Fünf Monate lang war Günter Beck (Bündnis 90/Die Grünen) Interims-Oberbürgermeister in Mainz. Nun endet diese Aufgabe. Im Interview erzählt er, wie er mit dem parteilosen Nino Haase zusammenarbeiten will.
SWR Aktuell: Zum zweiten Mal nach 2012 waren Sie Übergangs-OB. Hat dieses Mal etwas überrascht?
Günter Beck: Nein, im Vergleich zu vor zehn Jahren ist es in der Tat so, dass ich schon von null auf 180 agieren konnte, weil ich die Abläufe kannte und weil es auch eine zeitliche Parallelität gegeben hat. Es war auch damals das letzte Quartal des Jahres. Da weiß man, dass die Fastnacht eine Rolle spielt oder das Silvesterschwimmen. Von daher war das für mich einfach nur mehr Arbeit. Ich musste zwei Jobs füllen, aber es gab keine Überraschungsmomente in dem Sinne. Ich gebe gerne zu: Ich habe es auch genossen, dieses Amt auszufüllen.
SWR Aktuell: Sie selbst durften nicht mehr antreten, weil Sie zu alt sind. Wie sehr hat Sie das geärgert?
Beck: Ich konnte mich ja nicht dagegen wehren. Aber als ungerecht empfinde ich es schon. Das sage ich ganz deutlich. Beide Ämter - Bürgermeister und Oberbürgermeister auszufüllen - dafür ist man noch jung genug, aber antreten durfte ich nicht mehr.
Ich habe auch gehört, dass auf Landesebene darüber nachgedacht wird, dass diese Grenze so nicht mehr bestehen bleibt.
SWR Aktuell: Als OB waren Sie Wahlleiter und damit der Neutralität verpflichtet. Welche Aussagen haben Sie im Wahlkampf am meisten gestört?
Beck: Also das war die größte Herausforderung, sich auf die Zunge beißen zu müssen. Ich hatte teilweise den Eindruck, der Wahlkampf hat in einer Parallelwelt stattgefunden. Weder bei den Themen, die die Verwaltung bewegen, noch bei Aussagen über die Verwaltung selbst, habe ich die Realität wiedererkannt. Ich hatte den Eindruck, dass keiner der Kandidaten die Verwaltung kennt, wobei man bei Frau Matz davon ausgehen konnte. Das war schon eine schwierige Situation, einfach ruhig zu sein und sich jetzt nicht äußern zu können, über bestimmte Dinge, die einfach nicht gestimmt haben.
SWR Aktuell: Haben Sie ein Beispiel?
Beck: Aussagen, dass die Verwaltung sich nicht entwickeln würde. Das stimmt ja so nicht. Die Verwaltung hat in den letzten Jahren mit Corona oder der Gasmangellage und der Flüchtlingsproblematik Krisenbewältigung betrieben. Das kann nur eine Verwaltung machen, die innovativ ist und sich was einfallen lässt. Bestes Beispiel für mich, wie Verwaltung auch funktionieren kann: Wir haben den Generator im alten Rathaus ausgebaut und nach Kiew geschafft. Der versorgt jetzt das Krankenhaus in Kiew mit Strom. Das hat kaum einer mitbekommen.
SWR Aktuell: Hatten Sie schon ein längeres Gespräch mit dem neuen OB Haase?
Beck: Ich hatte gerade ein längeres Gespräch mit ihm. Das war auch schon eine längere Zeit terminiert, dass wir uns vor der Stadtratssitzung noch mal austauschen über den Ablauf am Mittwoch. Er muss ja dann tatsächlich den Sprung ins kalte Wasser machen. Und es gibt Themen und Bereiche, da muss man die Gesamtzusammenhänge darstellen, zum Beispiel bei der Rolle unserer Holdings oder den Stadtwerken. Oder was bestimmte große politische Vorhaben dieser Stadt betrifft, ob das die Rheinufer-Gestaltung ist oder die Sanierung des Rathauses. In all diese Themen muss man sich einarbeiten und da werde ich ihm entsprechende Unterstützung geben.
SWR Aktuell: Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit dem neuen OB vor?
Beck: Sachlich, konstruktiv. Wenn Mainz weiterhin eine führende Rolle spielen will, wir die Umgestaltung der Stadt wollen, dann muss das ein kooperativer Prozess sein.
Die muss man dann benennen und gegebenenfalls Kompromisse schließen. Aber es darf auf gar keinen Fall zum Stillstand kommen, insbesondere was die Biotechnologie-Entwicklung betrifft. Und auf was ich natürlich als Finanzdezernent achte: Wir sind in dieser einmaligen historischen Situation, dass die Stadt schuldenfrei ist. Es darf nicht sein, dass hier ein Sündenfall begangen wird und wir wieder in die Schuldenfalle laufen.
SWR Aktuell: In gut einem Jahr wird ein neuer Stadtrat gewählt. Beeinflusst dieser Termin den Umgang der Ampel mit dem neuen OB? Um auch nicht als destruktiv dazustehen ...
Beck: Oh, ja. Der Termin beeinflusst das Handeln, das ist ohne Frage jetzt schon spürbar und spielt in den Überlegungen eine Rolle. Deswegen halte ich es für wichtig, sich in der Sache auseinanderzusetzen, auch um die Unterschiede deutlich zu machen. Dort, wo es in eine falsche Richtung läuft, das auch zu benennen. Es wird ein spannendes Jahr, da bin ich mir sicher. Und es wird auch erforderlich sein, dass die Ampel, insbesondere ihre Erfolge und das, was sie in den letzten Jahren geleistet hat, entsprechend herausstellt. Auch gerade was den Stadtvorstand betrifft, der nach meiner Auffassung in der Vergangenheit eigentlich sehr gute Vorarbeit auch für die Beschlüsse des Stadtrates geleistet hat.
SWR Aktuell: Kurz vor der Amtseinführung von Nino Haase haben Sie nochmal einen Stadtwerke-"Wumms" verkündet. Rund 65 Millionen Euro als "Frühlingspaket". War der Zeitpunkt Absicht?
Beck: Ich habe immer gesagt: Wenn Beschlüsse da sind, wenn notwendige Entscheidungen erforderlich sind, dann werden sie auch durchgeführt. Wenn wir die Mobilitätswende möchten, dann muss man auch hier schnell deutliche Signale setzen. Und das war mir wichtig, dass das jetzt noch geschieht und nicht auf die lange Bank geschoben wird.
SWR Aktuell: Sie sind bis 2026 als Beigeordneter gewählt. Schon mal über die Zukunft nachgedacht?
Beck: (lacht). Das ist ehrlich gesagt noch so weit weg. Wir haben 2023 und ich habe die Möglichkeit, noch bis 2026 im Amt zu bleiben. Ich fühle mich wohl in meinem Amt und bin ein politischer Überzeugungstäter und habe das auch noch vor, eine gewisse Zeit zu machen.
Das Interview führte SWR Studio Mainz-Leiter Olaf Lemcke.