Fast hätte das Trierer Ehepaar Wintrich eine hohe Geldsumme für die angebliche Rettung ihres Sohnes gezahlt und wäre damit auf einen Betrug reingefallen, doch es kam anders.
Das Telefon klingelt, eine unbekannte Nummer auf dem Display, man hebt ab, die übliche Begrüßung in den Hörer und dann der Schock. "Ihr Kind liegt im Krankenhaus", sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung.
In etwa so ging es Hilde Wintrich aus Trier. Die Stimme am Telefon erklärt Professor zu sein, ihr Sohn sei an einer neuen Variante von Corona erkrankt, liege auf der Intensivstation und würde ohne ein spezielles Medikament die Nacht womöglich nicht überleben. Einen Haken gebe es aber: Das Medikament sei in Deutschland noch nicht zugelassen. Der Professor sei bereit, noch heute fünf Ampullen aus der Schweiz einfliegen zu lassen, wo das Medikament bereits verfügbar sei. Doch das habe seinen Preis. Für die Ampullen benötige der vermeintliche Professor 37.000 Euro in bar. Eine enorm hohe Geldsumme, die das Ehepaar Wintrich in bar übergeben müsse.
"Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Schock war"
Liest man diese Schilderungen, mag das im ersten Moment skurril klingen, doch Anrufe dieser Art funktionieren immer wieder. "Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Schock war. Also der Verstand. Der war total ausgeblendet", erklärt Frau Wintrich.
Die Anrufer nutzen solche Schocknachrichten, um die Angehörigen zu verängstigen. In ihrer Sorge um Familienangehörige oder Freunde willigen diese dann oftmals ein, das Geld zu zahlen. Auch Frau Wintrich und ihr Mann Heinrich Wintrich, den sie sofort über die angeblich prekäre Lage ihres gemeinsamen Sohnes informiert hatte, waren bereit, die rettende Summe zu zahlen.
Misstrauen in der Bankfiliale
Wenig später sitzen die beiden in den Räumen der Sparkasse Trier der Filialleiterin Christina Lang gegenüber. Völlig in Aufruhr sind die Wintrichs in die Bankfiliale gekommen, um das Geld abzuheben. Lang lässt sich den Grund für deren Besorgnis erklären. Im Gespräch mit dem Ehepaar wird Lang aber misstrauisch. Ein Anruf der Filialleiterin bei der Schwiegertochter entlarvt den Betrug schließlich als solchen. Die Schwiegertochter berichtet am Telefon, dass es ihrem Mann gut gehe und sie erst mit ihm gesprochen habe.
Rücksprache mit der Polizei halten
Fälle wie diese treten immer wieder auf, doch diese Geschichte war neu. Rund um Trier versuchten die Täter damit dutzende Male im vergangenen Dezember ihr Glück. Nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) erbeuten die Banden jedes Jahr mehrere Millionen Euro in Rheinland-Pfalz, die Zahl der Opfer und die Schadenssumme steigen. Ist die Polizei in solchen Fällen frühzeitig eingeschaltet, können die Beamten eine Geldübergabe vortäuschen, den Betrug verhindern und die Täter dabei direkt fassen. Auf die Betrüger warten dann bis zu zehn Jahre Haft.
Das Problem sei damit aber laut LKA nicht gelöst, da es sich bei diesen Betrugsfällen um Bandenkriminalität handele und damit eine gute Vernetzung bestehe. Diese reiche bis ins Ausland, wo viele der Callcenter stehen, von denen die Anrufe ausgehen.
Die Ermittler hätten immer wieder Erfolge zu verzeichnen, sagt Bastian Kipping vom LKA Rheinland-Pfalz. "In der Türkei wurden schon Callcenter hochgenommen", so Kipping, "aber die Täter sind auch in anderen Ländern vernetzt. Und das heißt, wenn Täter festgenommen wurden, gibt es auch immer wieder neue Strukturen, die sich bilden und neue Leute, die dann in das Geschäft einsteigen, auf krimineller Seite."
Gehackte Handys und Telefonbücher
"Die Betrüger sind erfinderisch", so auch die Warnung des LKA auf der offiziellen Website der Polizei Rheinland-Pfalz zum Thema "Betrugsmasche: Schockanrufe." Eine Möglichkeit für die Betrüger an die Nummern zu kommen ist es, Daten von gehackten Handys auszulesen. Es geht aber auch viel simpler. Telefonbuch auf und Nummer raussuchen. Kipping sieht es deshalb als hilfreiche Maßnahme an, die eigene Nummer aus dem Telefonbuch streichen zu lassen.
Die Telefonbetrüger haben ein Repertoire an schockierenden Szenarien, mit dem sie die Angehörigen verunsichern. Ein weiterer Fall aus Trier macht dies deutlich. In diesem Fall war es der Taxifahrer Marc Linke, der dafür sorgte, dass ein ähnlicher Betrugsfall verhindert werden konnte.
Taxifahrer bewahrt Seniorin vor Betrug
Im Februar 2022 steigt eine Seniorin in sein Trierer Taxi ein und schildert Linke den Grund für ihre Fahrt zur Volksbank. Die Tochter der Frau, die nicht in Trier lebt, habe einen tödlichen Unfall verursacht und um einen Gefängnisaufenthalt der Tochter zu verhindern, müsse sie eine hohe Kaution zahlen. Linke kommt das seltsam vor und er möchte von der älteren Dame wissen, ob sie sich bei der Polizei erkundigt hat, ob die Geschichte mit ihrer Tochter überhaupt stimme. Linke überzeugt die Seniorin, die Taxifahrt statt zur Bank zur Polizei fortzusetzen. Eine sinnvolle Routenänderung, wie sich wenig später herausstellt. Dort konnte der Unfall schließlich als Betrug enttarnt werden. Das Misstrauen von Linke hat sich damit ausgezahlt, nicht nur für die Seniorin. Für sein Handeln wurde er zuletzt mit dem Landespreis für Zivilcourage belohnt.
LKA rät Codewörter mit Angehörigen zu vereinbaren
Um solchen Anrufen vorzubeugen, rät das Landeskriminalamt dazu, Codewörter zwischen Kindern und Eltern oder Enkeln und Großeltern zu vereinbaren, die deutlich machen, wenn es sich um eine ernsthafte Bitte nach Geld handelt.
Bei den Geldübergaben "werden mal 50.000 Euro übergeben, bis hin auch mal zu 100.000 oder 200.000 Euro", so Kipping. "Die Fallzahlen im Vergleich zu 2018 haben sich verdoppelt. Das gilt auch für die Sachsumme", sagt Kipping weiter.
Den Wintrichs ist das erspart geblieben, der Schock sitzt bei dem Ehepaar aus Trier trotzdem noch immer tief.