Die Notaufnahmen in den Kliniken werden immer voller. Der neue Chefarzt der Notaufnahme im Brüderkrankenhaus Trier hat Ideen, um dem zu begegnen.
Er ist der neue Chefarzt des Zentrums für Notaufnahme im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier: Professor Guido Michels. Nach dem Studium der Humanmedizin in Köln und Zürich folgte ein Aufenthalt in den USA und schließlich der Facharzt für Innere Medizin. Zuletzt war er als Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im nordrhein-westfälischen Eschweiler tätig. Jetzt ist der gebürtige Gerolsteiner in seine Heimatregion zurückgekehrt und will dort so einiges bewegen.
SWR Aktuell: Das Zentrum für Notaufnahme im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Trier ist mit Ihnen erstmals mit einem Chefarzt besetzt. Warum ist das wichtig und notwendig?
Guido Michels: Die Besetzung des Notfallzentrums mit einem Chefarzt ist wichtig, um das Fach im Krankenhaus repräsentativ auf Augenhöhe mit den Chefärzten der anderen Abteilungen zu tragen, zu denken und zu steuern. Zum Beispiel haben wir bis jetzt noch keinen eigenständigen Schockraum für nicht-traumatologische Patienten. Also solche Patienten, die beispielsweise nicht wegen eines Verkehrsunfalls ins Haus kommen, sondern wegen eines Herzinfarktes.
Die Einrichtung eines solchen Schockraums hätte man früher wahrscheinlich über mehrere Stellen regeln müssen. Mit einem eigenen Chefarzt in der Abteilung können wir jetzt mit Ideen und Innovationen direkt ans Direktorium herantreten. Das bedeutet, es gibt weniger Hürden. Auch der Kontakt zu anderen Schnittstellen wie dem Rettungsdienst kann so viel enger werden.
SWR Aktuell: Und warum ist es Ihnen so wichtig, ausgerechnet diesen nicht-traumatologischen Schockraum einzurichten?
Guido Michels: Wenn wir uns zurückerinnern an die Situation vor 30 Jahren, da war der Patient, der einen Unfall hatte, der Hauptpatient in der Notaufnahme. Aber mit der Zeit hat man festgestellt, dass der nicht-traumatologische Patient zahlenmäßig federführend ist. Das ist zum Beispiel die Patientin mit dem schweren Herzinfarkt oder ein septischer Patient, der sich in einem Schockzustand befindet. Die müssen interdisziplinär behandelt werden und deshalb ist es wichtig, insbesondere diese Patienten vor Augen zu haben, um sie adäquat und professionell behandeln zu können.
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Weiterbildung im Team der Notaufnahme stärken
SWR Aktuell: Sie haben sich außerdem für die Weiterbildung des Notaufnahme-Teams stark gemacht. Drei mal in der Woche gibt es jetzt Fortbildungen für das gesamte Ärzte- und Pflegepersonal, richtig?
Guido Michels: Genau, wir machen immer vormittags am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Fortbildungen. Natürlich gibt es auch Tage, da ist in der Notaufnahme zu viel los und wir müssen die Fortbildungen aufgrund der Akutversorgung ausfallen lassen. Aber grundsätzlich ist der Durst danach da. Als ich zu Beginn meiner Zeit hier damit angefangen habe, waren nur drei Leute da. Jetzt muss ich nach Stühlen suchen. Wir hatten vor kurzem einen Patienten mit einem Fledermausbiss hier. Da kam auch das Thema Fledermaustollwut auf. Das hat sich hinterher nicht bestätigt, aber wir haben es trotzdem direkt zum Thema in unseren Fortbildungen gemacht.
Es geht aber nicht nur um medizinische Aspekte, sondern auch um Mitarbeiterfürsorge. Dann sprechen wir zum Beispiel darüber, wie man mit einer Überlastungssituation umgeht. Wie verkrafte ich diesen Fall? Welche Ressourcen trage ich in mir, die mir Kraft für meine Arbeit geben? Das sind alles Aspekte, die wir interdisziplinär angehen müssen.
Bessere Verknüpfung mit Rettungsdiensten
SWR Aktuell: Die Fortbildungen in ihrem eigenen Team sind aber nicht die einzige Veränderung im Bereich Ausbildung, die Sie angestoßen haben, bzw. anstoßen wollen. Ihr Blick liegt auch auf den Rettungsdiensten?
Guido Michels: Derzeit sieht die Ausbildunsstruktur für den Rettungsdienst eine Hospitanz jeweils auf der Intensivstation und im Operationsbereich vor. Und da sind wir gerade mit der Feuerwehr in Gesprächen, die uns da sehr kooperativ entgegenkommt und sagt, sie könne sich gut vorstellen, künftig Auszubildende auch in der Notaufnahme mitlaufen zu lassen. Jeder, der in einem gewissen Arbeitsbereich mal gewesen ist, kann dementsprechend auch mal aus dieser anderen Perspektive denken. Und das halte ich für sehr wichtig in der Zusammenarbeit.
