Kleiner Vorfall, große Wirkung: Ein Erdschluss hat kürzlich das Stromnetz in Budenheim 24 Stunden lang lahmgelegt. Es stellt sich die Frage: Hätten Saboteure leichtes Spiel, einen Blackout herbeizuführen?
Nach Vorfällen wie dem Stromausfall in Budenheim machen sich bei manchen Menschen Ängste breit: Wie verletzlich ist das Stromnetz? Wie wahrscheinlich ist ein Blackout? Wir haben mit Experten über das Thema gesprochen.
Der 24-Stunden Stromausfall in Budenheim
Die Ursache für den Vorfall in Budenheim war ein so genannter Erdschluss, also ein Kurzschluss in der Erde. "Das ist erstmal ein normaler Vorgang und passiert jeden Tag irgendwo in Deutschland", sagt Wolfram Wellßow, Experte für Stromsysteme.
Aus den öffentlich zugänglichen Informationen schließt er, dass es durch den Kurzschluss einen Folgefehler gegeben habe, der dann zu der Verpuffung im Umspannwerk führte. "Dann muss man das Netz komplett auseinander und neu zusammenschalten - und das braucht seine Zeit." Diese Netze seien typischerweise nicht automatisiert, das heißt: Techniker müssen vor Ort von Hand schalten. "Da muss auch mit Sorgfalt geprüft werden, damit man nicht einen neuen Fehler produziert." Unterm Strich also sei Budenheim es ein typischer Fall, der immer mal wieder auftrete, wenn auch nicht sehr oft.
Der Stromausfall war folgenschwer - fehlt es an Vorsorge?
Die von uns befragten Experten meinen: Theoretisch ist alles an Absicherung möglich. Aber wollte man auch Fehler wie in Budenheim beherrschbar machen - also das Netz so ausbauen, dass der Kunde von einer Verpuffung oder einem Kurzschluss gar nichts merkt - dann würde das extrem viel Geld kosten. "Es ist einfach eine Frage der volkswirtschaftlichen Optimierung", sagt Stromnetz-Experte Wellßow und ergänzt: "Die Kriterien, die wir hier in Deutschland verwenden, sind international gängig."
Für die Betroffenen sei so ein Ausfall ohne Frage immer sehr unangenehm. So entstand einem Bäcker in Budenheim ein Schaden von 20.000 Euro durch den Stromausfall, ein Supermarkt musste viele Lebensmittel wegwerfen, weil sie nicht gekühlt werden konnten, und Menschen in einem Altenheim mussten über Notstromaggregate mit Sauerstoff versorgt werden. Wenn auch lokal begrenzt, waren die Einschränkungen durch den Stromausfall für die Betroffenen zum Teil erheblich. Inwiefern könnten solche Folgeschäden durch eine Aufrüstung des Stromnetzes vermieden werden?
Die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout
Die Experten drücken es unterschiedlich aus, sind sich aber einig: Man kann einen Blackout nicht ausschließen, es gibt keine absolute Sicherheit. Aber: Die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering.
"Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Es wird immer nur eine maximale Sicherheit geben, aber nicht die hundertprozentige", sagt Marcelo Peerenboom vom Energieversorger EVM in Koblenz dazu. Aber die Netzbetreiber seien sich einig, dass man eine solche Gefahr für Deutschland nicht sehe. Auch der Wissenschaftler Wellßow meint, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout extrem klein sei. Aber sie sei eben auch nicht gleich null.
"Wenn so etwas in der Welt passiert, dann kommt ja immer von den Politikern die Aussage, dass das bei uns nicht passieren kann. Das ist natürlich eine glatte Lüge." Es gebe immer ein Restrisiko, dass ein Blackout passiert.
Eben aus diesem Grund gibt es Notfallpläne und Krisenübungen. Zu unterscheiden ist dabei, wodurch ein Blackout verursacht wird. Geht es um einen technischen Ausfall, weil ein Bautrupp einen Fehler gemacht hat oder ein Naturereignis eingetreten ist - oder war es Absicht wie bei einem Sabotageakt?
Eis, Sturm, morsche Kabel - wie schnell fließt der Strom wieder?
