Haben Sie noch eine Erkältung oder schon wieder Corona? Was macht das Virus eigentlich und wie sieht es am Klinikum Ludwigshafen aus? Wir haben bei Klinikdirektor Prof. Günter Layer wieder einmal nachgefragt.
SWR Aktuell: Egal, wo man hinhört, aktuell sind viele Menschen krank. Scheint das nur so oder ist da aus Ihrer Sicht was dran?
Prof. Günter Layer: Da ist viel dran. Wir haben eine Welle von Viruserkrankungen, wie wir sie, glaube ich, lange Zeit nicht hatten. Vermutlich hängt das auch damit zusammen, dass wir uns so lange so gut geschützt und isoliert haben. Dann kommen diese Wellen ja immer etwas heftiger zurück. Jetzt ist es eine Mischung aus vielen Erkältungskrankheiten und es macht nicht mehr sehr viel Sinn, zu untersuchen, welches Virus dahintersteht. Wissenschaftlich ist das natürlich spannend und interessant, klinisch mittlerweile relativ irrelevant.
SWR Aktuell: Der Pandemie-Radar des Bundesgesundheitsministeriums hat zuletzt eine stark steigende Viruslast im Abwasser festgestellt. Das heißt, es gibt einen starken Anstieg von Corona-Infektionen, plus die anderen Viruserkrankungen. Wie sieht es denn bei Ihnen in der Klinik aus?
Layer: Wir haben natürlich viele Patienten, die auch neben ihrer Krankheit eine Viruserkrankung der oberen Atemwege haben, aber es kommt jetzt fast niemand deswegen ins Krankenhaus. Aber wir sehen die Erkrankungswelle natürlich am eigenen Personal: Wir haben einen Krankenstand, der wahrscheinlich auf historischer Höhe ist! Er ist mindestens so hoch wie in der Hochzeit der Pandemie. Wir testen die Mitarbeiter nicht mehr systematisch, aber nach den statistischen Erhebungen wissen wir tatsächlich, dass es im Moment das Coronavirus oder die modifizierten Arten des Coronaviruses sind, die den größten Anteil der Infektionen ausmachen, dass aber auch viele andere Viren derzeit unterwegs sind.
SWR Aktuell: Wie sieht es denn auf der Intensivstation aus? Gibt es dort noch Patienten, die wegen Corona dort sind?
Layer: Wir haben immer mal wieder einen Patienten, der Corona positiv und auch auf Intensivstation ist. Aber der kommt nicht wegen Corona auf die Intensivstationen. Wir hatten allerdings vor kurzem tatsächlich jemanden, der wegen schwerer Atemprobleme beatmet werden musste. Der hatte Corona, aber auch noch eine andere schwere Erkrankung, wegen der er auf die Intensivstation kam. Es gibt schon Ereignisse, wo man dann auch gar nicht so leicht differenzieren kann, was ist jetzt das führende? Aber die Zeit, wie wir es klassischerweise in der Pandemie hatten, dass Leute wegen einer Corona Infektion auf Intensivstationen kamen und dort wegen Covid verstorben sind, die sind – Gott sei Dank - vorbei.
SWR Aktuell: Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat jetzt wegen Weihnachten vor Ansteckungen mit Corona gewarnt und rät, in Bussen und Bahnen Maske zu tragen und wenn es geht, im Home Office zu bleiben. Halten Sie das für angemessen oder ist das übertrieben?
Layer: Nein, das ist aus meiner Sicht angemessen. Ich persönlich trage auch wieder Maske, wenn ich in großen Gruppen bin. Das ist in Asien früher schon üblich gewesen, da haben wir darüber gelächelt. Aber ich glaube, wir haben während der Pandemie gelernt, dass eine Maske ein effektiver Schutzmechanismus ist. Das gilt natürlich nicht nur für das Coronavirus, sondern auch für andere Viren. Und eine Maske zu tragen, tut ja auch nicht weh. Wir sollten lernen, glaube ich, dass wir das als eine Dauereinrichtung beibehalten sollten. Mir macht es persönlich nichts aus, eine FFP2-Maske zu tragen. Kürzlich bin ich wieder geflogen - was ich eine ganze Zeit lang vermieden habe - aber ich bin mit Maske geflogen und habe einer deutlichen Minderheit angehört.
SWR Aktuell: Tragen Sie oft Maske?
Layer: Ich mache das nicht, wenn ich im privaten Kreis oder im Zweiergespräch bin. Das Risiko halte ich für durchaus überschaubar, es sei denn, der andere sagt mir, er ist erkältet oder ich selbst erkältet bin. Dann trage ich immer Maske. Aber ansonsten wäre das für mich übertrieben. Aber in größeren Gruppen, in Bus und Bahn, in größeren Besprechungen oder im Flugzeug finde ich das eine gute Idee.
SWR Aktuell: Apropos: Schütteln Sie eigentlich wieder Hände?
Layer: Ja, das mache ich, solange ich Desinfektionsmittel in der Nähe habe. Ich glaube, das Entscheidende ist nicht, das Händeschütteln zu vermeiden. Im Gegenteil, das ist ja ein Stück sozialer Interaktion, die wir, glaube ich, auch nicht völlig verlernen dürfen. Aber genauso wichtig ist natürlich auch, dass wir regelmäßig eine Händedesinfektion durchführen. Ich bin ja eh in einem Umfeld, in dem ich quasi nie weiter als fünf Meter entfernt von der nächsten Desinfektionsflasche bin.
