In Rheinland-Pfalz sind aus den Asservatenkammern der Polizei in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 7.740 Euro abhandengekommen. Nach SWR-Recherchen war das Geld meistens unsachgemäß gelagert.
Fast jeder kennt den Ratschlag der Polizei, bloß nicht zu viel Bargeld zu Hause zu lagern, das könnte Diebe anlocken. Aber dieser Empfehlung sind ausgerechnet einige Polizeidienststellen in Rheinland-Pfalz nicht nachgekommen.
Ermittlungen wegen Diebstahls ohne Erfolg
Sie haben sichergestelltes oder sonst in amtliche Verwahrung genommenes Bargeld unsachgemäß gelagert mit der Folge, dass es verschwunden ist. Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Diebstahls und schweren Diebstahls blieben bislang ohne Erfolg.
Anlass der Recherche ist ein Prüfergebnis im aktuellen Jahresbericht des Landesrechnungshofs, wonach viele Asservatenkammern der Polizei eher Rumpelkammern glichen. Im Bericht der Prüfbehörde heißt es, Asservate seien teilweise in Garagen, allgemein zugänglichen Fluren, Kellern oder Büros gelagert worden. Der SWR hat recherchiert, ob und wie oft diese schlampige Lagerung dazu geführt hat, dass Asservate verschwunden sind.
- Wie oft ist sichergestelltes Bargeld bei der Polizei verschwunden?
- Woher kam das Geld?
- Wie wurde das sichergestellte Geld gelagert?
- Wie konnte das Geld abhandenkommen?
- Welche anderen Asservate sind verschwunden?
- Wann ist das Verschwinden der Asservate festgestellt worden?
- Was sagt die Landesregierung zu den verschwundenen Asservaten?
- Sind aus den Asservatenkammern der Staatsanwaltschaften auch sichergestellte Sachen verschwunden?
- Wie sieht es in anderen Bundesländern aus?
Wie oft ist sichergestelltes Bargeld bei der Polizei verschwunden?
Es geht um insgesamt fünf Fälle. Der bislang größte Betrag ist in Kaiserslautern abhandengekommen. Dort sind nach Angaben des Landesinnenministeriums aus der Asservatenkammer der Zentralen Kriminalinspektion 4.100 Euro verschwunden. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken mitteilt, läuft derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen Unbekannt.
Bei der Polizeiinspektion Westerburg ist ein sichergestellter Betrag von 1.200 Euro verschwunden, bei der Polizeiinspektion Diez 1.000 Euro, bei der Polizeiinspektion Trier 920 Euro und bei der Polizeiinspektion Prüm 520 Euro, so das Ministerium.
Woher kam das Geld?
Zur Herkunft teilt das Innenministerium mit: Im Fall der 4.100 Euro in Kaiserslautern stammt das Geld aus einem Kapitaldelikt. Die 1.000 Euro in Westerburg waren eine Fundsache. Das Geld war laut Staatsanwaltschaft in einem Einkaufsmarkt gefunden worden.
Die 1.200 Euro in Diez wurden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens sichergestellt. Die 920 Euro in Trier stellte die Polizei laut Generalstaatsanwalt bei einer Verkehrskontrolle sicher, die 520 Euro in Prüm bei einem Ermittlungsverfahren, so das Innenministerium.
Wie wurde das sichergestellte Geld gelagert?
Nach Angaben des Innenministeriums wurde das Geld in Tresoren und in einem Fall in einem verschlossenen Stahlschrank aufbewahrt. Obwohl Bargeld - wenn es nicht gerade aus Beweisgründen im Original gelagert werden muss - auf ein Konto eingezahlt werden sollte. Darauf hatte auch der Rechnungshof hingewiesen.
Im Fall der verschwundenen 4.100 Euro in Kaiserslautern hat die Polizei es laut Innenministerium "versäumt", das Geld "entgegen geltender Regelungslage" auf ein Konto einzuzahlen. In den Fällen der 920 Euro in Trier und der 520 Euro in Prüm sei das ebenfalls "versäumt" worden.
Im Fall der 1.000 Euro bei der Polizei in Westerburg hat es sich laut Innenministerium um eine "Fundsache" gehandelt. Die Polizei sei davon ausgegangen, dass sich der oder die Besitzer melden, deshalb sei das Geld nicht sofort eingezahlt worden.
Lediglich im Fall der 1.200 Euro bei der Polizei in Diez gab es tatsächlich einen Grund, das Geld in bar aufzubewahren. Laut Innenministerium mussten die Geldscheine kriminaltechnisch untersucht werden. Deshalb sei eine Einzahlung auf ein Konto nicht möglich gewesen.
Wie konnte das Geld abhandenkommen?
In bislang keinem der fünf Fälle konnte geklärt werden, warum das Geld verschwunden ist. Aber die Wahrscheinlichkeit dürfte hoch sein, dass Polizisten das Geld gestohlen haben.