Das Stromnetz in Deutschland und auch Europa ist ziemlich robust mit Blick auf technische Vorfälle, meinen die Experten. Gäbe es einen solchen technischen Blackout - zum Beispiel durch veraltete Kabel oder einen Sturm -, dann ist nach Aussage von Wellßow davon auszugehen, dass die wesentlichen Teile von Deutschland innerhalb von 24 Stunden wieder versorgt sind. "Das heißt nicht, dass jeder im letzten Winkel wieder Strom hat, aber eben die wesentlichen Teile, vor allem die Großstädte, und meistens auch deutlich schneller. "
Auch Christian Rehtanz, Lehrstuhl Enregiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund, nennt 24 Stunden als Zeithorizont, bis die Versorgung wieder steht. "Unangenehm ist es für die Betroffenen natürlich trotzdem, das sieht man an dem, was jetzt in Budenheim passiert ist." Er sagt aber auch, dass die Netze mit so viel Reserve ausgelegt sind, dass letztlich nicht mit großflächigen Störungen durch Eis oder Starkregen zu rechnen sei.
Was könnten Drohnen oder Saboteure anrichten?
Eine Unsicherheit ist immer da, denn es ist extrem schwer, sich gegen militärisch organisierte Sabotageakte oder Terrorakte zu schützen. "Drohnenangriffe, die Sie aus dem Nichts mal eben machen können, wie wollen Sie sich davor schützen?", fragt Wellßow. Letztlich müsste man dann alle Anlagen regelrecht einbunkern. Das aber ist reine Utopie.
Die Wissenschaftler Wellßow und Rehtanz meinen dennoch, dass die Systeme am Ende ziemlich robust seien und blicken beide Richtung Ukraine: "Wie viel musste Putin bombardieren, bis die Ukraine jetzt eine wacklige Stromversorgung hat?", so Rehtanz. Ziel sei es gewesen, einen Ukraine-weiten Blackout zu verursachen, aber das habe Putin bis heute nicht geschafft. Es gebe am Ende doch sehr viele Möglichkeiten, die Versorgung aufrecht zu erhalten.
Wellßow weist darauf hin, dass es einen folgenschweren Unterschied zwischen einem Blackout durch einen Terrorangriff oder durch einen technischen Defekt oder ein Naturereignis gibt. "Die Reparatur defekter Systeme setzt voraus, dass diese noch vorhanden sind. Wurden sie von Terroristen zerstört, stehen die Anlagen einfach nicht mehr zur Verfügung", so Wellßow. Mit anderen Worten: Ein zerstörtes System wieder an den Start zu bekommen, würde sehr viel länger dauern, als ein kaputtes System zu reparieren.
Er zweifelt jedoch doch daran, dass Terroristen wie die vom IS "die Power haben, großflächig viele Anlagen gleichzeitig auszuschalten, dass wir das gar nicht mehr ans Laufen kriegen." Mit Blick auf Putin gibt er zu bedenken: Würde er Stromnetze und Anlagen mit Gewalt in Deutschland angreifen, dann wäre das ein Verteidigungsfall. "Das wäre ein Angriff auf ein NATO-Mitgliedsland - und dann hätten wir viel weitreichendere Konsequenzen als nur ein paar Tage keinen Strom."
Netzbetreiber haben die Hacker im Blick
Cyber-Attacken sind aus Sicht des Energieversorgers EVM aus Koblenz eine reale Gefahr. "Alle Netze stehen unter permanentem Beschuss", sagt Pressesprecher Peerenboom. Bislang habe man alle Versuche von Hackern, Sicherheitslücken zu finden, erfolgreich abwehren können und das Unternehmen investiere sehr viel in diese Sicherheit: "Das ist kritische Infrastruktur und die genießt einen sehr hohen Schutz in Deutschland."
Peerenboom erklärt, es werde ein sehr hoher Aufwand getrieben und viel Geld für die Sicherheit ausgegeben, das bekämen die Menschen gar nicht so mit. "Ein kompletter Stromausfall in ganz Deutschland durch eine Cyber-Attacke ist eigentlich nicht vorstellbar." Als Beispiel für die Sicherheitsmaßnahmen führt er die EVM-Netzleitstelle ins Feld, über die die ganze Steuerung der Strom- und Gasversorgung in ihrem Gebiet laufe. Es gebe für dieses Herzstück ein "redundantes System" - also quasi ein Kopie an einem anderen Ort. Dort könne in einem Notfall sofort die Steuerung übernommen werden.
Kritische Gebäude gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt
Die Netzleitstelle sei im Übrigen wie ein Hochsicherheitstrakt gesichert: "Da kommen Sie überhaupt nicht rein und wir erzählen auch nicht, wo die steht." Und dennoch: "Eine hundertprozentige Sicherheit werden Sie niemals erreichen können. Wer wirklich kriminelle Energie hat und es wirklich darauf anlegt, irgendetwas zu zerstören, dann wird er einen Weg finden, das zu tun."
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