Nach Jahren ohne Geld soll der Mainzer Stadtrat am Mittwoch einen Etat verabschieden, der dank der Gewerbesteuern des Impfstoffherstellers BioNTech mehr als positiv ist. Der Mainzer Finanzdezernent Günter Beck (B90/Die Grünen) erzählt im Interview, wohin die Millionen gehen sollen.
SWR Aktuell: Herr Beck, Mitte Oktober wurde der bisherige Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) Innenminister von Rheinland-Pfalz, seitdem führen Sie als Interims-OB die Amtsgeschäfte. Wie sieht Ihr Alltag in der Doppelfunktion als OB und Finanzdezernent aus?
Günter Beck: Der Alltag sieht so aus, dass man quasi morgens auf die Schiene gesetzt wird und abends irgendwann wieder von der Schiene runterkommt. Nein, Spaß beiseite. Ich habe jetzt zwei Büros, zwischen denen ich hin und her pendeln muss, weil es unterschiedliche Mitarbeiterinnen sind, die mir zuarbeiten und weil die Akten unterschiedliche Wege gehen. Also muss ich immer mal auch im OB-Büro arbeiten, allerdings sitze ich dann nicht am Schreibtisch des OB. Was ich verstärkt mache: Ich lasse das Fahrrad stehen und nehme den Dienstwagen. Da werde ich gefahren und kann in der Zeit noch ein paar Akten wegschaffen.
SWR Aktuell: Welche Themen beschäftigen Sie am meisten?
Beck: Es sind viele formale Themen, die ein Oberbürgermeister hat, der ja gleichzeitig auch Personaldezernent ist. Beispielsweise gibt es viele Routinegespräche mit allen Ämtern. Ich versuche, mit den stadtnahen Unternehmen in Kontakt zu bleiben: Ob das die ZBM ist, die MAG oder die Wohnbau. Und natürlich habe ich auch jede Menge öffentliche Termine. Ein Schwerpunkt ist momentan auch die Biotechnologie und ganz spannend in dem Zusammenhang ist, dass ich Anfang Dezember nach Brüssel fahren werde.
Wir haben an einem Wettbewerb im Bereich Biotechnologie teilgenommen und sind jetzt auf europäischer Ebene unter die ersten drei Plätze der innovativsten Städte in Europa gekommen. Ich bin sehr gespannt, welchen Platz wir machen. Wenn es der dritte ist, ist das schon gut, wenn es der erste wäre, wäre das sensationell. Wir reden immerhin über 50.000 Euro für den Dritten und 500.000 Euro für den Ersten.
SWR Aktuell: Der Stadtrat wird am Mittwoch einen historischen Doppel-Haushalt verabschieden, mit mehr als 1,3 Milliarden Euro Einnahmen - vor allem dank der Gewerbesteuer. Wo merken das die Mainzerinnen und Mainzer konkret?
Beck: An vielen Stellen. Wir haben jetzt zum Beispiel ein Darlehen aufgelegt für die Wohnbau in Höhe von 40 Millionen Euro. Dieses Darlehen nutzt die Wohnbau für Baukosten. Wenn sie das fremdfinanzieren würde, müsste sie höhere Mieten aufrufen. Und wir haben im Bereich Klimaschutz eine Vielzahl von Investitionen angeschoben.
Über die Klimaschutzstiftung beispielsweise gibt es Förderprogramme, über die Privatleute Solaranlagen bauen können und ähnliche Dinge. Wir haben viel Geld in die Infrastruktur dieser Stadt gesteckt. Das betrifft den Ausbau von Fahrradwegen, die Sanierung von Gebäuden oder auch die Aufwertung von Grünanlagen. Und wir planen für die Zukunft, indem wir viele Flächen innerhalb dieser Stadt gekauft haben, also Bodenbevorratung betreiben, um künftig in der Lage zu sein, bestimmte Projekte durchzuführen.
SWR Aktuell: Auf den ersten Blick möchte man meinen – jetzt ist alles möglich, her mit den "goldenen Wasserhähnen". Mussten Sie in den letzten Monaten häufig "Nein" sagen?
Beck: Wenn man sich die Anträge mancher Fraktionen für die nächste Stadtratssitzung anschaut - da habe ich bei dem ein oder anderen schon das Gefühl, so ganz entspricht das nicht mehr der Realität. Wir haben das mal zusammengerechnet, damit man es sich vorstellen kann. Die Ampelkoalition hat Vorschläge gemacht - alles zusammengenommen - für rund 14 Millionen Euro. Bei der CDU sind es schon 34 Millionen Euro und die Linke ist dann richtig durch die Decke geschossen mit 150 Millionen Euro.
Letztlich müssen die Fraktionen am Mittwoch wissen, wie sie damit umgehen, wenn über den Haushaltsentwurf entschieden wird. Aber gerade bei Dingen wie Streichung der Zweitwohnungssteuer oder Senkung der Grundsteuer warne ich als Finanzdezernent immer vor der Verstetigung. Das ist mit dem Feuer gespielt. Wir wissen nicht, wie sich die Gewerbesteuer in den nächsten Jahren entwickeln wird. Ich sage deshalb immer: Ihr könnt das machen, aber dann seid ihr auch diejenigen, die es in zwei Jahren vielleicht wieder zurückholen müssen.
SWR Aktuell: Der OB-Wahlkampf steht bevor, da wird viel versprochen. Und angesichts der Haushaltslage klingen jetzt manche Ideen der Kandidatinnen und Kandidaten durchaus machbar, wie etwa kostenlose Parkhäuser. Wie stehen Sie als Finanzdezernent zu solchen Ideen?
Beck: Zu den Wünschen und Äußerungen im OB-Wahlkampf werde ich nichts sagen. Ich habe eine klare Linie, was meine Finanzpolitik betrifft, und das ist eben, nicht das Geld zum Fenster rauszuwerfen.
Natürlich ist es eine reizvolle Vorstellung, wenn alles kostenlos wird: Theaterbesuch kostenlos, Parkhäuser kostenlos, Schwimmbäder kostenlos, am besten alles kostenlos. Aber das ist Wahlkampf.
SWR Aktuell: Sie durften aus Altersgründen nicht mehr als OB-Kandidat antreten. Schmerzt das noch?
Beck: Der Begriff "aus Altersgründen" tut weh, weil es ja nicht aus Altersgründen ist, sondern weil die Gemeindeordnung eine Altersgrenze hat. Man darf zum Tag der Wahl nicht älter als 65 sein. Das ist schon eine gewisse Absurdität, denn ich mache hier noch vier Jahre als Finanzdezernent weiter, aber Oberbürgermeisterkandidat darf ich nicht sein. Was für mich schön ist, ist der Zuspruch, den ich teilweise erlebe. Wenn ich auf dem Markt bin und dann als zukünftiger OB begrüßt werde. Dann muss ich erklären, warum das nicht funktioniert. Aber es ist schön, wenn man so einen Zuspruch hat. So bin ich halt als Finanzdezernent die Konstante Beck in der Kommunalpolitik.
Das Interview führte SWR-Redakteurin Ilona Hartmann.