"Meine Grenze ist langsam erreicht"

So erlebt eine Kinderkrankenschwester aus Ludwigshafen ihren Berufsalltag

Stand
Autor/in
Lennart Söhngen

Die Grippe- und Erkältungswelle verschärft den Personalmangel in vielen Kinderkliniken. Wie sich das auf den Alltag auswirkt, erzählt eine Kinderkrankenschwester aus Ludwigshafen.

Hoher Krankenstand verschärft den Pflegenotstand: Schwester Kerstin Golenia hat um so mehr zu tun im St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen
Kerstin Golenia ist Kinderkrankenschwester im St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen

Tage wie heute sind für Kerstin Golenia besonders anstrengend. Ihre Kollegin ist krank ausgefallen, die 24-jährige Kinderkrankenschwester war deshalb den ganzen Morgen allein auf der Station Karolina im St. Annastiftskrankenhaus.

"Ich war alleine für 15 Kinder zuständig, für Essen oder Trinken war da leider keine Zeit."

Was ihr an solchen Tagen zusätzlich zu schaffen macht ist die Sorge, in einer Notsituation vielleicht nicht rechtzeitig zur Stelle zu sein, weil sie sich in dem Moment schon um ein anderes Kind kümmern muss.

Angespannte Situation: Das Personal des St. Annastiftskrankenhauses in Ludwigshafen kommt zur Zeit kaum zum Pause machen
Nur am Rennen: An vielen Tagen kommt Kerstin Golenia nicht mal zum Essen und Trinken

St. Annastift in Ludwigshafen: Kein Tag ohne Personalausfall

Im Moment gebe es kaum einen Tag, an dem nicht irgendwelche Lücken kompensiert werden müssten. Am Team gehe das nicht spurlos vorbei, erzählt Golenia: "Die Stimmung ist angespannt. Man kommt auf die Arbeit und funktioniert nur noch - und vergisst sich dabei selbst." Teilweise komme sie auch krank zur Arbeit – einfach, weil sie ihre Kolleginnen nicht im Stich lassen möchte.

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Kinderkrankenschwester aus Ludwigshafen: Nach der Arbeit abschalten geht nicht mehr

Auch das ständige Einspringen für kranke Kolleginnen und Kollegen hinterlasse Spuren. Eigentlich konnte die 24-Jährige immer gut abschalten von der Arbeit. Mittlerweile habe sich das geändert: "Man geht schon mit der Erwartungshaltung in seine freie Zeit, dass man angerufen wird, weil es in der Regel immer so ist."

Wenn Kerstin Golenia dann doch einmal frei hat, könne sie die Zeit häufig nicht wirklich nutzen. "Ich bin da auch ein bisschen traurig darüber, aber ich verschlafe meine freie Zeit. Weil ich so kraftlos und am Ende bin."

Auch Eltern von kranken Kindern sind angespannt

Bei der Arbeit komme es im Moment immer häufiger vor, dass Kerstin Golenia und ihre Kolleginnen und Kollegen von aufgebrachten Eltern angepampt würden. Zum Beispiel, weil das Frühstück zu spät komme oder die Kinder länger auf eine Untersuchung warten müssten. "Man merkt die Anspannung auch bei den Eltern, und das bekommen wir leider ab." Für die Kinderkrankenschwester sei das keine einfache Situation: "Das macht wütend und sauer, weil man es nicht ändern kann."

Angespannter Alltag auf der Kinderstation des St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen: sehr viele Pflegerinnen und Pfleger sind krank, das Personal sowieso dünn besetzt
Das St. Annastiftskrankenhaus in Ludwigshafen

Trotz allem: Glücklich mit dem Job als Kinderkrankenschwester

Vor sechs Jahren hat Kerstin Golenia ihre Ausbildung angefangen, seit drei Jahren ist sie examinierte Kinderkrankenschwester. Die Mangelsituation in der Pflege habe sie im Vorfeld unterschätzt: "Man hat es immer gehört, aber sich ein wenig schöngeredet. Es wird einem erst dann bewusst, wenn man wirklich drinsteckt." Nichtsdestotrotz sei es weiterhin der Job, den sie ausüben möchte, denn von der Tätigkeit her sei es genau so, wie sie es sich vorgestellt habe.

Hoffnung auf eine bessere Situation auf den Kinderstationen

Die letzten Jahre haben die Ludwigshafener Kinderkrankenschwester extrem geschlaucht. So sehr, dass sie auch schon mal ans aufhören gedacht hat. "Aber in so Momenten versuche ich mich dann wieder abzufangen mit dem Gedanken: okay, ich habe die Hoffnung, dass es besser wird." Hoffnung, dass mehr Menschen in die Pflege kommen, der Beruf mehr Anerkennung bekommt und auch finanziell besser gewürdigt wird.

Sie sei ein sehr positiver Mensch, erzählt die 24-Jährige. Je öfter es Tage wie heute gebe, desto kleiner werde allerdings ihre Hoffnung. Morgen früh um sechs Uhr geht für sie die nächste Schicht los. Hoffentlich wieder zu zweit.

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Lennart Söhngen