Lieferengpässe bei Medikamenten, wachsende Bürokratie, Nachwuchssorgen: Apotheker klagen über zunehmende Belastungen. Deshalb legten sie ihre Arbeit am Mittwoch nieder.
"Apotheke heute geschlossen!" - Das war am Mittwoch vielerorts in Rheinland-Pfalz zu lesen. Denn am bundesweiten Protesttag wollten viele Apothekerinnen und Apotheker ein Zeichen setzen, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Petra Engel-Djabarian vom Apothekerverband Rheinland-Pfalz spricht von einer Beteiligung von 90 Prozent der Apotheken.
"Gegen Zukunftsklau": Protest und Forderungen
"So kann und darf es nicht weitergehen!", betont der Apothekerverband Rheinland-Pfalz und beteiligt sich an der bundesweiten Initiative "Gegen Zukunftsklau" der Bundesvereinigung Deutscher Apotheken (ABDA). Das Ziel: Die Perspektive des pharmazeutischen Nachwuchses verbessern.
Dafür gibt es von Seiten der Apothekerinnen und Apotheker viele Ideen und Forderungen für die Zukunft:
- Mehr Flexibilität und Entscheidungskompetenzen für Apotheken vor Ort, etwa bei Lieferproblemen: Eine während der Pandemie erlassene Verordnung ermöglicht es Apothekerinnen und Apothekern derzeit, beim Einlösen eines Rezepts ein vorrätiges Ersatzmedikament abzugeben. Diese flexible Regelung müsse erhalten werden, fordert der ABDA.
- Mehr Geld, etwa für den Mehraufwand bei der Bewältigung von Lieferengpässen. Außerdem fordern sie, dass der Festzuschlag für verschreibungspflichtige Medikamente erhöht wird.
- Dazu soll die Bürokratie abgebaut werden, die zusätzlichen zeitlichen Aufwand für die Mitarbeitenden bedeutet.
Reaktionen: Krankenkassen halten die Forderungen für überzogen
Der Bundesrat hatte sich zuletzt hinter die Apotheken gestellt, Krankenkassen halten die Forderungen für überzogen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erklärte etwa, die Vergütung der Apotheken steige unaufhörlich Jahr für Jahr - nämlich aufgrund immer höherer Preise für die einzelnen Arzneimittel.
Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen hatte die Apotheker für ihren bundesweiten Protesttag kritisiert. "Wir brauchen Apotheken als Vertrauensorte, als Ansprechpartner für gesundheitliche Fragen vor Ort. Ich verstehe die Sorgen vieler Apotheker, aber Streik ist wirklich die falsche Medizin", sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Auf der anderen Seite stärkte Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha den streikenden Apotheken den Rücken und fordert ein besseres Angebot des Bundes. "Ich habe Verständnis für die Forderungen der Apothekerinnen und Apotheker und habe diese ebenfalls bereits an den Bund herangetragen", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart.
Trierer Apotheke beteiligt sich am Protesttag
Auch die älteste Apotheke Deutschlands, die Löwen-Apotheke in Trier, blieb am Mittwoch geschlossen. Eröffnet wurde sie im Jahr 1241. Luzie Schmiz-Rölz führt die Apotheke am Hauptmarkt gemeinsam mit ihrem Mann - und kämpft derzeit vor allem mit fehlenden Medikamenten.
"Wir müssen zeigen, dass wir öffentlichen Apotheken wichtig sind, dass wir gebraucht werden", sagt die Inhaberin. Auch wenn man damit dem unschuldigen Kunden wehtue und auch wenn die Kosten weiterlaufen. Sie schätzt daher auch: "Es wird wohl nicht bei einem Protesttag bleiben."
Mehraufwand für Apotheken durch Lieferengpässe bei Medikamenten
"Wir suchen gefühlt bei jedem zweiten Kunden Alternativen, weil die Arzneimittel nicht lieferbar sind, die uns die Kassen vorschreiben", berichtet Schmiz-Rölz. Etwa 500 ihrer Lagerartikel seien aktuell nicht lieferbar. "Morgens um 5 Uhr, abends um 23 Uhr, schaue ich, ob ein Großhandel was hat und schlage zu."
