Früher erkennen und behandeln

Neue Therapieansätze bei chronischen Schmerzen

Stand
Autor/in
Stephan Ebmeyer
Susanne Weber
Bild von Susanne Weber, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz

Migräne, Nervenschmerzen, Endometriose bei Frauen und der Klassiker Rückenschmerzen - fast ein Viertel aller Menschen in Rheinland-Pfalz und bundesweit sind von Schmerzen betroffen.

Schmerzen können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Allen gemeinsam ist allerdings, dass sie die Betroffenen in ihrem Alltag und ihrer Lebensqualität erheblich einschränken. Viele haben eine jahrelange Odyssee bei Ärzten hinter sich, bis ihnen geholfen werden kann. Und oft ist der Schmerz dann schon chronisch geworden. Auch deshalb, weil viele lange versuchen, die Schmerzen zu ignorieren, um im Alltag weiterhin zu funktionieren.

So ging es auch Michael Schoppe. Anfang 40, verheiratet, beruflich als Controller sehr eingespannt. Seit zehn Jahren hat er Schmerzen, es habe angefangen, wie bei vielen, erzählt er, mit eher unspezifischen Rückenproblemen. Dann ging es weiter - Lendenwirbel, Brustwirbel, Hüftprobleme, Knieprobleme: "Es ist immer wieder was hinzugekommen". Die Beschwerden seien eher schleichend schlimmer geworden, sagt Schoppe, teils habe er auch versucht, sie zu irgnorieren.

Da ist man Anfang 30, hat angefangen zu arbeiten und möchte auch noch Vollgas geben. Und macht das dann auch - und geht über den Schmerz quasi hinweg.

Vor zwei Jahren dann ein Bandscheibenvorfall. Kurz vorher habe er noch im Garten gearbeitet und gedacht: "Ok, wird schon nicht so schlimm sein. Aber dann hat es Knall gemacht - und von heute auf morgen ging gar nichts. Also ein Schmerz, den möchte ich nicht nochmal haben."

DRK Schmerzzentrum Mainz
Schmerzpatient Michael Schoppe im DRK-Schmerzzentrum Mainz

Schmerz schränkt den Alltag ein

In seinem Alltag ist Michael Schoppe immer mehr eingeschränkt: Er kann seine Kinder nicht mehr hochnehmen. Auch die Familie leidet unter der Situation. Nachdem er jahrelang bei vielen verschiedenen Ärzten war, macht er nun auf Empfehlung seines Hausarztes im DRK-Schmerzzentrum in Mainz eine Therapie, vier Wochen in der Tagesklinik. Der Vorteil dort, so sagt er: Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachbereiche, Orthopäden, Neurologen, Physiotherapeuten und Psychotherapeuten, tauschen sich untereinander über die Patienten aus und stimmen die Therapien ab.

Chronische Schmerzen - interdisziplinäre Therapie

Ins Schmerzzentrum kommen, so der Ärztliche Direktor Hans-Raimund Casser, Menschen vor allem aus zwei Gründen: Wenn die Ursache für die Schmerzen unklar oder wenn der Schmerz bereits chronisch geworden ist.

Der Schmerz kommt immer daher, wo es wehtut - das kann falsch sein.

Ein Schmerz, der längere Zeit andauert, so Casser, "chronifiziert" und sei dadurch immer schwerer zu beeinflussen. Das Schmerzsystem werde sensibler, der unterdrückte Schmerz komme andauernd zurück. "Da nistet sich ein Schmerzerlebnis im Gehirn ein."

Chronischer Schmerz verändert

"Wenn man zum Beispiel einen Bruch hat, dann ist der nach zwei oder drei Monaten eigentlich abgeheilt. Die Schmerzen lassen nach. Wenn das nicht der Fall ist, wenn der Schmerz sich ausbreitet, wenn emotionale Faktoren für den Patienten dazukommen, dafür muss man nicht psychisch krank sein. Es ist klar, wer monatelang Schmerzen hat, verändert sich auch, bekommt Angst, wird nervös."

DRK-Schmerzzentrum Mainz
Hans-Raimund Casser, Ärztlicher Direktor im Schmerzzentrum Mainz, im Gespräch mit Patient Michael Schoppe

Und dann, so Casser, ist es höchste Zeit für eine interdisziplinäre Schmerztherapie. Auf diese Dinge sei man in der Mainzer Klinik spezialisiert. Und dieses Prinzip will der Ärztliche Direktor noch weiter ausbauen: In einer aktuellen Studie untersucht er gerade, ob es besser ist, wenn die Menschen früher ins Schmerzzentrum kommen. In Zukunft soll das öfter möglich sein.

Schmerzpatienten früher behandeln

Zwar ist die Studie noch nicht endgültig ausgewertet. Aber eins könne man auf jeden Fall sagen: "Es geht. Wenn die Patienten frühzeitig kommen, haben wir schneller die Möglichkeit, einzugreifen."

Bei dem Forschungsprojekt sei, so Casser, eine große Krankenkasse mit im Boot, die das unterstütze, beispielsweise ihre Versicherten auch auf die Möglichkeit einer interdisziplinären Therapie verweist.

"Hoffentlich im Schmerzlevel runter"

Auch Michael Schoppe hätte eine frühere Behandlung im Schmerzzentrum wahrscheinlich besser geholfen. Jetzt will er aber erstmal die Therapie in seinen Alltag integrieren und dadurch hoffentlich etwas weniger Schmerzen haben.

"Man sollte nicht erwarten, dass man mit einem Schmerzlevel null hier rausgeht", sagt Schoppe. Aber es gehe darum, für sich einen Rhythmus zu finden, seine Übungen zu machen und Freiräume zu schaffen. "Ich hoffe, dass ich den Schwung mitnehme, auch in der Konstitution, durch Behandlung und Training und hoffentlich im Schmerzlevel runtergehe."

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