Lehrerinnen und Lehrer werden immer öfter mit antisemitischen Aussagen konfrontiert. Seit dem Krieg in Nahost hat das weiter zugenommen, so die Landeszentrale für politische Bildung in Mainz. Wie reagiert man richtig darauf?
Vor zwei Wochen in einem Kino in Wiesbaden: Mehrere Klassen einer Berufsschule schauen sich den Film "Wannseekonferenz" an. In dem Film geht es um das Treffen hochrangiger Nazis, die 1942 in einer Villa am Wannsee die systematische Ermordung europäischer Juden geplant haben.
Als der Film zu Ende ist und ein Hinweis auf die Ermordung von sechs Millionen Juden eingeblendet wird, klatschen in dem Wiesbadener Kino mehrere Jugendliche. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft, die Schule hat angekündigt, den Vorfall aufzuarbeiten.
Schüler vom Unterricht ausgeschlossen Nach Applaus für Holocaust im Kino in Wiesbaden ermittelt Staatsanwaltschaft
Nach einem antisemitischen Vorfall in einem Kino in Wiesbaden ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung. Mehrere Jugendliche sollen während eines Films den Holocaust beklatscht haben.
Mehr Nachfrage nach Schulungen zum Umgang mit Rassismus und Antisemitismus
"Rassismus und Antisemitismus an Schulen nehmen zu", sagt Albrecht Gill von der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz in Mainz. Lehrkräfte seien immer häufiger mit diskriminierenden, menschenverachtenden und antisemitischen Aussagen durch Schüler konfrontiert. "Die Sprüche treffen sie oft unvorbereitet und machen sprachlos," so Gill.
Auch im Internet verbreitete Verschwörungstheorien würden von Schülerinnen und Schülern unkritisch übernommen, "einschließlich der dort vielmals enthaltenen antisemitischen Denkfiguren". Die Landeszentrale für politische Bildung bietet daher regelmäßig Schulungen für Lehrerinnen und Lehrer für den Umgang mit Antisemitismus an.
Lehrkräfte sollen zur Diskussion über Antisemitismus ermutigt werden
Geleitet werden diese Kurse von einem Trainer-Team der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, dem auch die Sozialpädagogin Zillan Daoud vom Jugendamt in Bad Kreuznach angehört. Sie stellt fest, dass sich die Situation in Schulen "zuspitzt". Lehrerinnen und Lehrer würden ihr in ihren Kursen berichten, dass Antisemitismus inzwischen zum Schulalltag gehöre.
Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich überfordert und wüssten nicht, wie sie reagieren sollen. Etwa auf antisemitische Sprüche wie "Juden sind Kindermörder", "Juden sind geizig" oder "Juden sind Parasiten".
Daoud lässt in ihren Schulungen Lehrerinnen und Lehrer zunächst von ihren Erfahrungen berichten, um dann gemeinsam zu erarbeiten, wie man diesen diskriminierenden Aussagen begegnen kann - und wann Widerspruch und Argumentation gegen solche Aussagen nötig und sinnvoll ist.
Abwertungen und Vorurteile hinterfragen
Ein Hinweis, den sie Lehrerinnen und Lehrer grundsätzlich gebe, sei: abwertende Sätze hinterfragen und konkret nachfragen. "Was meinst du damit? Wie kommst du zu dieser Aussage? Kennst du Juden persönlich? Hast du schon mal ein konkretes Erlebnis gehabt?"
Durch solche Nachfragen ließen sich Vorurteile oft schnell entkräften, erläutert Daoud. Es sei wichtig, den Jugendlichen klar zu machen, was Vorurteile eigentlich sind: pauschale Verurteilungen, die unsachlich, unreflektiert und emotional aufgeladen sind.
Lehrerinnen und Lehrer dürfen widersprechen
"Das Argumentationstraining will darin bestärken, einzuhaken, wenn pauschal abwertende Sätze fallen", so die Sozialpädagogin. Ganz oft erzählten die Menschen in ihren Seminaren, dass sie sich im Nachhinein geärgert hätten, wenn sie auf ein Vorurteil nicht direkt reagiert, sondern geschwiegen hätten. Daoud ermuntert in ihren Seminaren deshalb Lehrerinnen und Lehrer, ihren Schülern zu widersprechen und die Diskussion auf eine sachliche Ebene zurückzuholen.
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Fakten über Israel und den Holocaust
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel und dem Krieg in Gaza würden vor allem Jugendliche mit arabischem Hintergrund öfter antisemitische Parolen wiedergeben. Für Lehrerinnen und Lehrer sei es in dieser Situation ratsam, gut informiert über die Geschichte des Nahost-Konflikts zu sein, erläutert Sozialpädagogin Daoud.
Auch hier sei es gut, die Debatte zu versachlichen und die Sorgen arabischer Schülerinnen und Schüler selbstverständlich ernst zu nehmen. Kritik an Israel sei auch in Schulen vollkommen legitim, platter Antisemitismus hingegen nicht.
Schüler in Wiesbaden könnten verurteilt werden
Daoud macht die Lehrer in diesem Zusammenhang in ihren Seminaren darauf aufmerksam, dass die Relativierung oder Leugnung des Holocausts in Deutschland strafbar ist. Die Schüler, die in dem Kino in Wiesbaden den Holocaust beklatscht haben, sollen minderjährig sein. Sie könnten dennoch nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden, so die Staatsanwaltschaft.
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