Auch müsse man häufig kreativ werden: kleinere Verpackungsgrößen, die nächsthöhere Stärke, ein anderer Wirkstoff. Damit verbunden: ein viel größerer Aufwand, der nicht extra honoriert wird. Den Kundinnen und Kunden müsse mehr erklärt, teilweise auch mit dem Arzt Rücksprache gehalten oder andere Apotheken nach Medikamenten abtelefoniert werden. Teilweise schicke sie Mitarbeitende selbst nochmal zu Ärzten, um passende Rezepte zu besorgen.
Finanzieller Druck auf Apotheken steigt
Gleichzeitig ist die finanzielle Lage der Apotheken schwierig, heißt es vom Apothekerverband Rheinland-Pfalz: Kosten steigen, Honorare würden aber stagnieren. Der Festzuschlag für verschreibungspflichtige Medikamente sei etwa seit zehn Jahren nicht angehoben worden. Der Abschlag, den Krankenkassen dafür bekommen, wurde durch ein neues Gesetz unlängst erhöht.
Bei den Personalkosten legten die Apotheken schon drauf, bestätigt auch die Trierer Apothekerin Luzie Schmiz-Rölz. Apotheken rechneten sich nicht mehr, seien nicht mehr wettbewerbsfähig. Die Folge: Öffnungszeiten müssten verkürzt oder Apotheken ganz geschlossen werden.
Apotheken-Sterben in Rheinland-Pfalz
Das zeigt sich auch in Rheinland-Pfalz: Immer mehr Apotheken schließen. Nach Daten des Apothekerverbandes ist die Zahl in den vergangenen zehn Jahren von 1.084 Apotheken auf 889 Apotheken Ende 2022 gesunken. Aktuell seien nur noch 871 Apotheken in Rheinland-Pfalz geöffnet. Ein Problem vor allem auf dem Land: "Wir haben ländliche Bereiche, die sehr dünn besetzt sind. Die Versorgung ist damit nicht zu gewährleisten", sagt Petra Engel-Djabarian, selbst Apothekerin und Sprecherin des Verbandes.
Notdienste müssten auf die verbleibenden Apothekerinnen und Apotheker verteilt werden, "die sowieso schon belastet sind mit ihren Nachtdiensten." Das Apotheken-Sterben werde sich in den nächsten Jahren zudem weiter beschleunigen, prognostiziert der Verband. Gut ein Drittel der Apothekeninhaber in Rheinland-Pfalz sei älter als 60 Jahre. Und: Nachwuchs gibt es kaum.
Nachwuchs erfolglos gesucht, auch bei Apotheken in Trier
"Die jungen Leute sehen die Nöte der Apotheken," sagt Schmiz-Rölz. Die Apotheken seien kein attraktiver Arbeitgeber mehr. Auch sie bekomme gerade eine Stelle für eine Pharmazeutisch-Technische Assistentin nicht besetzt. "In Trier suchen mindestens zehn Apotheken, gleich mehrere Stellen sind ausgeschrieben, das Personal fehlt."
Das Personal werde vielmehr "weggekauft", so ihre Beobachtung. In der Pharma-Industrie etwa erwarten Studierende oft eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitszeiten als in den Apotheken. Eine neue Apotheke eröffnen? "Dieses Risiko geht heute keiner mehr ein."
Am Image arbeiten: Mehr Heilberuf, weniger Bürokratie
Ein weiteres Problem: Die eigentliche Aufgabe eines Apothekers rücke in den Hintergrund, findet Schmiz-Rölz, mit der man junge Menschen für den Beruf begeistern könne. Man sei zunehmend mit Bürokratie beschäftigt, es bleibe kaum Zeit für die heilberufliche Leistung, wie etwa Medikationsanalysen. "Das macht sehr viel Spaß, das möchten wir machen", so die Apothekerin.
Sie sehe es auch in ihrer Verantwortung als Inhaberin der ältesten Apotheke Deutschlands, am Image des Apothekerberufes etwas zu verändern. Man müsse zwar auch kaufmännisch begabt sein, es gehe aber um viel mehr: "Wir möchten als Heilberufler gesehen werden und nicht Tag und Nacht diesen Versorgungsmangel verwalten."