Ein außergerichtliches Vergleichsverfahren mit Opfern sexuellen Missbrauchs hat Bischof Ackermann abgelehnt. Deshalb wollen einige Missbrauchsopfer jetzt gegen das Bistum klagen.
Wenn Thomas Kiessling vor der Abtei Sankt Matthias in Trier-Süd steht, kommen bei ihm schreckliche Erinnerungen hoch: "Hier war der Ort, an dem es passiert ist", sagt er, und zeigt auf ein Gebäude gegenüber der Abteikirche. Thomas Kiessling sagte dem SWR, er sei zehn Jahre alt gewesen, als ein Mönch ihn mehrmals wöchentlich in diesem Haus vergewaltigte. Sein Martyrium dauerte mehr als vier Jahre lang.
Thomas Kiessling sagt, es gehe ihm bei der Zivilklage nicht nur um Schmerzensgeld. Er wolle erreichen, dass endlich alles aufgeklärt wird. Außer ihm seien noch weitere Kinder von dem Pater mit dem Spitznamen "Jumbo" vergewaltigt worden. Er hoffe, dass sich weitere Opfer meldeten, die bisher geschwiegen hätten. Die Kirche müsse einsehen, dass sie die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs nicht selbst machen könne. "Es soll alles ans Tageslicht, nur dann kriegt meine Seele Ruhe", sagt Kiessling.
Verein der Missbrauchsopfer wirft Kirche Vertuschung vor
Der Verein der Missbrauchsopfer im Bistum Trier, MissBiT e.V., zieht eine ernüchternde Bilanz, was die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier betrifft. "Nach wie vor wird vertuscht und mit aller Macht das System Kirche geschützt, so MissBiT. Wenn das Bistum Trier von "Anerkennung des Leids" oder einer "Kultur der Aufmerksamkeit" spreche, seien das alles nur leere Worthülsen.
Außergerichtlicher Vergleich vorgeschlagen
Um Missbrauchsopfern im Bistum Trier den Gang vor Gericht zu ersparen, hatte MissBiT dem Trierer Bischof Stephan Ackermann ein außergerichtliches Vergleichsverfahren vorgeschlagen individuell für jeden Einzelfall. Eine Kommission aus Vertretern des Bistums und von MissBiT sollte gemeinsam Missbrauchsfälle aufarbeiten und eine Entschädigung für die Opfer vorschlagen.
Bischof Ackermann lehnt Zusammenarbeit mit MissBiT ab
Eine Zusammenarbeit mit MissBiT hat der Trierer Bischof aber abgelehnt, bestätigt das Bistum Trier. Bei den Missbrauchsfällen im ehemaligen bischöflichen Internat Albertinum Gerolstein hatte Ackermann anders entschieden. Da gab es ein außergerichtliches Verfahren des Bistums mit den Betroffenen.
Das Bistum arbeite derzeit an einem eigenen Konzept, das offen für alle Missbrauchsopfer sein solle, heißt es. In den Augen von MissBiT ist das eine weitere Hinhaltetaktik des Bistums. Seit 14 Jahren versuche man vergeblich, bei der Aufarbeitung mit dem Bistum zusammen zu arbeiten. Deshalb wollen Thomas Kiessling und andere Betroffene, die im Verein MissBit sind, jetzt den Weg vor Gericht gehen.
Der Abt des Klosters St. Matthias habe von dem Missbrauch und den Vergewaltigungen durch seinen Mitbruder, Pater B., gewusst, sagt Thomas Kiessling. Das könne er mit Akten belegen. "Es geht um die Bereitschaft, dass das Bistum und das Kloster Schuld eingestehen", so Kiessling.
Pater hatte Thomas Kiessling unter Druck gesetzt
Pater B., der Thomas Kiessling über vier Jahre sexuell missbrauchte, sei allein durch seinen Körperbau aufgefallen - ein zwei Meter großer Koloss. Alle hätten ihn Jumbo genannt. Kiessling war im Kinderchor der Abtei aktiv und in der Jugendarbeit. Der Pater sei auch immer in seine Familie gekommen, und habe dafür gesorgt, dass er nichts von den Vergewaltigungen sage.