SWR Aktuell: Das Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern rät Patienten, wenn sie zu Besuch ins Krankenhaus kommen, jetzt wieder Masken zu tragen.
Layer: Das machen wir auch. Wir empfehlen auch den Mitarbeitenden, Maske zu tragen - sowohl wenn sie in Gruppen zusammenkommen, bei Besprechungen, wenn es eng wird als auch beim Umgang mit den Patienten, insbesondere dort, wo die immunsupprimierten Patienten behandelt werden und dort, wo die Intensivpatienten behandelt werden. Aber auch im Allgemeinen gilt diese Empfehlung, an die sich ja auch fast alle halten.
Coronazahlen im Westen der Pfalz steigen Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern empfiehlt das Tragen von Masken
Im Moment haben wieder viele Menschen Corona oder andere Infektionen der Atemwege. Daher appelliert das Klinikum an die Bevölkerung, bei Besuchen im Krankenhaus eine Maske zu tragen.
SWR Aktuell: Sie haben schon die Personalengpässe erwähnt. Was heißt das für den Krankenhausalltag?
Layer: Wir schauen jetzt nicht in dem Sinne besorgt drauf, dass die Versorgung zusammenbrechen würde. Die Situation ist jetzt eine ganz andere wie in Pandemiezeiten. Der Aufwand, der getrieben wurde in dieser Zeit, war ein viel höherer. Wir haben jetzt in der Tat einen ungewöhnlich hohen Krankenstand - der dürfte bald bei rund zehn Prozent liegen. Das ist schon sehr hoch, ohne dass ich Ihnen jetzt genaue Zahlen nennen kann. Aber es gibt eigentlich im Moment keine Abteilung, die voll besetzt wäre.
SWR Aktuell: Was bedeutet das für die Feiertage?
Layer: Die Belastung ist hoch. Auch die Stimmung ist nicht so gut, klar, weil der Einzelne mehr tragen muss, als er normalerweise tragen sollte. Wir haben auch hier in der Abteilung, die ich verantworte, vieles umgeplant an Diensten und haben auch Mitarbeiter gebeten, die gern noch ein paar Tage in Urlaub gegangen wären, jetzt nicht in Urlaub zu gehen. Wir haben einzelne Resturlaube gestrichen.
SWR Aktuell: Was raten Sie, wie man sich in diesem Winter vor Ansteckung schützen kann - gleich ob vor Corona, der Grippe oder einem Schnupfen? Sollte man Mund-Nasen-Schutz tragen oder wären Sie gar für eine Maskenpflicht? Oder sollten sich alle nochmal impfen lassen?
Layer: Ja, ich bin ein großer Impf-Befürworter, das wissen Sie ja aus unseren früheren Gesprächen. Ich selbst bin jetzt sechsmal gegen Corona geimpft, einmal erkrankt und bin auch Grippe-geimpft. Grippe-Impfung sollte eigentlich wirklich jeder bekommen, jedes Jahr, weil die Virenspektren sich verändern und die Impfstoffe angepasst werden. Das würde ich jedem empfehlen! Und die Corona-Impfung wird ja offiziell den Über-60-Jährigen und den Risikopatienten empfohlen, also Leuten mit Vorerkrankungen. Und wenn Sie die bisherige Corona-Impfung gut vertragen haben - und das haben ja fast alle dieser Republik - dann brauchen Sie auch keine Sorge haben, dass sie die ein weiteres Mal nicht vertragen. Und insofern wäre ich dort auch in meiner persönlichen Empfehlung eher großzügiger als die offizielle Empfehlung. Ich fände es überhaupt nicht schlimm, wenn sich auch Jüngere impfen lassen – solange sie auch die bisherigen Impfungen gut vertragen haben.
SWR Aktuell: Wir haben ziemlich genau vor einem Jahr vor Weihnachten auch ein Interview geführt – da hatten Sie im Klinikum gerade eine verheerende Corona-Welle im Herbst hinter sich. Wenn Sie sich zurückerinnern und das mit der Situation jetzt vergleichen - wie geht’s Ihnen da?
Layer: Da ist eine große, große Erleichterung - vor allem eine emotionale Erleichterung. Die Pandemie hat ohne Zweifel nicht nur durch die vielen Betroffenen und auch Verstorbenen schlimme Auswirkungen gehabt, sondern das hat natürlich auch gesellschaftlich und emotional vieles ausgelöst, was nicht positiv war. Zu wissen, das Coronavirus ist jetzt eher eines von vielen Viren geworden, ist eine große Erleichterung. Wir haben uns an diesen Erreger in gewisser Weise auch durch die Impfung und Durchseuchung angepasst. Und wir haben jetzt im Wesentlichen gelernt, damit umzugehen. Das ist für mich vor allem eine emotionale Entlastung. Das war wichtig, dass wir durch diese zwei, drei Jahre durchgegangen sind. Im Nachhinein glaube ich, dass da eine Menge richtig gemacht worden ist. Aber wir dürfen natürlich nicht verkennen, dass das auch seinen Preis für die Gesellschaft hatte: Wenn Sie schauen, was das für Kinder und Ältere bedeutet hat oder auch für Jugendliche. Wenn ich jetzt an die Generation denke, die in diesen Jahren Abitur gemacht hatten, die nicht so Reisen konnten nach dem Abitur und auch nicht so Feiern konnten, wie wir das noch gewohnt waren. Das war schon eine große Belastung, die wir jetzt, glaube ich, hinter uns haben.
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