Der 14. Juni 2021 war ein denkwürdiger Tag für die Mainzer Feuerwehr. Damals musste sie eine brennende Wohnung in einem Hochhaus löschen. Der Einsatz wirkt heute noch nach.
Am helllichten Tag schlugen die Flammen aus dem Fenster im 14. Stock des Gonsenheimer Wohnblocks. Dicker schwarzer Rauch zog über die darüber liegenden Wohnungen und hinterließ tagelang eine Rußspur auf der Fassade und den Balkonen. 80 Menschen wurden damals aus dem Haus gerettet, darunter ein Mann, der sich nicht mehr selbstständig aus der Nebenwohnung in Sicherheit bringen konnte. Glücklicherweise wurde niemand verletzt.
Das Feuer hatte der Mieter der Wohnung gelegt, er steckte sie mit Hilfe von drei Litern Benzin in Brand und brachte sich unmittelbar danach in Sicherheit. Für die Tat wurde er später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.
Hochhausbrand Gonsenheim Grundlage für neues Einsatzkonzept
Für die Feuerwehr sollte dieser Einsatz mit mehreren Dutzend Kräften zu einer Art Beispiel werden. Jonas Hahn von der Mainzer Berufsfeuerwehr erarbeitete vor diesem Hintergrund einen Rahmenplan für künftige Hochhausbrände in der Stadt. Unwahrscheinlich sind die in Mainz nicht, denn es gibt hier immerhin etwa 100 Hochhäuser mit einer definierten Höhe von mehr als 23 Metern.
Das ist die Höhe, in die ein Drehleiterfahrzeug mit seinem Korb kommt. Brände, die wie in Gonsenheim in höher liegenden Wohnungen ausbrechen, müssen damit zwangsläufig von innen gelöscht werden. "Das ist grundsätzlich so wie in ebenerdigen Wohnungen", sagt Hahn. Dass er dennoch ein eigenes Konzept erstellt hat, nach dem seit 2022 bei Hochhausbränden gearbeitet wird, liegt an anderen spezifischen Voraussetzungen.
Mehr potentielle Brandopfer in Hochhäusern
So wohnen in Hochhäusern meist deutlich mehr Menschen als in kleineren, niedrigeren Wohneinheiten. Sie müssen schnellstmöglich in Sicherheit gebracht werden. Die größte Gefahr geht dabei sowohl vom Feuer selbst als auch vom Rauch aus.
Für die Feuerwehr gilt in der Regel die Devise: Wo kein Rauch ist, ist es sicher. Deswegen kommt es oft vor, dass unterhalb des Brandortes liegende Wohnungen nicht geräumt werden müssen.
Feuerwehrleute müssen kiloweise Material nach oben schleppen
Was den Einsatz im Hochhaus zudem erschwert: Sämtliches Material, das für den Einsatz benötigt wird, muss aufwändig zum Brandort transportiert werden. "Ein Feuerwehrmann, der ins Hochhaus muss, wiegt inklusive Ausrüstung dann schon mal 150 Kilogramm", gibt Jonas Hahn zu bedenken.
Feuerwehraufzüge, in denen die Einsatzkräfte leichter nach oben gelangen können, gibt es nicht überall. Also müssen Stufen bewältigt werden: "Die Treppenhäuser sind in den allermeisten Fällen sicher und rauchfrei."
Depotstockwerke erleichtern Versorgung der Einsatzkräfte
Um das mühsame und zeitraubende Erklimmen der Treppenstufen zu vermeiden, richtet die Feuerwehr bei Hochhausbränden sogenannte Depotstockwerke ein. Sie liegen in der Regel zwei Stockwerke unterhalb der Brandwohnung. In den Fluren wird alles gelagert, was der Einsatzleiter bei der ersten Brandschau für notwendig erachtet.