Kiessling will dem Kloster St. Matthias zunächst einen Vergleich anbieten. Wenn der abgelehnt wird, womit er rechnet, will er eine Zivilklage vor Gericht machen. Das sei kein einfacher Schritt, sagt Kiessling, doch er sei zuversichtlich, dass er das durchstehe. "Jeder Tag ohne Aufklärung ist für mich ein schmerzlicher Tag", sagt er.
Lebenslanges Leiden von Missbrauchsopfern
Thomas Kiessling hat während seines Studiums als junger Erwachsener mit einer Psychotherapie begonnen. Das habe ihm geholfen, sagt er. Doch bis heute habe er depressive Phasen, ziehe sich in sein Schneckenhaus zurück, sei traurig und ohne Lebensfreude. Dann könne er auch nicht arbeiten.
MissBiT unterstützt Opfer bei Zivilklagen
Für Opfer sexuellen Missbrauchs sei der Gang vor Gericht ein sehr belastender Weg, so MissBiT. Viele sähen aber keinen anderen Ausweg mehr, um Gerechtigkeit zu erfahren. Der Verein hat deshalb einen Hilfsfonds gegründet, der Missbrauchsopfer unterstützt. Eine Zivilklage kostet teils mehr als 30.000 Euro. Eine Rechtsschutzversicherung deckt das nicht ab, denn sie hätte dann schon zur Zeit des Missbrauchs bestehen müssen. Doch damals waren die Missbrauchsopfer noch Kinder.
MissBiT rechnet zunächst mit zwei Klagen gegen Bistum Trier
MissBiT rechnet damit, dass zunächst zwei Missbrauchsopfer in Zivilprozessen klagen, weitere 10 Betroffene würden folgen. Die Öffentlichkeit solle in den Verfahren vor Gericht präsent sein und so zeigen, dass sie Missbrauchsopfern den Rücken stärke.
Bisherige Zahlungen des Bistums Trier an Missbrauchsopfer
Das Bistum Trier hat nach eigenen Angaben seit 2010 insgesamt mehr als 2,1 Millionen Euro an Opfer sexuellen Missbrauchs gezahlt. Aus dem Rechenschaftsbericht für das Jahr 2022 geht hervor, dass im Jahr 2022 insgesamt 51 Opfer sexuellen Missbrauchs Anträge auf Anerkennung des Leids beim Bistum gestellt haben. Zwei davon wurden als Härtefälle anerkannt. In diesen beiden Fällen wurden jeweils 50.000 Euro ausgezahlt. Insgesamt zahlte das Bistum Trier im Jahr 2022 an 51 von sexuellem Missbrauch Betroffene Menschen 764.000 Euro.
Fall im Erzbistum Köln - Urteil des Landgerichts Köln
Im Juni 2023 fällte das Landgericht Köln in einem Zivilprozess ein Urteil, das bundesweit Signalwirkung haben könnte. Das Landgericht Köln verurteilte das Erzbistum Köln dazu, 300.000 Euro Schmerzensgeld an ein Opfer sexuellen Missbrauchs zu zahlen. Ein ehemaliger Messdiener war in den 1970er Jahren jahrelang von einem Priester sexuell missbraucht worden. In Anerkennung des Leids zahlte das Erzbistum Trier dem Missbrauchsopfer ursprünglich nur 25.000 Euro. Der Mann, der inzwischen Mitte 60 ist, klagte danach vor Gericht gegen das Bistum, mit Erfolg. Sein Anwalt sprach von einem Meilenstein für die Betroffenen.
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Die Betroffeneninitiative MissBiT begrüßt ein Urteil, wonach das Erzbistum Köln einem Missbrauchsopfer 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss. MissBIT bereite ähnliche Klagen vor.