Migrationsforscherin im Interview

Soziale Kontakte sind unerlässlich für Integration

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Bund und Länder stritten auf dem Flüchtlingsgipfel in Berlin über die Finanzierung. Migrationsforscherin Kosyakova sagt im SWR-Interview, was den Menschen hilft: Privates Engagement und weniger Bürokratie

Yuliya Kosyakova ist Professorin für Migrationsforschung an der Otto-Friedrich-Universitätin Bamberg. Sie stammt selbst aus der Ukraine und lebt bereits seit 20 Jahren in Deutschland. Im Gespräch mit SWR1 Rheinland-Pfalz erklärt sie, vor welchen Problemen ukrainische Geflüchtete nach ihrer Ankunft stehen und welche Hilfe sie erhalten.

SWR: Was hilft ukrainischen Geflüchteten in der ersten Situation in Deutschland am meisten?

Yuliya Kosyakova: Soziale Netzwerke sind für das Ankommen von Geflüchteten sehr wichtig, etwa durch Verwandte, die bereits in Deutschland leben. Das ist aber nicht unbedingt bei allen ukrainischen Geflüchteten der Fall.

SWR: Wie lässt sich die Mentalität der Deutschen beschreiben? Wird das Ankommen erleichtert?

Kosyakova: Unsere Studienergebnisse zeigen, dass ukrainische Geflüchtete sich zu großen Teilen willkommen gefühlt haben und das sogar sehr ausgeprägt. Hier spielt das private Engagement eine sehr wichtige Rolle. Solche Mentoren – und das war ebenfalls Ergebnis einer Studie - haben einen positiven Einfluss auf den Spracherwerb, auf Arbeitsmarkt-Integration und soziale Kontakte. Neben diesem privaten Engagement bleibt die staatliche Hilfe aber auch sehr wichtig.

SWR: Wie lang dauert aus ihrer Sicht die Integration auf dem Arbeitsmarkt für ukrainischen Geflüchtete?

Kosyakova: Idealtypisch hat man die Vorstellung, dass die Menschen hierher kommen, sofort einen Sprachkurs beginnen und nach etwa sechs Monaten in den Arbeitsmarkt einsteigen können. In der Realität, wenn viele Menschen auf einmal hierher kommen, ist das schwer möglich und der Gesamtprozess wird verzögert, mitunter um ein Jahr.

SWR: Nach ihren Studien haben 72 Prozent der ukrainischen Geflüchteten einen Hochschulabschluss. Was sind die größten Hindernisse um in Deutschland Fuß zu fassen?

Kosyakova: Zunächst einmal die Sprache. Deutsch ist nicht die einfachste Sprache in der Welt. Ich persönlich habe zwei Jahre gebraucht, um mich anständig ausdrücken zu können und um mein Studium zu beginnen, was natürlich nicht jede möchte, aber auf jeden Fall es dauert. Das zweite wichtige Hindernis ist die Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen. Aktuell kommen vermehrt Frauen aus der Ukraine nach Deutschland. Frauen investieren jedoch anders in ihr Humankapital. Da haben wir viele Abschlüsse im Bildungs- und Gesundheitssektor. Das betrifft sehr reglementierte Berufe und somit gibt sehr lange Anerkennungsprozesse. Mitunter sind Nachqualifizierungen nötig oder es gelingt gar nicht, den Abschluss anerkennen zu lassen.

Die Flucht und Migration ist eine schwerwiegende Entscheidung und nicht alle sind bereit das mitzumachen.

SWR: Wie unterscheidet sich die Bürokratie von Deutschland und der Ukraine?

Kosyakova: Die bürokratischen Abläufe in der Ukraine sind in vielen Teilen einfacher als in Deutschland. Es gibt beispielsweise ein zentralisiertes System für Anträge aller Art. Über das Handy kann man hierbei eine App nutzen und kann beispielsweise Heirats-, Geburts- oder Sterbeurkunden anfragen. In Deutschland gibt es für jede Anfrage eine andere Behörde und es werden Kopien von Anträgen benötigt. Zudem kommunizieren Behörden wenig miteinander, was natürlich durch Datenschutz bedingt ist.

SWR: Sehen Geflüchtete Deutschland nun automatisch als ihre neue Heimat?

Kosyakova: Das ist keine einfache und sehr individuelle Entscheidung. Nicht jeder möchte dauerhaft in Deutschland bleiben, selbst wenn die Person oder Familie aus einer stark zerstörten Region der Ukraine kommt. Die Flucht und Migration ist eine schwerwiegende Entscheidung und nicht alle sind bereit das mitzumachen.

Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass je weiter jemand flieht, die Tendenz dazu geht, auch in den Land zu bleiben. Etwa ein Drittel der Ukrainer planen demnach dauerhaft in Deutschland zu bleiben, ein weiteres Drittel möchte nach dem Ende des Krieges auf jeden Fall zurück und der Rest ist sich noch nicht sicher.

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