Hütten- oder Burgbrennen, Radschieben: Damit wird ein Brauch am ersten Fastenwochenende in den Eifeler Dörfern normalerweise angekündigt. Dabei ist "Radschieben" falsch übersetzt.
Würde man an diesem Wochenende eine Zeitreise einige Jahrzehnte und gar Jahrhunderte zurück machen, würde man Jungen und Mädchen in den Eifeler Dörfern sehen, die von Haus zu Haus gehen und einen Spruch im Dialekt aufsagen: "Bifle, bifle, Böfchen, get oos e kle Schöfchen." Sie wären dann dankbar, wenn der Bauer ihnen ein Bündel Stroh gibt.

Denn heute wie damals steht an diesem ersten Fastenwochenende ein vermutlich aus der Keltenzeit stammender Brauch an, um den Winter zu vertreiben: Sogenannte Hütten oder Burgen, also Haufen aus Holz oder Stroh, werden angezündet. Manchmal sind es auch Kreuze. Oder mit Stroh umwickelte brennende Räder werden einen Hügel hinuntergerollt.
Sie werden gerollt, also nicht geschoben. Warum aber wird dann in manchen Dörfern zum "Radschieben" oder zum "Scheibensonntag" eingeladen? Das versteht auch Alois Mayer aus Daun nicht: "Es werden weder brennende Scheiben in die Luft geworfen, noch werden Räder den Berg hinunter geschoben."
Ursprung des Scheibensonntags im Dialekt
Der ehemalige Pädagoge Mayer ist mit Eifeler und Hunsrücker Dialekt aufgewachsen und befasst sich seit vielen Jahren hobbymäßig mit Heimatkunde und Sprachforschung. Er kennt sich so gut aus, dass er für den Kreis Vulkaneifel kürzlich in der Jury eines Mundartwettbewerbs saß.
Mayer kennt daher auch die Ursprungsbedeutung des Radschiebens oder Scheibensonntags: "Im Dialekt wird Samstag und Sonntag nach Aschermittwoch, das erste Fastenwochenende also, Scheefsamstig oder Scheefsunndig genannt." Und Scheef, Schöw oder Schoof bedeute nichts anderes als Stroh.
Kinder zogen von Haus zu Haus
Wenn die Kinder früher von Haus zu Haus gegangen sind, haben sie mit dem Spruch "Bifle, bifle, Böfchen, get oos e kle Schöfchen", also um das Stroh für den Brauch gebeten. Übersetzt heißt er nämlich laut Mayer: "Bübchen, gebt uns etwas Stroh."

"Dieser Ausdruck Scheefsunndig wurde im Laufe der Zeit immer mehr verballhornt, dass aus dem rein einsilbigen Wort 'Scheef' nachher 'Schewe' wurde", erklärt Mayer.
"Das wurde dann als Scheibe, also Scheibensonntag oder Radschieben übersetzt. Das hat mit dem ursprünglichen Wort Scheef, Schöw oder Schoof nichts zu tun."
Scheef als Dialektwort für Stroh schon im Mittelalter
Mayer geht davon aus, dass Menschen von außerhalb in die Eifel zogen, immer weniger Dialekt gesprochen wurde und so die ursprüngliche Bedeutung des "Scheef" verloren gegangen ist: "Man hat eben versucht, sich das auf Hochdeutsch zu erklären und es falsch übersetzt."

Dabei ist das Dialektwort für Stroh schon sehr alt, hat Mayer bei der Suche nach historischen Dokumenten in Archiven herausgefunden. In einer Urkunde aus dem Jahr 1429, in der es um finanzielle Abmachungen der Grafen von Manderscheid gegangen sei, werde der Mittwoch nach "Scheuffastnacht" erwähnt: "Das ist der älteste Beweis, den ich gefunden habe, dass es das Dialektwort schon im späten Mittelalter gab."

Und auch Mayer selbst kennt das Wort für Stroh noch aus seiner Kindheit in der Eifel, in der er sich viel im Dialekt unterhalten hat: "Wenn ein Toter aufgebahrt wurde, hat man früher gesagt: 'Hen leit op Schoof.' Er liegt also auf Stroh." Früher habe der Schoofdecker die Dächer mit Stroh gedeckt.
Stroh spielt immer kleinere Rolle in der Eifel
"'Mer jonn Schoof machen', so sagten es die Dachdecker in der Westeifel und meinten: 'Wir gehen jetzt Strohbündel machen'", erklärt Mayer. In der Landwirtschaft oder im täglichen Leben werde immer weniger Stroh verwendet, auch nicht auf Dächern, meint Mayer: "Damit verlor sich dann auch die Sinngebung des Wortes Schoof oder Schew."
Über die ursprüngliche Bedeutung des Wortes aufzuklären, ist Alois Mayer daher wichtig: "Mir liegt daran, dass der Eifeler Dialekt erhalten bleibt und gepflegt wird."
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Auch heute werden übrigens wieder Mitglieder der Dorfjugend oder der Junggesellen durch die Eifeler Orte gehen. Dann aber sammeln sie kein Stroh mehr ein, sondern Holz und alte Weihnachtsbäume. Und Eier, die dann nach dem Burgbrennen, Hüttenbrennen und Rad ... Moment ... Rad-den-Hügel-Runterrollen gebraten und verzehrt werden.
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