Überall in RLP gibt es derzeit Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Aber wie behandeln Familien zuhause eigentlich die NS-Zeit? Ein Forschungsprojekt des Landtags will das herausfinden.
Die Ergebnisse werden auf einer Wanderausstellung im Sommer gezeigt: Eine im Weinberg vor den Nazis versteckte Heckenschere und ein Löffel, ein Schachbrett aus dem KZ Buchenwald sowie viele Fotos und Zeichnungen: Solche Familien-Erinnerungen sollen in einer für den Sommer geplanten Wanderausstellung zu sehen sein.
Projekt vor einem Jahr angestoßen
Die Gegenstände und Fotos der Ausstellung stammen von zehn in dem Forschungsprojekt ausführlich interviewten Familien. Diese hatten zur Hälfte einen einheimischen und zur anderen Hälfte einen migrantischen oder jüdischen Hintergrund. Im Mittelpunkt der nicht repräsentativen 30 Interviews stand die Frage nach dem Umgang der Familien mit der NS-Zeit. Trotz der "unfassbaren Unterschiedlichkeit" sieht Forscher Peter-Erwin Jansen von der Hochschule Koblenz einige Gemeinsamkeiten.
Die Ausstellungspläne sind ein Ergebnis des vom rheinland-pfälzischen Landtag vor rund einem Jahr angestoßenen Projekts zur "Bürgerwissenschaftlichen Erforschung der Familiengeschichte von Einheimischen und Migrant:innen und ihr Verhältnis zur NS-Geschichte". Bei dieser Wissenschaftsrichtung werde versucht, den Bürgern Wissenschaft näher zu bringen, indem sie einbezogen würden, sagte Projektleiterin Inka Engel von der Universität Koblenz am Dienstag in Mainz.
Besondere Sensibilität gegenüber Antisemitismus und Rassismus bei junger Generation
Demnach stoße meist die Enkelgeneration das Thema Holocaust in den Gesprächen mit der Familie an. Und: "Die Familien kennen kaum lebende Juden und Jüdinnen." Das Gros der von Sommer bis November 2023 Befragten aller Generationen sei zudem der Auffassung gewesen, dass sich in Deutschland eine starke Tendenz zur Etablierung rechter und antisemitischer Positionen entwickle. Besonders häufig sei dabei die AfD erwähnt worden. Jansen hat auch eine besondere Sensibilität der jüngeren Generation gegenüber Antisemitismus und Rassismus ausgemacht.
Mehr als 466 Menschen befragt
Den ausführlichen Interviews ging eine repräsentative Online-Befragung von 466 Rheinland-Pfälzern voraus. Mehr als die Hälfte der Befragten habe dabei angegeben, selten oder nie über das Thema Holocaust zu Hause zu sprechen, sagte Projektleiterin Inka Engel von der Universität Koblenz. Bei jüngeren Menschen (ab Jahrgang 1987) gebe es ein geringeres Bewusstsein über die Bedeutung des Holocausts für die Zukunft.
Das Forschungsprojekt, das von der Touro University Berlin unterstützt wurde, war vor rund einem Jahr vom Landtag in Auftrag gegeben worden. Bis zum Sommer sollen Handlungsempfehlungen und die Wanderausstellung konzipiert werden. Die Hunderttausend Motivierten, die derzeit gegen Rechtsextremismus auf die Straßen gingen, bräuchten "sehr schnell" Handlungsempfehlungen, das in den Alltag zu integrieren, sagte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD).
Bemühungen, die Erinnerungskultur in den Alltag zu integrieren, sollten dabei helfen, die Auseinandersetzung zwischen den Generationen zu fördern, so lange es noch Zeitzeugen gebe, sagte Engel. Wichtig sei es nach ihrer Auffassung auch, Begegnungen zu schaffen auch mit Menschen mit jüdischem Hintergrund. "Die Erinnerungskultur beschäftigt sich mehr mit den toten Juden als mit den Lebenden. Das ist sehr bedauerlich", ergänzte Jansen. "Mehr Empathie statt wissenschaftlicher Historisierung" und die "typisch deutsche Erinnerungskultur für andere Perspektiven öffnen", seien andere Handlungsempfehlungen, sagte Engel.