Die Social Media Plattform TikTok ist laut Verfassungsschutz bei radikal-islamistischen Predigern beliebt. Einer der bekanntesten trat nach SWR-Information jetzt in Wittlich auf.
Er nennt sich "Abu Alia" und ist auf mehreren Social-Media-Kanälen präsent. In Videos, die bis zu 100.000 Aufrufe haben, predigt er eine strenge Auslegung des Islam, der nach seinen Aussagen nicht "Frieden", sondern "Ergebung" bedeute.
Er kritisiert etwa Musliminnen, die moderne Kopfbedeckungen tragen wollten: Der "Hijab" sei gottgewollt. "Allah hat es ausgesucht, er möchte es so," heißt es etwa in einem TikTok-Video vom November 2023.
Flyer, Videos und ein Wandschmuck
Viele dieser Videos entstehen bei Vorträgen, die der Mann bei Veranstaltungen hält. Nun ist "Abu Alia", der mit bürgerlichem Namen Efstathios T. heißt und griechische Wurzeln hat, offensichtlich zweimal beim "Islamischen Kulturverein Wittlich" aufgetreten – Mitte Mai und Ende Juni:
Das legen zum einen Einladungsflyer nahe, die "Abu Alia" selbst auf Social Media postete und die dem SWR und der Zeitung "Neue Westfälische" vorliegen. Die Zeitung hatte bereits vor einigen Monaten kritisch über Auftritte des Predigers in Nordrhein-Westfalen berichtet.
Zum anderen hat "Abu Alia" mindestens einen der Auftritte in Wittlich genutzt, um damit Inhalte für Social Media zu generieren. Ein Video, das er auf seinem Youtube-Kanal veröffentlichte, zeigt ihn offensichtlich bei einer Predigt im Mai im Gebetsraum des Wittlicher Vereins. Im Hintergrund ist ein Rundbogen zu erkennen. Dieser ist auch auf einem anderen Foto des Gebetsraums zu sehen, das im Internet zu finden ist.
In dem Vortrag spricht "Abu Alia" mit zum Teil lauter Stimme unter anderem von der Vorstellung, Muslime sollten sich auf das Jenseits konzentrieren. Die Welt hingegen sei ein Gefängnis, "keine Oase, in der man machen könne, was man wolle." Und: "Wir müssen am Seil Allahs festhalten, egal was kommt."
Ebling: "Salafisten haben perfide Strategie"
Kritik am Besuch des Salafistenpredigers in Wittlich kommt von Innenminister Michael Ebling (SPD). Solchen Besuchen dürfte kein Raum gegeben werden, denn Salafismus richte sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung.
Ebling sprach im SWR von einer perfiden Strategie der Salafisten. Sie versuchten, als Influencer und mit Alltagsthemen junge Leute zu erreichen, um sie dann in hochgefährliche Gedankenwelten hineinzuziehen.
Stadtrat distanziert sich in einer Stellungnahme
Knapp eine Woche später meldeten sich auch der Bürgermeister, die Beigeordneten und der Stadtrat aus Wittlich zu Wort. In einer Stellungnahme heißt es unter anderem, man bedauere die Haltung des "Islamischen Kulturvereins Wittlich", der die Auftritte des Mannes ermöglicht habe.
Man sei gegen jegliche Form von Extremismus, Hass und Hetze in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien, heißt es weiter. Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus werde entschieden abgelehnt.
Verfassungsschutz hält Prediger für extremistisch
Experten sehen in den Aussagen der TikTok-Prediger Elemente salafistischer Propaganda. Die Überhöhung der Frömmigkeit und des Jenseits könne zur "Verachtung für alles Weltliche" führen, heißt es in einer Broschüre des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen. In extremen Fällen könne die Verachtung für das Diesseits zur Teilnahme am "Dschihad" anspornen, um als "Märtyrer" möglichst schnell in das Paradies zu gelangen.
Auf konkrete Nachfrage zur Rolle von "Abu Alia" teilt die Behörde dem SWR mit, man stufe ihn als "einflussreichen Akteur im extremistischen salafistischen Spektrum" ein.
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Er pflege Kontakte zu anderen reichweitenstarken Predigern. Bereits früher habe er eine wichtige Rolle in der Szene gespielt und sei später bei dem 2021 verbotenen Verein "Ansaar International" in Erscheinung getreten, so die Behörde auf SWR-Anfrage. Das Bundesinnenministerium hatte den Verein als "islamistisches Netzwerk" eingestuft, das sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richte. "Ansaar International" wurde zudem Unterstützung terroristischer Organisationen wie der Hamas vorgeworfen.
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Der Prediger selbst weist die Einordnung des Verfassungsschutzes Nordrhein-Westfalen indirekt zurück. Wenn die Behörde eine entsprechende Einstufung vornehme, bedeute das nicht, "dass man dann auch so ist." Bei "Ansaar International" sei er kein Mitarbeiter "oder Ähnliches" gewesen. Nach SWR-Recherchen trat er allerdings in einem 2017 veröffentlichten Youtube-Video auf, in dem für eine organisierte Pilgerfahrt geworben wird, deren "Gewinne" der Organisation "Ansaar International" zugutekommen sollten.
Einreiseverbot in der Schweiz
Auch Behörden in der Schweiz befassten sich jüngst mit "Abu Alia". Als er im März einen Vortrag in einer Moschee im Kanton Bern halten wollte, erhielt er ein Einreiseverbot. Die Kantonspolizei Bern bestätigte dem SWR, dass sie beim Bundesamt für Polizei (Fedpol) einen entsprechenden Antrag dazu gestellt hatte.
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Die "Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz" distanzierte sich später laut einem Medienbericht von "Abu Alia". Der Prediger selbst bestätigte gegenüber dem SWR das Einreiseverbot, das für sechs Monate gelte. Er habe der Kantons-Polizei eine "ausführliche Gegendarstellung" übersandt.
Islamischer Kulturverein Wittlich schweigt
Inwieweit wusste der "Islamische Kulturverein Wittlich" von dem zweifelhaften Ruf des Predigers und warum hat man ihn eingeladen? Wollte man damit gezielt Jugendliche ansprechen? Eine Anfrage dazu ließ der Verein unbeantwortet.
Verfassungsschutz hält sich bedeckt
Der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz hält sich zu dem Prediger und zu der Wittlicher Moschee bedeckt. Man nehme zu Personen und Vereinen "aus rechtlichen Gründen" öffentlich grundsätzlich nicht Stellung. Allgemein beobachte man, dass salafistische Influencer "intensiv diverse soziale Medien nutzen, um die Reichweite ihrer Botschaften zu erhöhen." Dies auch um "beiläufig und unauffällig extremistische Positionen zu vermitteln."
TikTok und islamistische Prediger
Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen zählt "Abu Alia" zwar nicht zu den Akteuren mit der größten Reichweite. Doch auch dieser nutze die sozialen Medien "in besonderer Weise", um seine Botschaften zu verbreiten. Allgemein sehe man die Gefahr, dass junge Menschen "bei der alltäglichen Nutzung von TikTok mit extremistisch-salafistischer Ideologie in Berührung kommen und daran Gefallen finden."