Keine freien Betten mehr in den Kinderkliniken, lange Schlangen vor den Arztpraxen: Viele Kinder leiden aktuell unter Atemwegsinfekten. Kinder- und Jugendmediziner aus Rheinhessen schlagen Alarm.
"Es ist eine Katastrophe", sagt die Arzthelferin einer Mainzer Kinderarztpraxis am Telefon. "Schrecklich", beschreibt die Assistentin einer anderen Praxis die Situation. Seit 15 Jahren arbeite sie nun beim Kinderarzt und so etwas habe sie noch nie erlebt. Ständig rufen Eltern erkrankter Kinder in der Praxis an. Und eigentlich gibt es keine freien Termine mehr.
Immer mehr Atemwegserkrankungen RS-Virus bringt Kinderstationen und Arztpraxen in RLP in Bedrängnis
In viele Kliniken in Rheinland-Pfalz werden immer mehr Kleinkinder und Säuglinge mit Atemwegsinfektionen eingeliefert. Weit verbreitet ist vor allem das RS-Virus. Krankenhäuser, aber auch Arztpraxen kommen an die Grenzen ihrer Kapazität.
Praxen sind völlig überlastet
Der Mainzer Kinderarzt Uwe Jakob behandelt im Moment etwa 80 Kinder am Tag, deutlich mehr als sonst. Neben dem normalen Tagesgeschäft mit Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen hat er es dabei vor allem mit extrem vielen, akut erkrankten Kindern zu tun. Darunter seien etliche, denen es richtig schlecht gehe, mit hohem Fieber, Lungenentzündung und Atemnot.
Häufiger Auslöser für diese Erkrankungen ist aktuell das RS-Virus. Der Erreger befällt die oberen und unteren Atemwege. Vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern kann der Infekt einen schweren Verlauf nehmen. Das macht sich gerade auch auf den Stationen der Kinderklinken bemerkbar.
Lage auf den Kinderstationen angespannt
"Die Situation ist sehr angespannt, wir sind am Rande unserer Kapazität", sagt Markus Knuf, der Chefarzt der Kinderklinik am Klinikum Worms. In Ausnahmefällen müssten auch Räume, die eigentlich nicht für die Krankenbehandlung vorgesehen sind, belegt werden.
Als Auslöser für die Infektwelle, die neben RS-Virus-Betroffenen auch viele Influenza-Fälle beinhaltet, sieht der Kinder- und Jugendmediziner die Corona-Pandemie. Wegen der Kontaktbeschränkungen fehle vielen Kindern eine "Basis-Immunität", erklärt Knuf. Da hätten die Viren jetzt leichtes Spiel.
Keine freien Betten mehr
Nach SWR-Informationen werden aus Platzmangel im Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach sogar Kinder auf Liegen im Flur behandelt. Nach Auskunft von Chefarzt Christoph von Buch von der Diakonie ist die Kinderstation derzeit voll ausgelastet. Der Anteil der Kinder, die vom RS-Virus oder auch der Influenza betroffen sind, sei im Vergleich zum Vorjahr noch gestiegen.
Wegen der hohen Zahl an RS-Virus- und Influenza-Patienten wurde in der Kinderklinik der Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden sogar eine neue Station mit zwölf zusätzlichen Betten geschaffen. Wie die Klinik mitteilt, unterstützen auch ausgebildete Pflegekräfte, die eigentlich in anderen Bereichen arbeiten, das Personal auf der Kinderklinik, um alle Patientinnen und Patienten versorgen zu können.
Kliniken helfen sich gegenseitig
Überlastete Kinderkliniken wegen RS-Virus RS-Virus: Wie Baby Frieda in Trier um sein Leben kämpfte
Wie gefährlich das RS-Virus für ein Kleinkind werden kann, hat eine Familie aus Trier erlebt. Eine Mutter erzählt von den Tagen im Krankenhaus. Derweil spitzt sich die Lage zu.
Die Kliniken in der Region unterstützen sich gegenseitig. Alle Krankenhäuser teilen mit, dass sie immer wieder Kinder aus anderen Kliniken aufnehmen, wenn dort die Kapazitäten erschöpft sind - und umgekehrt verlegen sie selbst kleine Patienten in andere Häuser, wenn es nötig ist.