Biotechnologie-Hub in Mainz - aber keine Mitarbeiter?

Die neue Generation Fachkräfte: Weniger Work, mehr Life

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Autor/in
Gesa Walch
Bild von Gesa Walch, Studio Mainz

Der Corona-Gewinner BioNTech zieht in Mainz viele Unternehmen an. Die Stadt plant sogar einen neuen Biotech-Hub. Aber wer soll dort arbeiten? Es gibt kaum Fachkräfte. Und die, die da sind, haben Ansprüche.

In den letzten beiden Jahren haben sich die offenen Stellen beim Mainzer Spezialglashersteller Schott verdoppelt. Das sagt Nina Moyer, Chefin der Personalabteilung. "Seit Jahren reden wir über den demografischen Wandel, aber jetzt schlägt er zu Buche", so Moyer.

"Mit den sogenannten Babyboomern verlässt eine Generation den Arbeitsmarkt, für die Schichtarbeit noch okay war."

Und es käme eine Generation, die eine höhere "Work-Life-Balance" fordere. Mehr Flexibilität. Kinderbetreuung. Und mehr Geld.

Arbeitsagentur Mainz: Ganze Generation auf dem Absprung

Eine Sprecherin der Mainzer Arbeitsagentur bestätigt, dass die Zahl der Fachkräfte in Berufen der Biotechnologie weiter zurück gehe. Zudem sei in den naturwissenschaftlichen Berufen der Anteil der über 60-Jährigen zuletzt überproportional angestiegen - eine ganze Generation auf dem Absprung. Besonders Laborberufe, die Softwareentwicklung und die Hochschullehre und -forschung seien davon betroffen.

Eine Mitarbeiterin der Schott AG arbeitet in der Abteilung "Lighting and Imaging" des Glas-Technologiekonzerns Schott AG an einer Maschine, die einzelne Glasfasern zu einem Rohfaserbündel zusammenfasst.
Eine Mitarbeiterin der Schott AG arbeitet in der Abteilung "Lighting and Imaging" des Mainzer Glas-Technologiekonzerns Schott an einer Maschine, die einzelne Glasfasern zu einem Rohfaserbündel zusammenfasst.

Schott in Mainz will Schichtarbeit attraktiver gestalten

"In der Produktion tut uns der Fachkräftemangel am meisten weh", so Nina Moyer. Der Pool an möglichen Mitarbeitern rund um Mainz sei klein - und um sie werde gestritten. Deswegen arbeite Schott daran, Schichtarbeit attraktiver zu gestalten. Eine höhere Vergütung und Wahlarbeitszeiten seien da Stichwörter.

Und es müssten neue Zielgruppen erschlossen werden. "Bei uns in der Produktion muss man manchmal mehr als 20 Kilogramm heben können", erzählt Moyer. "Wir müssen überlegen, wie man Prozesse so umgestalten kann, dass zum Beispiel auch Frauen den Job machen können."

Über 100 offene Stellen bei BioNTech in Mainz

Selbst der Mainzer Pharmaentwickler BioNTech, der zuletzt durch seine Corona-Impfstoffe weltweit ein Big Player geworden ist, sucht Fachkräfte. Auf der Internetseite sind allein für Mainz rund 100 Jobangebote eingestellt. Aber BioNTech versucht neue Mitarbeiter auch mit Angeboten zu locken: Fahrräder, Fitnesskurse, flexible Arbeitszeitmodelle. Bei der betriebseigenen Kinderbetreuung heißt es jedoch im Kleingedruckten, dass zurzeit nur vereinzelt Optionen zur Verfügung stünden.

Kleine Biotech-Unternehmen haben kaum Chancen

Trotzdem, solche Angebote machen Arbeitgeber attraktiv - und graben den kleinen Biotech-Unternehmen bei der Mitarbeitersuche das Wasser ab. "BioNTech wirbt viele potentielle Mitarbeiter ab", sagt Martin Schatzl, Geschäftsführer von Galantos Genetics. Ein Speziallabor für genetische Tests mit 10 Mitarbeitern auf dem Mainzer Unicampus, 30 weitere arbeiten in den USA.

Lockmittel für Fachkräfte: Teilzeitarbeit

Auch Schatzl fällt ein Generationswechsel auf. "Früher waren die Leute froh, dass sie einen Job haben, heute wollen sie mehr geboten bekommen." Dabei seien die Gehaltsvorstellungen manchmal sehr hoch, obwohl die Bewerber nicht immer gut qualifiziert seien. Den guten Kräften könne sein kleines Unternehmen keine großen Gehälter bieten.

Schatzl versucht neue Mitarbeiter anders zu locken: "Wir bieten an, in Teilzeit zu arbeiten. Gerade für Fachkräfte, die zum Beispiel nach einer Elternzeit wieder einsteigen wollen, sind wir attraktiv."

Hochschulprofessor: Mitarbeiter selbst qualifizieren

Einen ganz anderen Weg geht Andreas Pfützner vom norwegischen Biotech-Unternehmen Lifecare. Pfützner entwickelt gemeinsam mit etwa 15 Mitarbeitern in Mainz Mikrosensoren, die in die Haut eingesetzt werden und dort den Blutzucker von Diabetikern messen können. Gleichzeitig ist er Biotechnologie-Professor an der Technischen Hochschule (TH) Bingen.

"Ich kann mir meine Mitarbeiter selber qualifizieren."

Werden seine Studenten fertig, könnte er ihnen gleich ein Jobangebot machen. Lifecare biete übertarifliche Gehälter, Homeoffice, sofern machbar, und ein internationales Arbeitsklima.

50 neue Arbeitsplätze im neuen Produktionsstandort in Mainz

An anderen Lifecare-Standorten müssten Mitarbeiter aus Indien rekrutiert werden. "Unser Unternehmen ist im Wachstum. Wir brauchen bis zu 20 Prozent mehr Leute im naturwissenschaftlichen Bereich", so Pfützner. Besonders schwierig sei es, Bioinformatiker und Biotechnologen zu bekommen. Aber auch Physiker und Mediziner seien rar.

Am Mittwoch hat Lifecare den Mietvertrag für eine Produktionsstätte unweit des geplanten Mainzer Biotech-Hubs unterzeichnet - geplant sind dort 50 neue Arbeitsplätze.

Das norwegische Medizintechnik-Unternehmen Lifecare unterzeichnet den ersten Mietvertrag für eine Produktionsstätte im geplanten Mainzer Biotech-Hub.
Das norwegische Medizintechnik-Unternehmen Lifecare unterzeichnet den ersten Mietvertrag für eine Produktionsstätte im geplanten Mainzer Biotech-Hub. Professor Andreas Pfützner (rechts): "Ich qualifiziere mir meine Mitarbeiter selber."

Norwegische Unternehmen bieten mehr Work-Life-Balance

Der Fachkräftemangel im Lifecare-Mutterland Norwegen sehe ähnlich aus wie hier. Die Fachkräfte, die auf dem Markt erscheinen, würden sofort eingestellt. "Norwegen hat einen etwas anderen Ansatz, was Work-Life-Balance angeht", so Pfützner. "Die Möglichkeiten der familiären Einbindung ins Berufsleben sind deutlich größer."

Genau das, was die nachkommende Generation Fachkräfte möchte. Größere Unternehmen wie Schott oder BioNTech versuchen dem Wunsch zu entsprechen. Aber das Problem, dass zu wenig Fachkräfte da sind, bleibt.

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