Hohe Inflation, gestiegene Bauzinsen, Lieferengpässe bei Baumaterialien: Immer mehr Menschen in der Region Trier entscheiden sich aktuell gegen das Bauen. Warum es sich nicht lohnt, auf bessere Zeiten zu warten.
Der Ortsbürgermeister der Gemeinde Ralingen an der Sauer, Alfred Wirtz (Bündnis 90/Die Grünen), steht vor einem Baugrundstück im Ortsteil Olk. In den kommenden Monaten sollen hier drei Wohnhäuser entstehen. Endlich.
Der Bürgermeister freut sich, dass es mit den Bauvorhaben nun zumindest etwas vorangeht. Das Projekt zieht sich hin. Den Bauherren, die sich hier an der deutsch-luxemburgischen Grenze ihren Traum vom Eigenheim erfüllen wollen, wurde die Baugenehmigung bereits vor zwei Jahren ausgestellt.
Die hohe Inflation, gestiegene Bauzinsen und die unsichere Finanzierungsfrage bremsten Bauprojekte immer häufiger aus, stellt der Bürgermeister fest. "Den Beteiligten fehlt es in vielerlei Hinsicht an Sicherheit, ohne die man ein solch großes Projekt nicht starten möchte."
Verunsicherung bei privaten Bauherren ist groß
Auch Banken und Sparkassen stellen eine zunehmende Verunsicherung bei privaten Bauherren fest. Nach Angaben der Sparkasse Trier ist seit Oktober vergangenen Jahres die Nachfrage nach Immobilienkrediten außergewöhnlich stark zurückgegangen. "Besonders in den letzten beiden Quartalen von 2022 ist die Nachfrage zurückgegangen, weil in diesem Zeitraum die Zinsen besonders stark gestiegen sind", erklärt Carlo Schuff, Sprecher der Sparkasse Trier.
Lagen die Bauzinsen Anfang 2022 noch bei 1,4 Prozent, kletterten sie zu Beginn des 3. Quartals immer weiter in die Höhe, so Schuff. Der Höchststand im 4. Quartal 2022 lag demnach bei 3,8 Prozent. Carlo Schuff geht davon aus, dass sich die Zinsen in etwa um 4 Prozent einpendeln werden - was nicht ungewöhnlich sei. "Vor der Finanzkrise 2008 war ein Zinsniveau von 4 bis 5 Prozent für den privaten Wohnungsbau eigentlich normal."
"Die Verunsicherung ist groß und man entscheidet sich gegen ein Bauprojekt - selbst dann, wenn man es problemlos angehen könnte", so Sparkassen-Sprecher Schuff. Nach Angaben der Sparkasse Trier ist die Zahl der abgelehnten Kredite nicht gestiegen, es seien eher die Kunden, die von sich aus vorsichtiger seien. Selbst Familien, die es sich eigentlich leisten könnten, ein Haus zu bauen, sind also vorsichtiger geworden.
Finanzberater: Oft falsche Grundeinstellung bei Interessenten
Eine Stimmung, die auch Eric Demmer immer wieder bei seinen Kunden feststellt. Er arbeitet als selbstständiger Finanzberater in Trier. Er kennt den Immobilienmarkt in der Region Trier gut und ist ein Experte, was die Finanzierung von privaten Bauvorhaben betrifft.
Bei seinen Gesprächen mit Interessenten fällt ihm auf, dass viele bereits im ersten Gespräch davon ausgehen, dass sie sich den Traum vom Eigenheim ohnehin nicht leisten können und mit einer falschen Grundeinstellung an das Projekt herangehen.
Kindheitsträume von großem Haus mit Garten oft nicht realistisch
Wichtig sei daher, dass bei vielen ein Umdenken stattfinden müsse. Vor dem Hintergrund, dass sich ein Haus in der Größenordnung von 180 bis 220 Quadratmetern bei den heutigen finanziellen Rahmenbedingungen fast niemand mehr leisten könne, müsse man kleiner ansetzten. Das Problem: Genau diese "großen" Maßstäbe würden seine Gesprächspartner aber anfragen und sich dabei von Kindheitserinnerungen oder Statussymbolvorstellungen leiten lassen.
Während vor sechs bis sieben Jahren die monatliche Kreditzahlung bei 1.500 Euro gelegen habe, würden heute schnell mal 2.500 Euro fällig. Eine finanzielle Belastung, die viele nicht aufwenden könnten und wollten.
Hohe Zinsen machen Bauherren schlechte Laune Städte und Gemeinden in der Westpfalz bleiben auf Bauplätzen sitzen
Ein eigenes Häuschen ist der Traum vieler Menschen. Doch seitdem die Zinsen gestiegen sind, können sich viele das nicht mehr leisten. Immer mehr Orte bleiben auf ihren Baugrundstücken sitzen.
Finanzberater Demmer legt seinen Kunden ans Herz, ihre Ansprüche an das eigene Haus herunterzuschrauben. Was spricht gegen eine Wohnfläche von 130 bis 150 Quadratmetern? "Das heißt ja nicht, dass der Lebenstraum gleich komplett zerplatzen muss. Es ist immer noch machbar, aber nicht mehr auf dem Niveau von vor drei Jahren. Der Traum sollte eben der Situation angepasst werden."
Was also tun, wenn man den Traum vom Eigenheim in die Tat umsetzten will? Finanzberater Demmer empfiehlt, dass sich die Menschen sehr frühzeitig informieren und ihre Eigenmittel bewerten lassen. So komme man zu einer realistischen und finanzierbaren Kalkulation und man könne dann im Prinzip auch loslegen.
Finanzberater hält Abwarten für keine Lösung
Vom Abwarten rät Eric Demmer allerdings ab. Die Baukosten gingen zwar wieder etwas runter und auch bei den Materialengpässen deute sich eine Entspannung an. Allerdings sei der Mangel an verfügbaren Handwerkern nach wie vor ein Problem. Dass die Preise noch mal so weit runtergehen wie noch vor ein paar Jahren, sei unrealistisch.
"Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren extreme Preisänderungen haben werden, sodass der Traum vom Eigenheim wieder erschwinglich wird - wie noch vor ein paar Jahren", prognostiziert Demmer.
Preise für Baumaterialien nach wie vor hoch
Zurück in Ralingen an der Sauer. Als hauptberuflicher Schreinermeister stellt Ortsbürgermeister Alfred Wirtz in seiner Schreinerei derzeit noch keine Entspannung der Lage fest. Es gebe nach wie vor steigende Einkaufspreise und zunehmende Lieferengpässe bei Baumaterialien.
Viele Handwerker legen ihre Angebote daher auch nur noch zum Tagespreis statt zum Festpreis vor. Denn wenn sie heute ein Angebot machen, gilt der Preis morgen schon nicht mehr.
Außerdem stellt Wirtz einen weiteren Trend in der Region Trier fest: Eigenheime mit einem Wert von 400.000 bis 500.000 Euro werden immer weniger gebaut. Es würde spürbar ruhiger und es sei zu beobachten, dass sich die Struktur auf dem Land auch verändert. Baustellen mit Grundstücken von 700 Quadratmetern aufwärts gehörten eher der Vergangenheit an.
"Der Trend geht in Richtung Doppel- und Reihenhäuser oder auch Mehrfamilienbauten", so Bürgermeister Wirtz. Aus Kostengründen - und um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.