Drei Jahre nach der Flutkatastrophe wünschen sich auch die Bürger in Minden in der Südeifel mehr Hochwasserschutz. Der Ortsbürgermeister verzweifelt aber an der Bürokratie.
Leo Zehren wird die Flutkatastrophe vor drei Jahren nie vergessen. Denn in dieser Nacht hat er ein Leben gerettet und dabei fast sein eigenes verloren. Der 76-Jährige ist damals in seinem Heizungskeller in Minden an der Prüm, als das Wasser ins Haus schießt. Zehren flüchtet sich auf die Terrasse. Doch da fällt ihm sein Nachbar Herbert ein. Ein älterer Mann, der nicht schwimmen kann. Zehren läuft also zu dessen Wohnung, die da schon überflutet ist.
"Er hat keinen Boden mehr unter den Füßen bekommen und mir hat das Wasser bis zum Kinn gestanden", erinnert sich der Rentner. Trotzdem zerrt er ihn raus, kämpft sich irgendwie gegen die Strömung aus dem Haus: "Und dann hab ich Glück gehabt, dass ich eine Hecke zu greifen bekommen habe, um uns da rauszuziehen. Fast wäre ich mit Herbert ertrunken."
Kritik aus der Eifel: Zu spät vor der Flut gewarnt
Bis heute macht Leo Zehren diese Nacht zu schaffen. Und eine Mitschuld gibt er Behörden und Land. "Die Warnung vor der Katastrophe hat vorne und hinten nicht funktioniert", sagt der 76-Jährige. Stunden zuvor war in Prüm bereits ein Mann ertrunken - rund 50 Kilometer flussaufwärts. "Wir hätten Stunden gehabt, um uns in Sicherheit zu bringen", meint Zehren, der selbst mal in der Feuerwehr aktiv war: "Warum hat uns keiner früher Bescheid gesagt?"
Mehrheit in der Region Trier unzufrieden mit Krisenmanagement
Leo Zehren ist nicht der Einzige, der solche Fragen stellt. Auch drei Jahre nach der Flut reißt die Kritik der Bürger nicht ab. Das ergibt sich aus einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest Dimap im Auftrag des SWR in den von der Flut betroffenen Landkreisen erstellt hat. Dabei wurden 1.184 Menschen aus der Region Trier und dem Ahrtal befragt.
Umfrage im Auftrag des SWR Drei Jahre nach der Flut: Wie geht es den Menschen in der Region Trier?
Drei Jahre liegt die Flutkatastrophe inzwischen zurück. Die Menschen in der Region Trier beschäftigt sie weiterhin. Wie sehr, zeigt eine exklusive Umfrage des SWR.
Mehr als 70 Prozent haben dabei angegeben, dass sie nicht zufrieden mit dem Krisenmanagement des Landes bei der Flutkatastrophe waren. Die Gemeinden macht fast keiner der Bürger für die Schäden verantwortlich. Und auch die Arbeit der Kreisverwaltungen bewerteten immerhin fast die Hälfte der Befragten als gut.
Südeifel hat nach Flut als einzige VG keine neuen Sirenen angeschafft
Die Kreisverwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm habe sowohl die Bevölkerung als auch die Feuerwehren bereits zwei Tage vor dem Unglück gewarnt, schreibt Pressesprecher Thomas Konder. Feuerwehren und Einsatzkräfte sowie politische Entscheidungsträger seien frühzeitig informiert worden.
Ein Problem war es aber offenbar, den Überblick zu behalten. Auch, weil die Kommune bei der Flut selbst keine Meldungen von überregionalen Behörden erhalten habe, sondern die Wetterlage nur über Apps und Medien verfolgen konnte. Um künftig besser einschätzen zu können, wo Gefahr droht, hat der Eifelkreis mittlerweile eigene Pegel an mehreren kleinen Flüssen installiert.