Wir sollten dahin kommen, dass der Rettungsdienstler die Perspektive der Notaufnahme gesehen hat und die Notaufnahme die Perspektive des Rettungsdienstes kennt. Ich war zum Beispiel mal einen Tag in der Leitstelle und durfte dort sehen, wie der Bereich organisiert wird, also auch die Gefahrenabwehr, die Feuerwehr und der Katastrophenschutz. Ich glaube, wenn man sich da von beiden Seiten berührt, wird diese Schnittstelle in einen harmonischen Einklang gebracht.
Immer mehr ältere Patienten in der Notaufnahme
SWR Aktuell: Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie für die Notaufnahme in den kommenden Jahren?
Guido Michels: Wir haben eine generelle Zunahme der Fallzahlen. Im Moment beträgt die jährliche Zuwachsrate zwei bis fünf Prozent und das wird so weitergehen. Auch weil die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte immer weniger werden. Außerdem werden wir zukünftig wahrscheinlich auch weniger Akutkrankenhäuser in der Region haben. Dann kommen noch mehr Patienten und die Notaufnahme wird eine noch größere Belastung tragen müssen. Hinzu kommt, dass wir aufgrund des demografischen Wandels eine starke Zunahme der älteren Bevölkerung haben.
Wir haben zum aktuellen Stand 20 Prozent über 80-Jährige. Viele davon tragen gleich mehrere Krankheiten in sich, da ist die Nierenschwäche, die Herzschwäche, Diabetes und Demenz. Das heißt, da sind meistens auch mehrere Medikamente an Bord. Ältere Menschen haben eine andere Physiologie und abweichende Laborwerte, ähnlich wie Säuglinge. In den USA hat man aufgrund dieser Entwicklung schon sogenannte Geriatric Emergency Departments eingerichtet, die auf die Notfallversorgung älterer Patienten spezialisiert sind. Wir haben hier vor Ort bereits spezielles Personal, das sich um Demenzkranke kümmert. Und wir hoffen, dass wir in Zukunft diese geriatrischen Patienten noch genauer und besser versorgen können.
SWR Aktuell: Sie haben es gerade schon selbst angesprochen. Die Zahl der Menschen, die in die Notaufnahme kommen, steigt. Schon jetzt sind viele Notaufnahmen überlaufen, das Personal fehlt an vielen Stellen. Wie wollen Sie damit umgehen?
Guido Michels: Es gibt bereits einige Beispiele dafür, wie man eine Entlastung der Notaufnahmen erreichen kann. Das sind etwa die integrierten Notfallzentren, bei denen eine Bereitschaftspraxis oder ein medizinisches Versorgungszentrum angegliedert sind, und an die man Patienten ohne akuten Notfall verweisen kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die telemedizinische Versorgung, besonders in den ländlichen Regionen, wo die hausärztliche Versorgung dünn geworden ist.
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Aber auch kleinere Krankenhäuser oder der Rettungsdienst könnten an dieses digitale Netzwerk angeschlossen werden, sodass man schneller und leichter in einen Austausch treten kann. Zum Beispiel um zu besprechen, ob der Patient zu einem Maximalversorger, wie wir im Brüderkrankenhaus es sind, gebracht werden muss oder in einer kleineren Klinik gut aufgehoben ist. Worüber es zudem gerade einen Hype gibt, ist die Künstliche Intelligenz. Die steckt aber noch in den Kinderschuhen, könnte in Zukunft aber zum Beispiel bei der schnelleren und besseren Einschätzung von Laborparametern helfen. Ich halte auch die Einführung einer Notfallgebühr für eine gute Idee, allerdings ist die für mich nicht umsetzbar.
SWR Aktuell: Welche Wünsche und Forderungen haben Sie in diesem Zusammenhang auch an die Politik?
Guido Michels: Ich wünsche mir, dass die akute Notfallmedizin eine eigene Leistungsgruppe wird und dann wie die Intensivstationen einen fixen Personalschlüssel für eine bestimmte Anzahl von Patienten, sowohl für Ärzte als auch für Pflegepersonal, bekommt. Worauf ich ebenfalls hoffe, ist die Einführung eines Facharztes für klinische akute Notfallmedizin. Ich halte es für äußerst wichtig, unseren jungen Assistenzärztinnen und Assistenzärzten auch einen Facharzt in der Notaufnahme anbieten zu können. Das würde das Fach und die Notaufnahme für diese jungen Leute viel attraktiver machen und die Notaufnahmen von innen und außen stärken.