Schläuche, Rohre, Masken oder Schutzkleidung - all das wird von Kollegen nach oben gebracht, während der erste Trupp beginnt, das Feuer zu löschen. Das Depotstockwerk kann auch als erste Rettungsstation genutzt werden. Ein Brandopfer kann so schneller behandelt werden, als wenn es erst zum Erdgeschoss transportiert werden muss.
Löschwasser wird durch vorhandene Leitungen nach oben gepumpt
Wer sich fragt, wie die Feuerwehr in schwindelerregender Höhe an Löschwasser kommt, der sollte bei Gelegenheit mit offenen Augen durch ein Hochhaus gehen. In jedes Stockwerk wurden Löschwasserleitungen verlegt. Die Anschlüsse liegen meist hinter roten Türen und sind verplombt. Die Feuerwehr pumpt das Löschwasser nach oben, dort spritzen es die Löschtrupps durch die Schläuche auf das Feuer.
Jonas Hahn bezeichnet es aber als die größte Herausforderung, im Brandfall die Bewohner eines Hochhauses zu versorgen. Wer mitten in der Nacht in größter Eile sein Zuhause verlassen müsse, der sei auf Hilfe angewiesen.
Deshalb werden bei Hochhausbränden immer deutlich mehr Einsatzkräfte losgeschickt als bei gewöhnlichen Wohnungsbränden. Bei einem Hochhausalarm rücken in Mainz grundsätzlich 30 bis 40 Feuerwehrleute aus - doppelt so viele wie zu einem gewöhnlichen Brandeinsatz.
Rahmenplan für künftige Einsätze in Mainzer Hochhäusern
Der von Jonas Hahn erstellte Rahmenplan hängt in jedem Einsatzfahrzeug aus. Alle Feuerwehrleute sollten ihn aber auch vorher schon verinnerlicht haben, nach ihm wird auch geübt, so wie im Sommer in den Mainzer Bonifaziustürmen. Er soll allerdings nicht den gesamten Einsatz beschreiben.
Stattdessen soll der Plan den Einsatzkräften "für die ersten zehn, fünfzehn Minuten - wir nennen das die Chaosphase - was an die Hand geben." Vor allem, so Hahn, gehe es dabei um die Kommunikation untereinander.
Weil jede Einsatzkraft wisse, was die andere macht, bleibe wertvolle Zeit für schnelle Entscheidungen. Wie wird gelöscht? Welche Materialien werden benötigt? Welche Wohnungen müssen evakuiert werden? Feuerwehrmann Jonas Hahn ist sich sicher, dass mit dem neuen Rahmenplan auch die Überlebenschancen für Brandopfer steigen. Denn gerade bei ihnen gehe es oft um Sekunden, die über Leben und Tod entscheiden.
Hochhaus-Bewohner sollen Flure freihalten
Die Feuerwehr Mainz sieht sich gewappnet für künftige Einsätze in Hochhäusern. Die Bewohner bittet sie aber auch um Mithilfe. Zum einen sollen sie die Flure und vor allem die Zugänge zu den Löschwasserleitungen freihalten. Zum anderen sollte sich jeder Bewohner eines Hochhauses die Rettungswege einprägen.
Im Einsatzfall markiert die Feuerwehr den Ausgang im Erdgeschoss zwar mit einem grünen Blitzlicht. Aber viele Menschen würden gar nicht wissen, wo das Treppenhaus ist, sagt Jonas Hahn. Denn sie würden in Hochhäusern nur mit Aufzügen fahren. Diese dürften aber im Brandfall nicht benutzt werden.
Bewohner sollen sich bemerkbar machen
Wer seine Wohnung nicht verlassen kann, der sollte sich bemerkbar machen, notfalls per Telefon. Das tat auch der Nachbar der Brandwohnung in Mainz-Gonsenheim. Ein Mitarbeiter in der Leitstelle beruhigte den Mann so lange, bis ein Feuerwehrmann zu ihm in die Wohnung kam. Gemeinsam warteten sie dort. Erst, als der Löscheinsatz weitgehend beendet war, konnte der Nachbar sicher nach draußen geleitet werden.
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