Vor zwei Monaten wurde Israel von der islamistischen Terrororganisation Hamas überfallen. Der Nahostkonflikt ist in den Klassenzimmern in Rheinland-Pfalz ein Gesprächsthema, das viele überfordert.
Haluk Yumurtaci, Lehrer an der Berufsbildenden Schule in Germersheim, sieht eine Überforderung bei seinen Kolleginnen und Kollegen, mit der Emotionalität des Nahost-Konflikts umzugehen. Er erzählt, dass Lehrkräfte wie er etwa im Sozialkundeunterricht den Nahostkonflikt thematisieren möchten, aber oft nicht wissen, wie sie das emotionale Thema handhaben sollen. Lehrerinnen und Lehrer hätten bei solch aktuellen Thematiken kaum Ansprechpartner.
Tipps für Lehrer zum Umgang mit dem Nahostkonflikt stark nachgefragt
Deswegen hat der 38-Jährige mit einer Kollegin eine Handreichung zum Krieg im Nahen Osten erstellt. Die Resonanz sei überwältigend gewesen, man habe sie inzwischen mehr als 800-mal wegen des Materials angefragt. Mit dem Verkauf nahmen sie 4.000 Euro ein, die sie gespendet haben. Seine Hauptmotivation: Nicht nur die historischen Aspekte und Fakten abbilden, sondern die Kinder auch emotional ansprechen:
Außerdem möchte er seine Schüler zur Eigenrecherche in seriösen Medien animieren.
Israel und Palästina: Gespräche in der Schule treffen auf Fake News auf Social Media
Das Feedback seiner Schüler ist durchweg positiv. Sie sind ihm dankbar, dass er mit ihnen über die Thematik "schülergerecht" spricht. Vor allem seinen Schüler Mohamed belastet der Krieg im Nahen Osten. Er ist 2018 aus Syrien nach Deutschland geflohen.
Mohamed lobt seinen Lehrer. Dieser gehe auf die persönlichen Empfindungen der Schüler ein und beleuchte beide Seiten - die israelische und die palästinensische - ausgewogen.
Zerstörte Häuser, verzweifelte Familien, Menschen auf der Flucht - im Internet, bei Social Media, finden die Jugendlichen zwar auch viele Berichte über den Krieg, aber das sei problematisch, meint der 38-jährige Lehrer. Die Schülerinnen und Schüler seien sich oft nicht bewusst, wenn sie Fake News abriefen.
Zu wenige Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte
Am 8. Dezember ist der Tag der Bildung. Haluk Yumurtaci's Wunsch: Ein buntes und diverseres Team aus Lehrkräften, um das Bild der Gesellschaft im Klassenzimmer abzubilden. Er beschreibt, dass in vielen Schulen Klassen mit Kindern wären, die bis zu 70 Prozent eine Migrationsgeschichte hätten: "Viele Schüler:innen finden dadurch nicht den Zugang zu Schule oder sehen kaum eine Identifikation oder Inspiration, den Beruf später ausüben zu wollen."
Außerdem prangert er an, dass es im Schulsystem diskriminierende Strukturen gebe. Immer wieder zeigten Studien, dass identische Klassenarbeiten in Deutsch und Mathematik, mit denselben Fehlern, anders gewichtet und benotet werden würden.
Deswegen hat Yumurtaci einen Anti-Rassismus-Ratgeber für Lehrkräfte entwickelt, um Diskriminierung vorzubeugen. Er habe selbst in seiner Schulzeit unter Hänseleien gelitten. "Antirassistische Bildung" sei kein Teil des Studiums oder des Referendariats.
Auch Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz beschäftigt der Nahostkonflikt
Auch das Land Rheinland-Pfalz stellt Lehrkräften Informations- und Unterstützungsmaterial zum Nahostkonflikt bereit. Auf SWR-Anfrage teilte ein Sprecher des Bildungsministeriums Rheinland-Pfalz mit, dass deutlich erkennbar sei, dass die Thematik die Lehrkräfte beschäftige und es eine rege Nachfrage nach Informationen zum Nahostkonflikt gebe.
Haluk Yumurtaci und seine Kollegin haben ihr Material trotzdem selbst erstellt. Er meint, er hätte sich bei der Thematik ohnehin einlesen müssen und es sei ihm wichtig gewesen, die Sorgen der Schülerinnen und Schüler mit aufzunehmen.
Die Handreichung zum Krieg im Nahen Osten hat der Lehrer bereits überarbeitet, um immer die aktuelle Nachrichtenlage abzubilden, wie zum Beispiel der Austausch der Geiseln. Er merkt an: "Die Arbeit, die Lehrkräfte tagtäglich vollbringen, ist mehr als basteln und reden."