Im Fall der 1.000 Euro bei der Polizei in Westerburg zum Beispiel gab es nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen einen unbekannten Polizisten/unbekannte Polizistin. Laut Oberstaatsanwalt hatten ca. 40 Bedienstete der Inspektion Zugang zum Tresor.
Dass ein Dritter unbeobachtet den Raum betreten habe, um das Geld zu stehlen, sei "unwahrscheinlich". "Ein Diebstahl durch einen Polizeibeamten lässt sich leider nicht ausschließen", so der Oberstaatsanwalt. Weil kein Täter ermittelt werden konnte, sei das Verfahren eingestellt worden.
Ähnlich war es im Fall der 1.200 Euro in Diez. Auch hier hatten laut Oberstaatsanwalt alle Bediensteten der Inspektion Zugang zum Tresor. Ein Täter konnte auch hier nicht ermittelt werden.
Insgesamt wurden in vier der fünf Fälle die Ermittlungsverfahren (unter anderem wegen Diebstahls und schweren Diebstahls) eingestellt, so der Generalstaatsanwalt in Koblenz.
Noch nicht abgeschlossen ist dagegen der Fall der verschwundenen 4.100 Euro aus einem Tresor bei der Polizei in Kaiserslautern. Dort läuft nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken seit August 2022 ein Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls gegen Unbekannt. "Dritte, also Personen außerhalb der Polizei, hatten grundsätzlich keinen Zugang zu dem genannten Tresor", heißt es. Die Ermittlungen würden noch andauern und könnten voraussichtlich in zwei Monaten abgeschlossen werden.
Welche anderen Asservate sind verschwunden?
Nach Angaben des Innenministeriums sind innerhalb von 10 Jahren in 15 Fällen Asservate abhandengekommen. Neben dem genannten Bargeld waren es in fünf Fällen Mobiltelefone im Gesamtwert rund 500 Euro. Waffen, Waffenteile oder Messer sind laut Innenministerium in den vergangenen zehn Jahren keine aus Asservatenkammern der Polizei verschwunden.
Schmuck wird ebenfalls nicht genannt. An Drogen sind laut Ministerium lediglich zwei getrocknete Fliegenpilze, drei Packungen mit Testosteron-Substanzen und eine Tilidin-Tablette (Tilidin ist ein Opioid, dass in der Medizin als Schmerzmittel eingesetzt wird) abhandengekommen.
Wann ist das Verschwinden der Asservate festgestellt worden?
In 10 der insgesamt 15 Fälle ist das Abhandenkommen der Asservate im Jahr 2022 festgestellt worden. Das Interessante daran: Der Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz hat die Asservatenkammern der Polizei nach eigenen Angaben von November 2020 bis Oktober 2021 geprüft.
Die konkreten Ergebnisse seien dann im Mai 2022 an die Polizei weitergeleitet worden. Das lässt vermuten, dass die Polizei das Verschwinden der meisten Asservate gar nicht von selbst bemerkt hat, sondern erst als sie durch die Prüfung des Rechnungshofs sensibilisiert war. Die Polizei bestreitet das.
Was sagt die Landesregierung zu den verschwundenen Asservaten?
Das Innenministerium verweist zur "Einordnung"auf das Verhältnis von verschwundenen zur Gesamtzahl der Asservate. Demnach wurden bei den Polizeidienststellen im Land 2021 insgesamt 170.000 Asservate verwahrt. Demgegenüber stehe die Zahl von 15 verschwundenen Asservaten in den vergangenen 10 Jahren. Zudem hätten alle Polizeibehörden den Auftrag erhalten, die vom Rechnungshof festgestellten Mängel zu untersuchen und zu prüfen, wo Verbesserungsbedarf besteht.
Sind aus den Asservatenkammern der Staatsanwaltschaften auch sichergestellte Sachen verschwunden?
Bei den Staatsanwaltschaften in Rheinland-Pfalz sind in den vergangenen zehn Jahren in zwei Fällen Asservate verschwunden. Das haben die Generalstaatsanwaltschaften in Zweibrücken und Koblenz dem SWR mitgeteilt. In einem Fall sei bei der Staatsanwaltschaft Trier eine Fotokamera im Wert von rund 830 Euro abhandengekommen, im anderen Fall sei bei der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern in Mobiltelefon im Wert von rund 100 Euro verschwunden.
Wie sieht es in anderen Bundesländern aus?
Bundesweit gibt es immer wieder Berichte darüber, dass Geld, Drogen oder Waffen aus Asservatenkammern verschwinden. In Hessen zum Beispiel hatte eine Kleine Anfrage im Landtag ergeben, dass innerhalb von zehn Jahren dort in 32 Fällen Asservate bei der Polizei abhandengekommen waren. Darunter 12 Waffen und Bargeld im Wert von mehr als 84.000 Euro.