Mehr als fünf Jahre nach Vorfall

Widersprüchliche Aussagen bei Prozess um Polizeigewalt in Prüm

Stand

Von Autor/in Christian Altmayer

Ein Bundespolizist muss sich vor dem Landgericht Trier wegen Körperverletzung im Amt verantworten. Jetzt sagte er aus, bei dem Einsatz in Prüm habe er Angst um sein Leben gehabt.

Vor fünf Jahren hat ein Polizeieinsatz in Prüm für deutschlandweite Schlagzeilen gesorgt - ausgelöst von einem 32 Sekunden langen Videoclip. Die Bilder sind verwackelt und verschwommen. Sie zeigen den Kreisverkehr auf dem Hahnplatz in Prüm in der Eifel bei Nacht. Zu sehen sind ein weißer Sportwagen und ein Mann in einer gelben Warnjacke. Dieser zerrt einen anderen Mann auf den Boden, tritt ihn und prügelt mit einem Schlagstock auf ihn ein.

Der Handy-Film eines Anwohners hat einen 39-jährigen Bundespolizisten aus Nordrhein-Westfalen auf die Anklagebank im Trierer Landgericht gebracht. Er ist der Mann mit der gelben Warnjacke im Video.

Ich hatte bei dem Einsatz Angst um mein Leben. Ich kam mir vor wie im Tunnel.

Vor Gericht schildert der Bundespolizist gleich zu Beginn des Prozesses, was an jenem Abend im September 2019 aus seiner Sicht passiert ist. Das mutmaßliche Opfer sei bei der Festnahme "total enthemmt" gewesen. Er habe geschrien und ihn und seinen Kollegen geschlagen und getreten.

Bundespolizist vor Gericht weil er einen Mann in Prüm verprügelt haben soll
Er sei in dieser Nacht in einem Ausnahmezustand gewesen, sagte der Polizist bei Gericht. Sein Anwalt fordert Freispruch.

Auto gerammt und von der Straße gedrängt

Es war das Ende eines außergewöhnlichen Einsatzes für den Beamten. Begonnen hatte sie mit einer Verkehrskontrolle in der Nähe von Bleialf, an der Autobahn 60. Der Bundespolizist und ein Kollege wollten einen jungen Franzosen kontrollieren, der ihnen gleich verdächtig vorkam. Denn er trug trotz der Dunkelheit eine Sonnenbrille.

Als sich die Beamten näherten, gab der Mann Gas und es schloss sich eine wilde Verfolgungsjagd durch die Eifel an. Der Fahrer habe ihren Wagen währenddessen gerammt, habe immer wieder versucht sie von der Straße zu drängen. "Ich hatte bei dem Einsatz Angst um mein Leben. Ich kam mir vor wie im Tunnel", gab der Bundespolizist zu Protokoll.

Angeklagter nennt Gründe für Schläge und Tritte

Dann stoppte die Fahrt so abrupt, wie sie begonnen hatte - mit einem Unfall am Hahnplatz in Prüm. Dort knallte der Dienstwagen gegen den Fluchtwagen. Die Bundespolizisten verletzten sich dabei leicht. Als sie den Fahrer dann aus dem Auto zerrten, sei der ausgerastet und habe "massivsten Widerstand" geleistet. Deshalb habe er Gewalt anwenden müssen - der Verteidiger des Angeklagten sprach vor Gericht von "Notwehr".

Prüm Karte
Hier soll sich die Tat abgespielt haben: auf dem Hahnplatz in Prüm, dem Zentrum der Stadt.

Opfer berichtet andere Version des Abends

Das Opfer der mutmaßlichen Polizeigewalt stellte den Abend und sein Verhalten allerdings anders dar. Er sei nach der Verfolgungsjagd im Wagen sitzen geblieben, weil er vorher Cannabis geraucht und "keinen klaren Kopf" gehabt habe.

Der Polizist habe ihn dann aus dem Auto gezogen und grundlos mit dem Schlagstock traktiert, obwohl er sich überhaupt nicht gewehrt habe. Er habe vor Schmerzen geschrien und wiederholt erklärt, dass er eine Dummheit begangen habe.

Freispruch oder Verurteilung wegen Körperverletzung?

Welche Version stimmt? Das konnten auch die weiteren Zeugen des Prozesses nicht aufklären. Drei Bundespolizisten, die an dem Abend im Einsatz waren, stützten eher die Aussagen des Angeklagten. Sie gaben aber auch jeweils an, nicht alles gesehen zu haben.

Eine Anwohnerin, die den Einsatz aus ihrem Fenster beobachtet hatte, konnte ebenfalls wenig zur Wahrheitsfindung beitragen. Sie berief sich auf Erinnerungslücken. Was kein Wunder ist: Immerhin liegt der Vorfall mittlerweile mehr als fünf Jahre zurück.

Ein Bundespolizist steht in Trier vor Gericht, weil er einen Mann in Prüm verprügelt haben soll.
Staatsanwältin will Verurteilung wegen Körperverletzung.

Verfahren erst fünf Jahre nach dem Vorfall

Die Staatsanwaltschaft Trier hatte zwar bereits 2021 Anklage erhoben. Doch das Landgericht Trier hatte andere Prozesse vorgezogen. Denn der Bundespolizist saß laut Gericht nie in Untersuchungshaft. Er war übrigens auch nie suspendiert und ist bis heute im Dienst. Es bestand nach Ansicht der Strafverfolger keine Fluchtgefahr. Wenn Angeklagte eingesperrt sind, ist mehr Eile geboten. Menschen sollen in Deutschland nicht über Monate im Gefängnis auf ihre Verhandlung warten müssen.

Das mutmaßliche Opfer hingegen stand bereits vor drei Jahren vor dem Amtsgericht Bitburg. Der junge Mann aus Frankreich wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt, weil er sich vor der nun angeklagten Tat eine Verfolgungsjagd mit den Bundespolizisten geliefert hatte.

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