nicht, am Arbeitsplatz Deutsch zu lernen. Im Sprachkurs wird natürlich Hochdeutsch unterrichtet, sagt ein Sachbearbeiter des Jobcenters Trier. Doch an den Arbeitsplätzen sprechen viele Menschen in der Region Trier Dialekt oder Deutsch mit starkem Trierer oder Eifeler Akzent. Für Menschen, die noch Deutsch lernen, ist das nicht so einfach zu verstehen. Maiia macht die Erfahrung, dass bei der Arbeit so viel zu tun ist, dass gar nicht so viel gesprochen wird. Sie möchte einen Deutschkurs für das höhere Niveau B2 machen, doch in den Abendkursen ist gerade kein Platz frei.
An ihrem Arbeitsplatz im Hotel in Trier ist Maiia Kibalnichenko umgeben von Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. "Ohne ausländische Arbeitskräfte könnte der Hotelbetrieb nicht aufrecht erhalten werden", sagt Michaela Priesner, die Geschäftsführerin des Hotels Vienna house easy. Sie gibt einigen Geflüchteten aus verschiedenen Ländern eine Chance, in Deutschland ins Berufsleben einzusteigen. "Ich finde es auch sehr schätzenswert, dass die Leute nicht sagen, ich bin zu gut für diesen Job, sondern dass sie es annehmen, um in die Gesellschaft reinzukommen, die Sprache zu lernen und Geld zu verdienen." Mit Bezug auf Maiia sagt sie, "Ich möchte schon, dass sie Fuß fassen und sich weiterentwickeln kann."
Der "Jobturbo" des Bundesarbeitsministers
Im Februar hat Bundesarbeitsminister Heil das "Jobturbo" genannte Programm gestartet. Hintergrund ist, dass in anderen europäischen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden, Geflüchtete aus der Ukraine schneller Arbeit finden konnten als in Deutschland. Hier warten viele sehr lange auf einen Deutschkurs und auch sonst steht der Jobsuche oft viel Bürokratie im Weg. Berufe, Ausbildung und Berufserfahrung in der Ukraine passen oft nicht ins deutsche Schema.
Schwierigkeiten bei der Jobsuche
Einen ausländischen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen zu lassen, dauert oft Jahre, bestätigen Arbeitsmarktexperten. Alleinerziehende Mütter haben es bei der Jobsuche in Deutschland generell schwer und viele Frauen aus der Ukraine sind allein mit ihren Kindern nach Deutschland geflüchtet. So leben viele Geflüchtete aus der Ukraine auch zwei Jahre nach ihrer Flucht noch immer vom Bürgergeld, haben in Deutschland bisher keine Arbeit gefunden.
Kehrtwende auf dem Arbeitsmarkt?
Bundesarbeitsminister Heil will mit seinem "Jobturbo" erreichen, dass Geflüchtete aus der Ukraine so schnell wie möglich unabhängig vom Bürgergeld werden. Sobald sie den Sprachkurs B1 bestanden haben, sollen sie arbeiten. Bei qualifizierten Arbeitsplätzen für Fachkräfte wird in Deutschland aber ein viel höheres Sprachniveau verlangt. Für Geflüchtete, die zuerst intensiv Deutsch lernen möchten, um sich für Stellen in ihrem erlernten Beruf bewerben zu können, kann der "Jobturbo" auch ein Bremsklotz sein. Sie sollen Jobs für gering Qualifizierte annehmen und parallel dazu Deutsch lernen. Wer Arbeitsangebote ablehnt, der bekommt keinen weiteren Sprachkurs, teils wird das Bürgergeld gekürzt.
Kein Anspruch auf Arbeit im erlernten Beruf
Es gibt keinen Anspruch, in seinem gelernten Beruf vermittelt zu werden, also keinen Berufsschutz, so ein Berater im Jobcenter Trier. So kommt es, dass hochqualifizierte Menschen aus der Ukraine in Deutschland oft in Jobs weit unter ihrem Niveau arbeiten. Auch als vorübergehende Notlösung ist das nicht für alle leicht zu akzeptieren, sagt der Berater im Jobcenter Trier. Fast die Hälfte der Geflüchteten aus der Ukraine hat einen akademischen Berufsabschluss.
Zu wenig Jobs für Menschen mit geringen Sprachkenntnissen
Mehr als 6000 Menschen aus der Ukraine im Alter zwischen 15 und 65 leben in der Region Trier und gelten als erwerbsfähig, teilte die Agentur für Arbeit Trier mit. Doch es gibt nur 837 Arbeitsplätze, die aus Sicht der Agentur für Arbeit dazu geeignet sind, die Integration Zugewanderter zu unterstützen, weil geringere Deutschkenntnisse in diesem Jobs ausreichen. Das Konzept des sogenannten Jobturbo, wonach alle Geflüchteten sofort nach dem Sprachkurs B1 in Arbeit vermittelt werden sollen, kann also rein rechnerisch in der Region Trier gar nicht aufgehen. Derzeit ist es so, dass in der Region Trier 825 Ukrainerinnen und Ukrainer einen sozialversicherungspflichtigen Job haben, so die Agentur für Arbeit Trier.