Natascha ist vor einem Jahr aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, ihr Mann Alexej blieb in Charkiw. Jetzt wollen sie "gemeinsam" den Mainzer Gutenberg-Marathon laufen.
Im März 2022 ist Natascha Kormilets in Deutschland angekommen. Nur wenige Tage nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine war die 45-Jährige geflohen - aus ihrer Heimatstadt Charkiw, die im Osten des Landes nur 20 Kilometer von Russland entfernt liegt. Das Haus von Nataschas Mutter war zerbombt worden, mit ihr lebt sie jetzt in Wiesbaden.
Seit einem Jahr getrennte Leben in Deutschland und der Ukraine
In den vergangenen Monaten hat Natascha Deutsch gelernt und Freunde gefunden. Trotzdem ist für sie völlig klar: Wenn der Krieg morgen zu Ende wäre, würde sie sofort nach Hause zurückkehren.
Denn dort lebt ihr geliebter Mann Alexej. Seit einem Jahr hat sie ihn nur ab und zu mal für wenige Tage gesehen hat. Dann haben sie sich im Westen der Ukraine nahe der polnischen Grenze für kurze Besuche getroffen.
Eines hilft Natascha in ihrer Trauer über den Krieg und die Trennung von ihrem Mann: der Sport. Schon vor ihrer Flucht ist sie viel gelaufen, war schwimmen und im Sportstudio. Doch jetzt bestimmen diese Aktivitäten ihren kompletten Tagesablauf.
Erster Halbmarathon für Natascha in Mainz
"Sport macht mir Spaß und er ist eine gute Ablenkung", sagt die Ukrainerin. So muss sie nicht dauernd über ihre Situation und den Krieg in ihrer Heimat nachgrübeln.
Jetzt hat Natascha sich ein neues Ziel gesetzt: Zum ersten Mal in ihrem Leben will sie einen Halbmarathon laufen, beim Gutenberg-Marathon in Mainz. "Das ist für mich eine große Herausforderung, eine Art Challenge. Ich will mich und meinen Körper testen." Und sie verbindet das Ganze auch noch mit einem guten Zweck und läuft den Halbmarathon als Spendenlauf für die SWR-Herzenssache.
Auch für Nataschas Mann Alexej im fernen Charkiw ist Sport die perfekte Möglichkeit, um den Kopf freizubekommen. Er betreut mehrere Supermärkte in der Großstadt und sorgt dafür, dass überall genügend Lebensmittel vorhanden sind. Seit einem Jahr, seit der Krieg begonnen hat, lebt er zwischen Bombenalarm und Stromausfall. Auch er sucht die Ablenkung.
Im Wald kann der 48-Jährige zurzeit nicht laufen, dort ist es zu gefährlich. Stattdessen joggt er im Gorki-Park in Charkiw, der nach einigen Bombenschäden wieder instand gesetzt wurde. Jeden Tag am frühen Morgen läuft Alexej hier 10 Kilometer.
Als Alexej von Nataschas Anmeldung beim Mainzer Gutenberg-Marathon hörte, hatte er dann die Idee für den gemeinsamen Lauf.
Gemeinsamer Lauf trotz 1.300 Kilometer Distanz
Zeitgleich wollen die beiden starten, sie läuft 21 Kilometer durch die Mainzer Innenstadt und er die gleiche Strecke durch den Park in Charkiw. So können sich die beiden einander etwas näher fühlen - trotz der 1.300 Kilometer, die sie voneinander trennen.
Natascha ist sicher, dass sie mit Alexejs Unterstützung ihren ersten Halbmarathon schaffen wird. Und auch, wenn sie ihn natürlich weiterhin schrecklich vermissen wird, sagt sie: "Ich hoffe einfach, dass wir das bald wieder zusammen machen werden. Lieber positiv denken!"