In Koblenz ist der Prozess gegen fünf mutmaßliche Terroristen aus der "Reichsbürger"-Szene gestartet. Sie hatten unter anderem die Entführung des Gesundheitsministers geplant.
Der Generalbundesanwalt wirft den vier Männern und einer Frau vor, sich spätestens im Januar 2022 zu einer Gruppe zusammengeschlossen zu haben, mit dem Ziel, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen. Dabei hätten sie Gewalt und auch mögliche Todesopfer in Kauf genommen.
Hohe Sicherheitsauflagen für "Reichsbürger"-Prozess
Der Prozessbeginn in Koblenz fand am Mittwoch unter strengen Sicherheitsauflagen statt. Die Angeklagten wurden in Handschellen hereingeführt. Sie nahmen die Anklageverlesung äußerlich überwiegend regungslos hin. Bis auf einen Angeklagten haben alle angekündigt, dass sie oder ihre Verteidiger sich im Laufe des Prozesses zu den Anschuldigungen äußern wollen. Einer der Anwälte erklärte, er rechne mit einem Freispruch seines Mandanten.
Im Anschluss an die erste Verhandlung erklärte einer der Verteidiger in einem Fernsehinterview, dass sein Mandant Teile der Vorwürfe während der Ermittlungen eingeräumt habe. Der Mann habe jedoch niemanden töten wollen, sondern einen "unblutigen Regierungswechsel" herbeiführen wollen. Er sehe sich auch nicht als "Reichsbürger".
Auch frühere Lehrerin aus RLP unter Angeklagten
Einer der Angeklagten stammt aus Neustadt an der Weinstraße. Bei der angeklagten Frau handelt es sich um Elisabeth R., eine pensionierte Gymnasiallehrerin, die früher evangelische Religion in Mainz unterrichtet und zuletzt in Sachsen gelebt hat. Die 75-Jährige soll der ideologische Kopf der Truppe gewesen sein. In einer Chatgruppe mit dem Namen "Vereinte Patrioten" sollen sich die Angeklagten kennengelernt haben. An dem Chat selbst haben deutschlandweit viele Dutzend Menschen teilgenommen.
Der Ideologie der Angeklagten zufolge existiert das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Daher müsse wieder ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs etabliert werden. Damit teilen sie das Gedankengut der Reichsbürger-Gruppe rund um Prinz Reuß.
"Blackout", Lauterbach-Entführung, Staatsstreich
Die unabhängig von der Reuß-Gruppe agierende Gruppierung soll einen dreistufigen Aktionsplan entworfen haben, um ihr Ziel zu verwirklichen. Zunächst sollte durch die Beschädigung oder Zerstörung wichtiger Einrichtungen zur Stromversorgung ein länger andauernder bundesweiter Stromausfall - ein sogenannter Blackout - verursacht werden.
Dann sollte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gewaltsam entführt werden - gegebenenfalls auch seine Personenschützer getötet werden. Nach der Vorstellung der Angeklagten resultierten daraus bürgerkriegsähnliche Zustände. Diese sollten es der Vereinigung schließlich ermöglichen, in Berlin öffentlichkeitswirksam eine "konstituierende Versammlung" anzuberaumen. Diese würde die bisherige Regierung offiziell absetzen und eine neue "Führungsperson" bestimmen.
Zur Realisierung ihrer Umsturzpläne sollen Mitglieder der Gruppe unter anderem in verschiedenen Telegram-Chatgruppen nach Unterstützung gesucht haben, so die Anklage. Darunter auch die Gruppe, die sich "Vereinte Patrioten" nennt. Etwa ein halbes Jahr lang wurden die Aktivitäten der Verdächtigen von Ermittlern beobachtet und Chats mitgelesen.
Verdächtige im vergangenen Jahr gefasst
Als einer der Männer im April 2022 dann im rheinland-pfälzischen Neustadt an der Weinstraße Waffen von einem verdeckten Ermittler kaufen wollte, schlugen die Polizisten zu. Im Rahmen einer deutschlandweit koordinierten Aktion kam es im Anschluss zu Durchsuchungen und drei weiteren Festnahmen. Elisabeth R. wurde schließlich im Oktober 2022 festgenommen. Sie und die vier Männer im Alter zwischen 44 und 56 Jahren befinden sich in Untersuchungshaft.
Konkret wird ihnen vorgeworfen, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben oder darin Mitglied gewesen zu sein. Sie werden der Vorbereitung eines "hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund" verdächtigt.
Für den Prozess wurde eine ganze Reihe an Terminen festgesetzt. Der nächste Termin ist für den kommenden Mittwoch, 24. Mai, geplant. Ein Urteil könnte Anfang 2024 fallen.