Aus einer lange vergessenen Alt-Deponie bei Jockgrim treten Schadstoffe aus. Um das Grundwasser zu schützen, will der Kreis Germersheim weiter messen - und bittet die Bevölkerung um Infos.
"Wir haben Schadstoffe am Rande der alten Deponie gefunden, wir beobachten das, es besteht keine Gefahr" - das war der Tenor der Pressekonferenz des Kreises am Donnerstag in Jockgrim.
Jockgrimer Alt-Deponie: Giftstoffe weit über Grenzwerten gemessen
Fakt ist: Bei Messungen wurden Benzol, chlorierte Kohlenwasserstoffe und deren Abbauprodukte in der oberen Grundwasserschicht gefunden. Die Mengen überschreiten deutlich die Grenzwerte, macht der Experte Horst Peschla klar. Die Kreisverwaltung Germersheim hat den Diplom-Geologen mit den Proben und der Untersuchung der Alt-Deponie zwischen Jockgrim und Rheinzabern beauftragt.
Keine Gefahr für Grund- und Trinkwasser
Aber: Trotz der hohen Werte gibt der Experte erst einmal Entwarnung für's Grundwasser. Denn die Stoffe fließen zwar eine gewisse Strecke im Grundwasser mit, aber nur bis sie sich verdünnt und abgebaut haben. Bei Benzol sind das 400 bis 600 Meter. Bei den chlorierten Kohlenwasserstoffen etwa 2.000 Meter. Außerdem fließen die Schadstoffe laut Experte in Richtung Osten ab, also Richtung Rhein. Das Trinkwasser der Gegend sei dadurch nicht bedroht - denn es wird an anderen Stellen gewonnen.
Und weil die Sorge ums Trinkwasser bei solchen Gefahrstoff-Funden immer groß ist, betont auch Karl Dieter Wünstel vom zuständigen Wasserversorger: "Wir sind relativ entspannt. Wir beproben unser Grundwasservorkommen regelmäßig. Das Trinkwasser war zu keiner Zeit belastet."
Deponie im Kreis Germersheim war Teil eines Umwelt-Krimis
Jahrelang war den Verantwortlichen der Kreisverwaltung und der Verbandsgemeinde offenbar gar nicht klar, dass es zwischen Jockgrim und Rheinzabern eine alte Industriemüll-Deponie gibt.
Ein Rückblick: Die alte Deponie bei Jockgrim ist in den 1970er Jahren Teil eines Umwelt-Krimis. In dieser Zeit erschüttern Giftmüllskandale Westdeutschland. In die Grube, in der früher Ton abgebaut worden war, schüttet der Betreiber unerlaubt unter anderem Farbreste, Teer und ölverunreinigte Böden rein. Es fängt an zu stinken, die Einwohner meiden den Ort.
Der Betreiber verliert 1971 seine Betriebsgenehmigung und muss Messstellen fürs Grundwasser einrichten. Hochgiftige Cyanide werden gefunden. Es laufen polizeiliche Ermittlungen. 1973 wird die Industriemülldeponie zu einer Hausmülldeponie. 1974 wird sie ganz stillgelegt. 1979 wird die Fläche an die Forstverwaltung zurückgegeben. Dann wachsen Gras, Büsche und Bäume über den Ort.
Lange vergessen - bereits 1996 Schadstoff nachgewiesen
Mehr als 20 Jahre später werden 1996 dann zur Überwachung des Grundwassers neue Brunnen gebohrt. Benzol wird in erhöhter Menge nachgewiesen. Dann passiert lange nichts - bis 2017. Da kündigt die zuständige Aufsichtsbehörde SGD Süd eine Begehung der Deponie an - und die Kreisverwaltung Germersheim findet in ihrem Archiv eine Akte zur Deponie, die 1996 endet.
Alt-Deponie soll nun regelmäßig überwacht werden
Bei der Pressekonferenz am Donnerstag machen die Anwesenden mehrmals klar: Im Moment ist alles gut, es gibt keine Gefahr für Mensch und Umwelt. Damit das so bleibt, soll die nun wieder ins Bewusstsein getretene Alt-Deponie stärker überwacht werden. Acht weitere Brunnen sind geplant. Das Grundwasser soll regelmäßig überprüft werden.
Viele offene Fragen: Bürgerversammlung am 12.12.
Trotzdem bleiben Fragen. Zum Beispiel: Wie tief ist die Grube, in die in den 1970er Jahren der Industriemüll gekippt wurde? Warum endet die Akte zur alten Deponie im Jahr 1996? Der Kreis, die zuständige Behörde SGD Süd und der Experte bitten deswegen auch die Bevölkerung um Hilfe und Infos. Am 12. Dezember ist am Abend eine Einwohnerversammlung im Jockgrimer Bürgerhaus, dann sollen Bürgerinnen und Bürger über die Alt-Deponie und die gefundenen Gefahrstoffe informiert werden.
Kreis Germersheim klagt wegen hoher Kosten für Deponie
Offen ist auch, wer die Kosten für die Überwachung der alten Industriemülldeponie trägt. Bisher hat der Kreis 250.000 Euro dafür ausgegeben. Die Aufsichtsbehörde SGD Süd sagt nämlich, der Kreis ist für die alte Deponie zuständig. Doch der wehrt sich - und hat im April Klage beim Verwaltungsgericht Neustadt eingereicht. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht.
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