Bei der Herstellung von Zement wird viel CO2 freigesetzt. In der Eifel haben Trierer Forscher eine klimafreundliche Alternative gefunden.
Der Zement der Zukunft wird rot sein. Da ist sich Geologe Jean-Frank Wagner sicher. Zu sehen gibt es den Baustoff bislang nur im Miniatur-Format. Wie Bauklötze für Kinder wirken die kleinen Blöcke, die Forscher in einem Labor an der Universität Trier hergestellt haben. Doch der Professor glaubt, dass das neue Material die Baubranche revolutionieren kann.
Bislang wird Zement bei hohen Temperaturen aus Kalk oder Dolomitgestein gebrannt. Ein Verfahren, das nicht nur aufwändig sei, sondern auch klimaschädlich, wie Wagner sagt: "Rund acht Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen allein auf die Produktion von Zement zurück." Denn einerseits werden die meisten Öfen bislang mit Kohle und Gas befeuert. Und andererseits ist das Treibhausgas im Kalk enthalten und wird durch die Verbrennung freigesetzt
Alternative zu Kalk stammt aus Kieswerken in der Eifel
Die Zementindustrie klimaneutral zu machen, ist eine globale Aufgabe. Denn weltweit wird immer mehr mit Beton und Zement gebaut. Mit Lösungen dieser Frage beschäftigen sich nicht nur aktuell die internationalen Staatschefs auf der Weltklimakonferenz in Dubai, sondern auch die Forscher in der Großregion rund um Deutschland, Luxemburg, Belgien und Frankreich.
Seit Jahren suchen die Trierer Wissenschaftler nach einem alternativen Material. Und sie glauben, den perfekten Ersatz für Kalk gefunden zu haben: eine bestimmte Art von Ton, die dem Öko-Zement auch seine rötliche Farbe verleiht. Dieses Gestein zu verbrennen, setzt kein klimaschädliches Kohlendioxid frei, denn der Stoff ist in dem Mineral nicht enthalten. Und der Ton hat noch einen weiteren Vorteil: Es gibt in der Eifel reichlich davon, vor allem in der Gegend rund um Speicher (Eifelkreis Bitburg-Prüm). Dort haben bereits die Römer nach Ton gegraben und Keramik hergestellt.
Tonschlamm war bislang Abfallprodukt
Die Trierer Forscher haben ihren Rohstoff in einem Kieswerk in der Nähe von Landscheid entdeckt, genauer gesagt in einem Weiher auf dem Firmengelände. Über Jahrzehnte hat Firmenchef Dierk Rech in diesem Becken den Schlamm entsorgt, der bei der Produktion von Kies und Sand anfällt.
Tausende kleine Steine laufen bei seinem Unternehmen jeden Tag über die Förderbänder. Sie werden in kleine Stücke gebrochen und gewaschen, bevor sie auf eine Halde rutschen und verkauft werden. Den Ton, der von den Kieseln abgespült wird, kann Dierk Rech bislang nicht verwerten: "Das ist eher ein Abfallprodukt, das uns Kosten verursacht." Umso mehr freut es den 50-Jährigen, dass die Forscher seinen Schlamm für wertvoll halten: "Es war mir immer eine Herzensangelegenheit, dass wir alle Ressourcen nutzen."
Forschungsprojekt von vier europäischen Universitäten
Auch Jean-Frank Wagner und seinem Team geht es nach eigenen Angaben darum, vorhandene Rohstoffe zu nutzen. "Wir wollen keinen Bergbau betreiben", erklärt der Geologe. "Sondern wir möchten ein Material recyceln, das auf Halde liegt, das keiner haben will." Zwei Jahre lang hat ein Forschungsteam der Universitäten Trier, Luxemburg, Lüttich und Nancy dazu im Auftrag der Europäischen Union mit verschiedenen Rohstoffen experimentiert.
18 Firmen aus der Großregion haben ihre Gesteinsabfälle an die Forscher geschickt. Die haben die Wissenschaftler dann im Labor erhitzt und Chemikalien ausgesetzt. "Und die Untersuchungen haben ergeben, dass sich zehn davon für die Herstellung von Zement anbieten", sagt Professor Wagner, darunter auch Gesteinsstaub und tonhaltige Erde. Am Besten geeignet sei dabei der Tonschlamm aus den Landscheider Weihern.
Forschung steht bei Öko-Zement noch am Anfang
Dierk Rech hofft nun darauf, dass er seinen Schlamm irgendwann verkaufen kann. Denn auch mit Kies lasse sich in der Eifel nicht mehr ewig Geld verdienen, sagt er: "Ich rechne damit, dass unsere Vorkommen hier in fünfzehn bis zwanzig Jahren erschöpft sind." Eine neue Einnahmequelle käme ihm also sehr gelegen.
"Allerdings steht die Forschung noch eher am Anfang", sagt Jean-Frank Wagner. Bislang haben die Wissenschaftler den roten Zement im Labor hergestellt. Es fehlten Feldversuche im großen Maßstab, sagt der Geologe. Und noch erreiche der Öko-Zement nicht die Festigkeit von herkömmlichem Material. Die Qualität reiche aus, um ihn dem Beton beizumischen, aber noch nicht als vollwertiger Ersatz. Um ein Produkt auf den Markt zu bringen, seien daher weitere Untersuchungen nötig. Dafür fehlt den Forschern derzeit aber das Fördergeld, denn die Europäische Union habe erst kürzlich abgelehnt, das Projekt weiter zu unterstützen.
Wissenschaftler brauchen Fördergeld für weitere Untersuchungen
Hinter den Kulissen arbeiten die Wissenschaftler dennoch weiter. Sie haben Kontakt mit einem Zementwerk in Lothringen und mit Kollegen in Hessen und den Niederlanden, die sich an den Studien beteiligen wollen. "Und wir haben Anträge an verschiedene Institutionen geschrieben", sagt Wagner: "Es wäre wirklich schade, wenn wir unsere erfolgreiche Arbeit hier nicht fortsetzen könnten."
"Denn das Potential ist riesig", glaubt der Wissenschaftler. Allein in Landscheid fallen jährlich 20.000 Tonnen Schlamm an. Und deutschlandweit gebe es 2.500 vergleichbare Weiher in der Nähe von Kiesgruben. Um den Rohstoff zu nutzen, müssten Betonwerke aber ihre gesamten Anlagen umrüsten - was Jahre dauern dürfte. Solange wird Dierk Rech seinen Schlamm also weiterhin in seinen Weihern sammeln und hoffen, dass er damit irgendwann einmal Geld verdienen kann.