Wer merkt, dass er gefühlt nicht im richtigen Körper lebt, und das andere Geschlecht annehmen will, hat eine Odyssee vor sich. Die Bundesregierung will das ändern. "Es wird Zeit", sagt ein Betroffener.
Nick Tajan ist 21 Jahre alt, kommt aus Mainz, ist Schauspieler und trans. "Das heißt, dass ich mit einem biologisch weiblichen Geschlecht geboren worden bin, aber mich als Mann fühle." Schon in der Grundschule habe er gemerkt, dass er anders ist. Er fühlte sich nicht wohl in seinem Mädchen-Körper, mochte lieber ein Junge sein.
Nick litt unter der Situation - so stark, dass er keinen Ausweg mehr sah: "Es ging mir schon sehr früh sehr schlecht - weil ich auch niemanden hatte, dem ich es anvertrauen konnte und wollte. Dann habe ich mich selbst verletzt. Ich habe drei Suizidversuche hinter mir."
"Richtern und Therapeuten ausgeliefert"
Erst in der Oberstufe traute sich Nick, sich als trans zu outen. Mit 16 entschied er schließlich, sein Geschlecht ändern zu wollen.
Nach der gültigen Rechtslage brauchen Minderjährige dafür das Einverständnis der Eltern und außerdem zwei psychiatrische Gutachten, die mehr als 1.000 Euro kosten. Das Verfahren dauert Monate, und es müssen viele intime Fragen beantwortet werden. "Du bist den Richtern ausgeliefert, du bist den Therapeuten ausgeliefert, die das Gutachten über dich schreiben", beklagt Nick. "Ich habe mich im Stich gelassen gefühlt von der Gesellschaft, von unserem Staat, ich habe mich bevormundet gefühlt, ich habe mich sehr gedemütigt gefühlt, weil da natürlich über Dinge gesprochen wird, die man einfach niemand ... so offen sagt."
Neuregelung soll bis Sommer kommen
Diese Situation möchte die Bundesregierung ändern. Das derzeit gültige Transsexuellengesetz soll durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Menschen wie Nick Tajan sollen den Eintrag zum Geschlecht und ihren Vornamen künftig jährlich beim Standesamt ändern können: ohne verpflichtende Beratungen, Gutachten, ärztliche Atteste oder Gerichtsverfahren.
Das von der Berliner Ampel-Koalition geplante Selbstbestimmungsgesetz zur vereinfachten Änderung von amtlichem Geschlechtseintrag und Vornamen von trans Menschen soll bis zum Sommer im Bundestag beschlossen werden. "Das Gesetz wird kommen, weil diese Koalition den menschenrechtswidrigen Zustand im derzeitigen Transsexuellengesetz abstellen will", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) im Januar der "Welt am Sonntag". "Diese Menschen sind schon zu lange drangsaliert und diskriminiert worden."
Die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz, Sabine Maur, sieht in dem neuen Gesetz eine deutliche Verbesserung. Für die Änderung des Vornamens und des Personenstandes "halten wir keine wie auch immer geartete psychologische oder medizinische Stellungnahme für notwendig", sagte Maur dem SWR. "Es wäre sicher eine Entlastung für die Transmenschen, weil viele diesen Gerichtsprozess mit den zwei Gutachten nachvollziehbarerweise als belastend empfinden und letztlich auch diskriminierend."
Kritik von der CDU
Auch die CDU plädiert im Grundsatz für eine Gesetzesänderung. "Dass sich etwas ändern muss an der jetzigen Gesetzeslage", da sei man absolut dafür, sagt Ursula Groden-Kranich, die Vorsitzende der Frauen-Union Rheinland-Pfalz. Sie kritisiert aber: "Das, was man vorher mit viel zu viel Bürokratie und Reglement gemacht hat, wird jetzt plötzlich so offen gestaltet, dass ich finde, dass es auch nicht mehr dem Ernst der Sache gerecht wird."
Groden-Kranich plädiert für eine verpflichtende Beratung - allerdings nicht durch Therapeuten, sondern durch Selbsthilfegruppen. Zudem spricht sie sich dagegen aus, dass die Geschlechtsänderung schon nach einem Jahr wieder rückgängig gemacht werden könne.
Kritiker des neuen Gesetzes fürchten auch, dass Frauen dadurch Schutzräume verlieren könnten und mehr Gewalt ausgesetzt wären - etwa in Umkleidekabinen oder Toiletten.
Bedenken, die die Bundesfamilienministerin nicht teilt. Auch dass vor allem junge Frauen vorschnell ihre Geschlechtsidentität ändern könnten, könne sie "nur schwer nachvollziehen", sagte Paus. Bei einer Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens seien die Betroffenen mindestens ein Jahr an diese Entscheidung gebunden - mit allen Konsequenzen. "Der Name wird geändert, der Personalausweis wird geändert. Das ist ein drastischer Schritt, der auch Konsequenzen im Umfeld hat. Niemand tut dies leichtfertig."
Debatte führt zu Verzögerung
Die Diskussionen führen dazu, dass das neue Gesetz, das eigentlich schon 2022 verabschiedet werden sollte, noch immer als Entwurf in der Beratung der Ministerien steckt. Nick Tajan stört an der Verzögerung vor allem, dass die Politiker nicht trans Menschen wie ihn im Blick hätten: "Ich finde, es wird Zeit, dass wir in Deutschland in einen offenen Austausch mit Betroffenen gehen und dass wir die ganze Bürokratie darauf auslegen, was Leute brauchen und nicht, was irgendwelche Experten im Bundestag denken, dass das jetzt notwendig ist."
Der 21-Jährige hat sich inzwischen einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen und zeigt sich überglücklich, dass er im richtigen Körper lebt. "Ich glaube einfach, dass ich jetzt an einem Punkt bin, wo ich so frei leben kann wie jemand, der mit seinem Körper einfach zufrieden ist. Und ich weiß, wie viel ich dafür gearbeitet habe, wie viel Jahre, Zeit und Geld ich da reininvestiert habe."