Keine neuen Sirenen in der Südeifel
Außerdem haben fast alle Verbandsgemeinden neue Sirenen angeschafft, die spezielle Warntöne und Lautsprecherdurchsagen abspielen können. Die einzige Kommune im Eifelkreis, die keine neuen Sirenen wollte, ist ausgerechnet die Verbandsgemeinde Südeifel, in der auch Minden liegt.
Das hatte finanzielle Gründe, erklärt die neue Bürgermeisterin Anna-Carina Krebs (CDU) die Entscheidung, die vor ihrer Amtszeit getroffen wurde: "Die Kosten stehen in keinem Verhältnis zum Nutzen. Unsere Priorität liegt darauf, die Mittel sinnvoll einzusetzen. Und angesichts begrenzter Ressourcen halten wir es für sinnvoller, in den Hochwasserschutz und die Ausstattung unserer Feuerwehren zu investieren."
Ist beim Hochwasserschutz zu wenig passiert?
Gerade beim Hochwasserschutz sehen auch viele Bürger Handlungsbedarf. Bei der Umfrage sagten nur etwa ein Drittel der Menschen, dass sie glauben, dass Rheinland-Pfalz gut auf eine künftige Katastrophe vorbereitet ist. 23 Prozent der Befragten wünschen sich mehr Dämme, Mauern und Auffangbecken.
Pläne dafür gibt es in vielen Gemeinden, auch in Minden. So hat sich Ortsbürgermeister Franz-Josef Ferring (parteilos) schon vor Jahren bemüht, mobile Hochwasserschutzwände zu besorgen. Geliefert werden sie aber erst diesen Herbst. "Als Bürgermeister wirst du dann von den Leuten gefragt, wann endlich was passiert", sagt Ferring: "Dann muss ich immer sagen, dass es am Fördergeld, an Genehmigungsverfahren oder bürokratischen Hürden hängt." Da müsse das ganze Land schneller werden.
Feuerwehrleute hören auf, weil sie frustriert sind
Ein Beispiel ist das Feuerwehrgerätehaus in Minden, das noch aus dem Jahr 1971 stammt. "Es ist marode, da ist nicht einmal eine Heizung drin", sagt Ferring. Wenn es im Dorf also wieder einen Einsatz gebe, hätten die Feuerwehrleute keinen Rückzugsort. Ein neues Gebäude kann sich die Gemeinde aber nicht leisten, auch nicht mit 60 Prozent Förderung des Landes. Weswegen das Projekt lange nicht vorankam. "Feuerwehrleute haben deshalb aufgehört", sagt Ferring.
Bürokratie bremst Hochwasserschutz aus
Auch Verbandsbürgermeisterin Anna-Carina Krebs kennt die Probleme der verschuldeten Ortsgemeinden, bittet aber um Geduld: "Die Verbandsgemeinde investiert sehr stark. Wir können aber nicht alle Maßnahmen gleichzeitig umsetzen." Insbesondere größere Projekte erforderten Zeit, so Krebs. Denn bevor irgendwo gebaggert werden darf, brauche es Genehmigungen. Ohnehin überlastete Ingenieurbüros müssten Gutachten erstellen.
Bürger: "Außer Papierkram ist nichts passiert"
"Das versteht der Otto-Normal-Bürger nicht mehr, dass wir vor jedem Schritt 30 Ämter fragen müssen", sagt hingegen der Mindener Ortsbürgermeister Franz-Josef Ferring. Zum Beispiel habe er sich mit der Naturschutzbehörde anlegen müssen, um Regenauffangbecken ausbaggern zu lassen: "Das sind doch keine Biotope. Da muss der Schutz von Bürgern Vorrang haben."
Auch Leo Zehren fehlt inzwischen das Verständnis. "Außer Papierkram ist jetzt drei Jahre lang nichts passiert", findet der 76-Jährige. Wirklich sicher fühlt sich der Rentner daher noch immer nicht: "Wenn man so eine Katastrophe erlebt hat, schaut man jede Wolke genau an."
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