Während Corona ist die Stadt Idar-Oberstein dank des Impfstoffherstellers BioNTech reich geworden. Doch von dem Geld ist nichts mehr übrig. Der Stadt drohen sogar neue Schulden.
Im November 2021 dürfte die Stimmung im Hauptausschuss der Stadt Idar-Oberstein noch prächtig gewesen sein. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer waren um satte 200 Millionen Euro gestiegen. Der neue Haushalt war rekordverdächtig. Der Grund: Der Erfolg des Biotechnologieunternehmens "BioNTech". Das Unternehmen aus Mainz produzierte während der Corona-Pandemie Impfstoffe. Die wurden in der ganzen Welt eingesetzt und BioNTech verdiente nach eigenen Angaben alleine 2021mehr als zehn Milliarden Euro.
Ein Teil des Geldes ging auch nach Idar-Oberstein in den Hunsrück, wo BioNTech einen Standort unterhält und Gewerbesteuern zahlt. Wie viel es genau war, ist nicht klar. Es gilt das Steuergeheimnis. Es dürften Schätzungen zufolge in den vergangenen drei Jahren aber mehr als 400 Millionen der insgesamt 500 Millionen Euro gewesen sein, die die Stadt nach eigenen Angaben an Gewerbesteuer eingenommen hat.
Erstes Krebsmittel 2026 erwartet BioNTech: Gewinn stark geschrumpft - aber Impfstoffe weiter profitabel
BioNTech hat 2023 rund 930 Millionen Euro Nettogewinn gemacht. Zuvor waren es mehr als 9,4 Milliarden Euro, so die Bilanz. Impfstoffe bleiben für die Mainzer weiterhin profitabel.
Kaum noch Geld in der Stadtkasse
Gut drei Jahre später herrscht in Idar-Oberstein eher Katerstimmung im Hauptausschuss der Stadt. Denn "die Zahlen sehen leider nicht gut aus", fasst es Oberbürgermeister Frank Frühauf (CDU) zusammen. Ein Blick in den aktuellen Haushaltsentwurf zeigt, dass von dem Geld praktisch nichts mehr übrig geblieben ist. Wie konnte es dazu kommen?
Investiert in Schulen, Kitas und Sportpark
Einen Teil des Geldes hat die Stadt investiert. So wurden zum Beispiel Kindertagesstätten und Schulen in der Stadt modernisiert. Gebaut wird gerade auch ein neuer Sport- und Freizeitpark für Kinder und Jugendliche. Auch an der aufwendigen Sanierung der Jugendherberge beteiligte sich die Stadt, außerdem wurde ein neues Löschfahrzeug für die Feuerwehr angeschafft. Bezahlt werden musste das aus eigenen Mitteln, weil die Stadt nach eigenen Angaben wegen der hohen Einnahmen keine Fördermittel mehr vom Land erhalten hat.
Doch den größten Teil des steuerlichen Geldsegens durfte Idar-Oberstein gar nicht behalten. Von den rund 500 Millionen Euro Gewerbesteuer-Einnahmen musste sie nämlich über 300 Millionen Euro abgeben. Zum einen als Kreisumlage an den Landkreis Birkenfeld, zu dem die Stadt Idar-Oberstein gehört, und zum anderen an das Land Rheinland-Pfalz.
Schulden wurden getilgt
Lediglich ein gutes Drittel des Geldes, nämlich rund 191 Millionen Euro blieben in Idar-Oberstein. Davon nutzte die Stadt rund 133 Millionen Euro, um Schulden zu tilgen. So ist Idar-Oberstein aktuell schuldenfrei.
Ein historischer Schritt für die Stadt, die nach Angaben des Statistischen Landesamts lange zu den am höchsten verschuldeten Kommunen des Landes gehörte. Die gute Finanzsituation führte auch dazu, dass die Stadt 2022 die Grund- und Gewerbesteuern senken konnte, um Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger zu entlasten.
Und es wurden rund 55 Millionen Euro angespart. Die müssen aber jetzt eingesetzt werden, damit die Verwaltung einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann. Denn die Stadt wird in diesem Jahr deutlich weniger Geld einnehmen. Das liegt vor allem daran, dass der Umsatz von BioNTech nach der Corona-Pandemie stark zurückgegangen ist und das Unternehmen deshalb deutlich weniger Gewerbesteuern an die Stadt gezahlt hat.
Steuern müssen wieder erhöht werden
Um einen Finanzplan aufzustellen, der von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) genehmigt wird, muss die Stadt jetzt wahrscheinlich sogar die Steuersätze anheben. Das bedeutet wieder stärkere Belastungen für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger.
Schlechte Zahlen im ersten Quartal Idar-Oberstein: Steuerausfälle nach Umsatz-Einbruch bei BioNTech
Die Stadt Idar-Oberstein erwartet, dass die Einnahmen aus der Gewerbesteuer dieses Jahr deutlich einbrechen. Hintergrund sind wohl die neuesten Zahlen von BioNTech.
Von den Fraktionen im Stadtrat gibt es dazu bisher noch keine Einschätzung. Sie teilten dem SWR in einer gemeinsamen Stellungnahme mit, sich nicht äußern zu wollen, solange der Haushalt noch beraten wird.
Neue Verschuldung droht
Fakt ist aber, dass die Situation für Idar-Oberstein noch schlimmer werden könnte. Denn im aktuellen Haushaltsplan verzeichnet die Stadt deutlich mehr Ausgaben als Einnahmen. Mehr als 50 Millionen Euro müssen durch Ersparnisse gedeckt werden.
Was für den Haushalt des kommenden Jahres droht, das schreibt die Stadt auf SWR-Anfrage: "Sollte die Finanzausstattung der Kommunen nicht nachhaltig verbessert werden, droht voraussichtlich wieder eine neue Verschuldung."