Ärzte protestieren in Ingelheim gegen die Sparpläne der Politik.

Viele Praxen bleiben am Mittwoch zu

"Wir sehen schwarz!" - Ärzte protestieren in Ingelheim

Stand
Autor/in
Katharina Feißt
Bild von Katharina Feißt, Studio Mainz

Hausarztpraxen in Rheinland-Pfalz fürchten um ihre Zukunft. Denn während die Kosten rasant steigen, tut es die Vergütung nicht. Dazu kommen Sparpläne der Politik. Aus Protest blieben viele Praxen am Mittwoch geschlossen.

Mehr als 500 Ärztinnen, Ärzte und Mitarbeitende der Praxen haben am Mittwoch in Ingelheim (Kreis Mainz-Bingen) protestiert. Sie sind damit einer Einladung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) gefolgt. Die Protestaktion sollte ein Zeichen gegen die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzen. Das geplante Gesetz zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sieht unter anderem vor, dass neue Patientinnen und Patienten sowie offene Sprechstunden nicht mehr extra vergütet werden.

Die KV befürchtet, dass die Patientenversorgung nach der Reform nicht mehr auf dem bisherigen Niveau aufrecht erhalten werden kann. Sie wollte mit der Protestaktion erreichen, dass die geplanten Gesetzesänderungen überarbeitet werden. In einer Mitteilung heißt es: "Ständige Kostensteigerungen, Inflation und fehlende Fachkräfte bringen die Praxen schon jetzt an ihre absolute Belastungsgrenze. Sowohl die wirtschaftliche als auch personelle Lage der Praxen ist so angespannt wie lange nicht mehr."

Hausärzte sorgen sich um Finanzierung der Praxen

Das kann Hausärztin Cornelia Tovar bestätigen. Sie liebe ihren Beruf. Trotzdem muss sie auf die Frage, wie es ihr gerade geht, erstmal tief seufzen: "Es hat Zeiten gegeben, da ist es mir besser gegangen." Tovar hat die Praxis in Alzey-Weinheim (Kreis Alzey-Worms) vor zehn Jahren übernommen. Dort arbeiten mit ihr noch zwei weitere Ärztinnen. Zu tun gebe es genug - nicht zuletzt wegen Corona. Trotzdem macht sich Tovar Sorgen um die Finanzierung ihrer Praxis und befürchtet Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent.

"Das Hauptproblem bei der Finanzierung ist: Wir bekommen keine höhere Vergütung, aber die Kosten galoppieren uns davon. Die Praxen sind jetzt schon am Limit."

Schlechtere Versorgung der Patientinnen und Patienten

Zu der Inflation kämen auch die steigenden Energiekosten. Denn eine Arztpraxis, in der unbekleidete Menschen untersucht werden, könne man nicht mal eben auf 18 Grad runterheizen. Einsparpotential für Hausarztpraxen sieht Tovar bei den Personalkosten. Doch das hätte ganz konkrete Auswirkungen auf die Versorgung der Patientinnen und Patienten: "Das würde bedeuten, dass wir wahrscheinlich unsere Sprechzeiten einschränken müssen. Das wird die Patienten sehr empfindlich treffen."

Tovar befürchtet, dass manche Praxen wegen der wirtschaftlichen Situation ganz schließen könnten. Über die Hälfte der Hausärztinnen und -ärzte in Rheinland-Pfalz würden innerhalb der nächsten zwei Jahre das Rentenalter erreichen. Gerade in strukturschwachen Regionen sei es jetzt schon schwierig, Nachfolger zu finden. Tovar sorgt sich auch um ihre eigene Praxis: "Wenn sich die finanzielle Situation weiter verschlechtert, werde ich irgendwann meine Praxis wahrscheinlich ganz schließen müssen."

Ein Schild weist daraufhin, dass die Hausarztpraxis von Cornelia Tovar in Alzey wegen eines Protests am Mittwoch geschlossen bleibt.
Ein Schild an der Rezeption weist die Patientinnen und Patienten von Cornelia Tovar daraufhin, dass die Praxis am Mittwoch geschlossen bleibt.

KV unzufrieden mit Honorarverhandlungen

Auch die KV bemängelt die Vergütung der Ärzteschaft. Das bei den aktuellen Honorarverhandlungen beschlossene Plus von zwei Prozent beim Orientierungswert sei "unzureichend" und decke die gestiegenen Praxiskosten in keiner Weise. Auch dagegen richtete sich der Protest in der Kultur- und Kongresshalle Ingelheim. Er fand unter dem Motto "Wir sehen schwarz! Für die Zukunft unserer Praxen!“ statt. Auf dem Programm standen Fachvorträge und eine Diskussion dazu, ob die ambulante Versorgung noch eine Zukunft hat.

"Ich möchte, dass wir von der Politik als Hausärzte auf Augenhöhe behandelt werden. Dass nicht Veränderungen über unsere Köpfe hinweg gemacht werden, sondern die Politik uns miteinbezieht."

Hausärztin Cornelia Tovar erhofft sich von der Protestaktion der Ärzteschaft, "dass wir uns sammeln können. Dass wir mit einer Stimme sprechen." Ihre Patientinnen und Patienten hätten Verständnis dafür, dass die Praxis deshalb am Mittwoch geschlossen blieb: "Die wissen, was sie an ihren Hausärzten haben. Die wissen unsere Arbeit deutlich besser zu schätzen, als es die Politik weiß."

RLP

Protest gegen Lauterbach-Pläne Ärzte wollen ihre Praxen in RLP am 12. Oktober schließen

Am 12. Oktober könnten auch in Rheinland-Pfalz viele Menschen vor den geschlossenen Türen ihrer Arztpraxen stehen. Grund ist eine Protestaktion gegen Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Der Nachmittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Schaidt

Landesweiter Protest Hausarzt aus der Südpfalz streikt: "Sparmaßnahmen sind Tritt in den Hintern"

Landesweit streiken am Mittwoch die Ärzte. Im SWR-Interview erklärt Allgemeinarzt Timotheus Schmid aus Schaidt (Kreis Germersheim), warum auch er seine Praxis schließt.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Arztpraxen bleiben aus Protest zu Meinung: Lauterbach: Alle Patienten sind gleich

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Ärzteverbände streiten über die "Neupatientenprämie". Das Gesundheitswesen ist mal wieder eine Bühne für absurdes Theater, meint Martin Rupps.