Rheinland-Pfalz setzt mit einem neuen Schulprojekt der Pornografie im Internet etwas entgegen. Wie kommt das in den Schulen an?
Wie viele Jugendliche Porno-Videos im Internet anschauen, dazu gibt es keine ganz neuen Zahlen. Die letzte repräsentative Studie stammt aus dem Jahr 2016. Demnach hat die Hälfte der 15 -jährigen Jungen und ein Drittel der Mädchen im selben Alter schon "echte Pornos" gesehen: die große Mehrheit im stationären (85%) sowie im mobilen Internet (30% der Mädchen und 41% der Jungen).
"Pornokonsum im Internet ist ein ganz, ganz großes Thema unter Jugendlichen", bestätigt auch Pascal Groothuis, Sprecher der Landesschüler:innenvertretung Rheinland-Pfalz. "Es ist wichtig und total gut, dass darüber an Schulen gesprochen wird." Auf solchen Internet-Plattformen werde ein Bild von Sexualität vermittelt, das Jugendlichen extrem zusetze.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung will mit ihrem Angebot "LIEBESLEBEN - das Mitmach-Projekt" zum einen über Geschlechtskrankheiten aufklären, aber auch der Sexualdarstellung in Medien etwas entgegensetzen. Denn die Rollenbilder dort transportieren oft Vorstellungen von Weiblichkeit oder Männlichkeit, die unsere Gesellschaft gerade überwinden will. Die rheinland-pfälzische Landesregierung will eine Vorreiterrolle übernehmen und hat "LIEBESLEBEN" am Dienstag als neues Schulprojekt vorgestellt.
Schülerschaft spricht von "tollem Projekt"
"Das ist ein ganz, ganz tolles Projekt", sagt Groothuis. Jugendliche hätten sicher bei der Entwicklung des Projekts mehr einbezogen werden können, aber im Großen und Ganzen fühle er sich als Schüler auf Augenhöhe angesprochen. Wichtig sei nun, dass das Projekt weiterentwickelt und Anregungen von Schülerinnen und Schülern aufgegriffen würden. "Grundsätzlich werden aber genau die Themenbereiche angesprochen, die Jugendliche heute beschäftigen oder über die sie mehr erfahren sollten."
Pro familia: " Lehrkräfte sollten außen vor bleiben"
Pro familia Trier kritisiert, dass Lehrkräfte so stark in das Projekt "LIEBESLEBEN" eingebunden seien. Antero Graser, Sexualpädagoge bei pro familia bezweifelt, dass Jugendliche mit ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer über ihren Porno-Konsum im Internet sprechen wollen. "Es ist gut, dass die Lehrkräfte von den externen Lehrkräften geschult und über das Projekt informiert werden. Dass sie aber dann auch bei den Veranstaltungen dabei sind, ist kontraproduktiv." Sie seien keine neutralen Ansprechpersonen, meint Graser. Es bestehe vielmehr ein Machtverhältnis, weil sie die Schüler beispielsweise beurteilen und Noten vergeben.
Falsch sei auch, dass die Lehrkräfte im vorhinein festlegten, welche Themen behandelt werden sollen und nicht die Gruppen selbst. "Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die Lehrkräfte oft falsch liegen, wenn es darum geht, was die Jugendlichen beim Thema Sexualität besonders umtreibt", sagt Graser
Graser hält das Projekt "LIEBESLEBEN" trotzdem für gut. Wenn damit die sexuelle Aufklärung mehr im ländlichen Raum ankomme, wäre das ein großer Pluspunkt. Dort gebe es bisher zu wenig Angebote für Jugendliche. Wichtig sei aber, dass die Jugendlichen in dem Projekt viel selbst erarbeiten könnten und nicht Erkenntnisse vorgesetzt bekämen.
Jugendliche werden durch Pornodarstellungen in Medien beeinflusst
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz (GEW) ist der Meinung, dass Sexualerziehung in der Bildung in den letzten Jahren vernachlässigt wurde. Jugendliche stünden mit den Problemen, die durch fragwürdige Rollenbilder und Umgang mit Sexualität im Internet aufkämen, ziemlich allein da, sagt der Vorsitzende Klaus-Peter Hammer. "Männliche Jugendliche sind zum Beispiel von dieser Pornodarstellung, dass Männer die Sexmaschinen sind, schockiert und glauben gleichzeitig, diese Erwartungen erfüllen zu müssen."
Hammer ist froh über das Angebot der Bundeszentrale. Es mache es Schulen leichter, sagt er, Sexualität sensibel und fachkundig zu thematisieren. Aber eigentlich, so seine Meinung, müsste das Thema viel öfter und fächerübergreifend im Schulunterricht behandelt werden.
Sexualität muss fächerübergreifend und öfter thematisiert werden
Dieser Meinung ist auch Eva Löffler, Biologie- und Sportlehrerin für die 5. bis 10. Klasse an der Realschule Plus in Neumagen-Dhron. Im aktuellen Lehrplan ist Sexualkunde hauptsächlich im Biologie-Unterricht angesiedelt und wird daher vor allem unter naturwissenschaftlichen Aspekten behandelt. Löffler und Hammer plädieren beide dafür, dass Sexualität fächerübegreifend behandelt wird. Im Deutschunterricht könnte die Darstellung von Sexualität in den Medien ein Thema sein, während gleichzeitig in Biologie oder Religion entsprechend andere Aspekte in den Vordergrund treten.
Jugendliche sprechen lieber mit Gleichaltrigen über Sexualität
Eva Löffler hat Schülerinnen und Schüler an ihrer Schule gefragt, an wen sie sich wenden, wenn sie etwas über Sexualität wissen wollen. "Vor allem Fragen zu sexuellen Identität beschäftigen die Jugendlichen sehr", sagt sie. "Wir würden einen Freund oder eine Freundin fragen", hätten alle einhellig erklärt. Ziel von Sexual-Aufklärungsangeboten müsse deshalb sein, die Jugendlichen zu informieren und gleichzeitig miteinander ins Gespräch zu bringen.
"Denn die Freunde haben dann auch das Rüstzeug, Fragen zu beantworten und bei Problemen zu unterstützen", so Löffler. Genau so sieht es auch der Sexualpädagoge Antero Graser von pro familia. "Im besten Fall bestimmen die Jugendlichen selbst, worüber sie mehr erfahren wollen, und handeln gemeinsam aus, wie wertschätzend und vertrauensvoll darüber gesprochen werden kann."