Karl-Martin Unrath ist neuer Pfarrer an der Artillerieschule in Idar-Oberstein. Wir haben mit ihm auch über die Belastung für die Ausbilder der ukrainischen Soldaten gesprochen.
Karl-Martin Unrath ist seit mehr als 30 Jahren evangelischer Pfarrer. Bevor er zum Militär kam, war er unter anderem 20 Jahre Gemeindepfarrer. Im Jahr 2017 ist er in die Militärseelsorge gewechselt. Er war fünf Monate im Irak und zwei Monate in Jordanien im Auslandseinsatz.
Der Geistliche war, bevor er an die Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein wechselte, bei den Fallschirmjägern im saarländischen Saarlouis tätig. Die Aufgabe eines Militärgeistlichen bestünde in der Seelsorge, aber auch die Schulung in ethischen Fragen gehöre dazu, sagt er.
SWR Aktuell: Seit Kurzem sind Sie als Militärgeistlicher an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein tätig. Hier werden seit vergangenem Jahr Anfang Mai ukrainische Soldaten ausgebildet. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?
Karl-Martin Unrath: Ich weiß, dass diejenigen, die die ukrainischen Soldaten ausbilden, belastet sind. Das ist auch leicht vorstellbar. Sie haben meist junge Männer vor sich, die kommen von der Front, sind hier einige Wochen in der Ausbildung und werden dann wieder an die Front geschickt.
Das heißt, sie bilden junge Menschen aus, von denen sie wissen, sie werden alle wieder in größte Gefahr zurückgeschickt und jeder dritte oder vierte wird es wohl nicht überleben. Sie bilden also junge Menschen aus, von denen man weiß, einige von ihnen werden nicht mehr lange leben. Das ist sicherlich eine ganz große Belastung für die Ausbilder. Dieser Belastung versuchen wir hier am Standort gerecht zu werden, indem wir vor allem das Gesprächsangebot machen.
SWR Aktuell: Sie sprechen viel mit Soldatinnen und Soldaten. Welche Rolle nimmt dabei der Krieg in der Ukraine jetzt ein?
Karl-Martin Unrath: Der Ukraine-Krieg hat natürlich einiges verändert, in der Wahrnehmung der Soldatinnen und Soldaten selbst, aber auch in der Bereitschaft bei jungen Menschen, in die Bundeswehr zu gehen, weil sie merken, es kann natürlich gefährlich werden. Man kann in diesem Beruf sterben. Das macht was mit Menschen und das hat schon zur Folge, dass Seelsorge angefragt wird.
SWR Aktuell: Mit welchen Problemen konkret kommen die Soldatinnen und Soldaten dann auf Sie zu?
Karl-Martin Unrath: Es ist tatsächlich so, dass heute immer noch Kameradinnen und Kameraden kommen, die belastet sind mit Einsätzen aus den 1990er-Jahren oder mit Einsätzen, in die sie Anfang dieses Jahrhunderts mussten. Also Dinge, die 20 oder 30 Jahre zum Teil zurückliegen, die sie aber nie wirklich verarbeitet haben. Diese Menschen sind posttraumatisch belastet.
Das muss aber nicht nur heißen, dass man tatsächlich in einer Gefechtssituation war oder verwundet wurde - also zum Beispiel in Afghanistan. Es kann auch heißen, dass man eine moralische Verletzung erleidet. Dass man merkt, ich bin in einem fremden Land im Einsatz, ich riskiere wirklich unter Umständen mein Leben, um eine Gesellschaft zu schützen, die offensichtlich die Werte, die mir wichtig sind, gar nicht zu schätzen weiß.
Bei Seelsorgegesprächen handelt es sich aber auch sehr oft um familiäre Dinge, Beziehungsprobleme, die sich zum Teil aus dem Dienst ergeben. Probleme, die sich aus einer Versetzung ergeben. Dann sind es auch Probleme, die sich im Dienst selbst ergeben. Dazu zählen beispielsweise Mobbing-Situationen oder Probleme mit den Vorgesetzten.
SWR Aktuell: Warum ist Ihr Job wichtig?
Karl-Martin Unrath: Zunächst sehe ich es auch als interessante Aufgabe für mich persönlich an. Das liegt daran, dass mir zunächst die Bundeswehr und alles Militärische völlig fremd waren. Ich habe als junger Mann auch Zivildienst gemacht, weil damals für mich Militär gar nicht in Frage kam. Ich war der festen Überzeugung, dass die demonstrative Wehrlosigkeit der einen, auch alle anderen notwendigerweise wehrlos und friedensbereit machen würde. Das ist natürlich, wie wir gerade in diesen Zeiten sehen, eine Illusion. Das ist mir dann auch so irgendwann klar geworden.
Ich bin unterdessen der Überzeugung, dass wir um Frieden zu sichern und eine regelbasierte Weltordnung zu haben um das Militärische nicht herumkommen. Das heißt, es hat sein Recht an sich, es ist wichtig. Und die Menschen in dieser Aufgabe zu betreuen, ist mir wichtig. Es ist ein Dienst mit besonderen Herausforderungen, den die Soldatinnen und Soldaten machen, der ihnen einiges abverlangt, der ihren Familien viel abverlangt. Ein Dienst, der sie in Grenzsituationen führt - der Fragen aufkommen lässt, die wirklich dann ans Eingemachte gehen. Und da die Antwort des Glaubens und des Evangeliums zu geben, scheint mir eine lohnenswerte Aufgabe zu sein.
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